Wir stehen vor der großen Herausforderung, unser Energiewirtschaftssystem umzubauen – und zwar in ein nachhaltigeres, sparsameres, dezentraleres und CO2-ärmeres System. Energiepolitik, Weltklima und gesellschaftspolitische Bedürfnisse sind im Wandel begriffen.
Ein Gastkommentar von Bruno Wallnöfer, Vorstandsvorsitzender von TIWAG.
Die »mitteleuropäische« Energiewende – insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland – wurde überhastet und konzeptlos gestartet und ist in eine gefährliche Schieflage geraten. Die europäischen Bergregionen – sohin insbesondere auch Tirol – verfügen über erhebliche Ressourcen an autonom verfügbarer, nachhaltiger, erneuerbarer und CO2-freier Stromerzeugung, insbesondere an Wasserkraft. Die Nutzung und der weitere Ausbau der Wasserkraft sind daher wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen Energie- und Klimapolitik im Alpenraum. Die Wasserkraftwirtschaft erbringt eine integrierte Nutzenwirkung in Bezug auf die zu verfolgenden energie-, industrie-, umwelt- und klimapolitischen Zielsetzungen. Unter den erneuerbaren Energien leistet die Wasserkraftwirtschaft unverändert den mit Abstand größten und kostengünstigsten Beitrag: Mit einem Wirkungsgrad von über 90 % und einem Energieerntefaktor von 12 bis 16.
Im öffentlichen Bewusstsein werden die Nutzenwirkungen der Wasserkraft zumeist unterschätzt und die mit der Wasserkraftnutzung verbundenen Eingriffe in den Naturraum und die Umwelt zumeist überschätzt. Der angemessene Ausbau der heimischen Wasserkraft ist Teil des Generationenvertrages. Er bringt Arbeit, Wertschöpfung und industrielle Entwicklung für Tirol und trägt zu den wirtschaftlichen und sozialen Lebensgrundlagen der nächsten Generationen bei. Österreich hat eines der strengsten UVP-Gesetze in Europa; das Land Tirol die strengste UVP-Behörde Österreichs: Es ist daher geradezu denkunmöglich, dass ein Wasserkraftprojekt, das nicht strengsten ökologischen Standards Rechnung trägt, mit einer behördlichen Bewilligung rechnen könnte.
Dessen ungeachtet zeigt das öffentliche Meinungsklima in Sachen Wasserkraftausbau ein ambivalentes, gelegentlich paradoxes Bild: Sehr hohe Zustimmungsraten zum Wasserkraftausbau im Allgemeinen gehen mit teilweise kritischen Reaktionen auf konkrete Projektvorschläge einher. Auch Umweltorganisationen und NGOs verfolgen die Strategie, den Wasserkraftausbau im Allgemeinen nicht von vornherein abzulehnen, sehr wohl aber (fast) alle konkreten Projekte. Die Ablehnung von Wasserkraftvorhaben in den Projektregionen wird auch nicht selten als Stellvertreterkrieg geführt. Das Bewusstsein vieler Menschen über den inneren Zusammenhang zwischen einerseits einer sicheren und preisgünstigen Stromversorgung aus heimischen, regenerativen Quellen und andererseits dem erreichten Wohlstand im Land ist verloren gegangen.
Die oft jahrelangen Umweltverträglichkeitsverfahren gewährleisten jedoch eine institutionalisierte Bürgerbeteiligung in einer Qualität, wie sie vor wenig mehr als einem Jahrzehnt noch unbekannt war. Unser Weg für Energiesicherheit und Klimaschutz verfolgt folgende Zielsetzungen: Ausbau der Tiroler Stromautonomie, Verringerung von Auslandsabhängigkeiten, Förderung der Energieeffizienz und Pumpspeicherwasserkraft als Tiroler Beitrag zur europäischen Energiewende.
Ausbau der Tiroler Stromautonomie heißt, die Stromerzeugung aus heimischer Wasserkraft auf das Niveau des Landesverbrauchs anzuheben. Zur Erreichung dieses Zieles ist ein Zubau an heimischer Wasserkrafterzeugung von ca. 2000 GWh bis zum Jahr 2033 erforderlich. Dies entspricht – im Durchschnitt des Betrachtungszeitraumes – einem Zubauerfordernis von 100 GWh pro Jahr. Unbeschadet einer ambivalenten Gemengelage politischer, wirtschaftlicher, rechtlicher, ökologischer und informationell-kommunikativer Kraftfelder sind wir zuversichtlich, die aufgezeigten Ziele eines angemessenen Ausbaues der heimischen Wasserkräfte zu erreichen. Wir haben (nahezu) alle wesentlichen Wasserkraftprojekte bei der zuständigen UVP-Behörde eingereicht. Diese stehen nun also im gesetzmäßigen Bewilligungsverfahren.