Lokalaugenschein bei Siemens Portugal: Mit IT wird viel Windstrom ins Netz integriert und ein energiefressendes Gebäude sparsam gemacht.
Von Margarete Endl aus Lissabon
Erneuerbare-Energien-Rekord in Portugal: Im ersten Halbjahr 2013 erzeugten Windräder ein Viertel von Portugals Strom; Wasserkraft lieferte weitere 36 %. Insgesamt trug die erneuerbare Energie 68 % zur Stromerzeugung bei. Nur in Dänemark liefern Windkraftwerke einen noch höheren Anteil an der Stromerzeugung.
Die volatilen erneuerbaren Energieträger reibungslos in das Stromnetz zu integrieren ist die Aufgabe des nationalen Netzbetreibers Redes Energéticas Nacionai (REN). Gegenüber dem Vergleichszeitraum 2012 stieg der Anteil von Strom aus Wind- und Wasserkraft um 46 %. Es war aber nicht ein Kapazitätsausbau, sondern ein windiger und niederschlagsreicher Winter, der besonders bei der Wasserkraft zu einem starken Anstieg der Stromproduktion führte. Auch REN hat einen Rekord aufgestellt – an Zuverlässigkeit: 2012 gab es keine Stromunterbrechung, die länger als drei Minuten dauerte.
Man sitzt in einem REN-Konferenzraum in Lissabon. Mehr Leitungen seien nötig, sagen die REN-Manager, und die Netze müssten smart werden; die Herausforderungen für Netzbetreiber klingen überall ähnlich. Portugals Potenzial an erneuerbarer Energie wird auf eine Leinwand projiziert. Der Süden von Portugal erscheint dunkelorange, es steht für höchste Sonneneinstrahlung, so wie Marokko weiter südlich, das nur durch ein wenig Mittelmeer getrennt ist. In Marokko wird gerade ein thermisches Solarkraftwerk gebaut, bis 2020 will Marokko seinen Strom überwiegend solar erzeugen. Eine Hochspannungsleitung nach Nordafrika wäre der nächste logische Schritt, wenn eines Tages Solarstrom aus der Sahara nach Europa fließen soll. Wo sie verlaufen soll, von Portugal oder Spanien aus, wird noch geprüft. Das Ende des nationalen Leitungsdenkens ist vorgezeichnet: »Wir werden ein Supernetz bauen, ein transeuropäisches Netz. «Das sehen auch die Siemens-Manager so, die Medienleute und Mitarbeiter aus ganz Europa nach Lissabon geholt haben, um die IT-Revolution in Lissabon vorzuzeigen. REN arbeitet mit einem Energiemanagementsystem namens »Spectrum Power«, einer von Siemens gelieferten Software.
Portugals künftiges Ausbaupotenzial liegt in der Solarenergie. Die Photovoltaik liefert erst kümmerliche 0,7 % von Portugals Strom. Der Fokus des letzten Jahrzehnts lag auf Windkraft, zu den nun bestehenden 4.500 MW sollen weitere 1.000 MW kommen. Für Photovoltaik gab es zwar anfangs Förderungen, doch als die Wirtschaftskrise kam, ging das Geld aus. Nun, da die Preise für PV-Anlagen so stark gefallen sind, erwartet REN, dass private Investoren in Kürze ganz ohne Förderung Photovoltaik installieren.
Von F auf B
Die nächste Siemens IT-Revolutionsstation ist das Vodafone-Hauptquartier im Parque das Nações, einem neuen Stadtviertel Lissabons. 2002 wurde das vom italienischen Architekten Alexandre Burmester für Vodafone errichtete Gebäude fertig. Der Architekt erhielt Architekturpreise – und Vodafone hohe Energierechnungen. Das ästhetisch ansprechende Gebäude war im Denken der 1990er-Jahre errichtet worden, als Energie billig war und nur Wissenschaftler vor einer Erderwärmung warnten. Bei der Gebäudebewertung erhielt der Glaspalast die Note »F«, verrät ein Vodafone-Manager.
2010 wurde Siemens beauftragt, die Energieperformance des Gebäudes zu optimieren. Siemens installierte ein Gebäudesteuerungssystem namens Desigo Insight, das als »Gehirn des Gebäudes agiert und die Reduktion der Energieverbräuche durch intelligentes Energiemanagement ermöglicht«. »Wir haben uns auf die Verbesserung der Klimaanlagen konzentriert«, sagt Francisco Rosa, Leiter des Bereichs Building Technologies von Siemens Portugal. »Damit haben wir den Energieverbrauch – elektrische und thermische Energie – um 11 % reduziert.« Vodafone hatte davor bereits gebäudetechnische und energiesparende Maßnahmen getroffen: Energiesparende LED-Lampen wurden installiert, und auf die Flachdächer des Gebäudes kamen Photovoltaikpanele. Sie erzeugen jährlich 300 MWh Strom, der Verbrauch des Gebäudes liegt allerdings bei 7 GWh. Alle Maßnahmen zusammen haben die Energieperformance auf ein »B« verbessert. Auch andere umweltrelevante Änderungen will Vodafone umsetzen: Videokonferenzen sollen viele Geschäftsreisen ersetzen (und das eigene Geschäft, die Kommunikationstechnologie, fördern) und Hybridautos den Treibstoffverbrauch der Firmenflotte reduzieren.
Tücken der IT
Als die Siemens-Reisegruppe das Vodafone-Gebäude verlässt, kommt es zu einem kleinen Stau. Schuld daran ist, dass der Mensch noch nicht optimal an die Technik angepasst ist, und vice versa.
Vodafone wollte den Besuchern vorführen, wie perfekt die elektronische Zugangskontrolle funktioniert. Besucher erhielten einen Eingangs- und Ausgangscode auf ihr Handy. Doch bei manchen funktioniert der Code nicht, und andere haben ihr Handy im Hotel gelassen. Vodafone-Angestellte, die schnell eine Zigarette in der Mittagssonne rauchen wollen, werden von der Prozedur aufgehalten. Eine Angestellte lässt schließlich die handylosen Besucherinnen mit einem Firmencode durch. So einfach ginge es auch.
Beim Warten sieht man auf einem TV-Schirm die neuesten Nachrichten: Angolas Präsident José Eduardo dos Santos kündigt eine strategische Partnerschaft mit Portugal auf.
Markt in Angola
Mittagessen in einem Restaurant am Hafen. Luis Marçal, Smart Grid-Leiter von Siemens Portugal, gesellt sich an den Tisch. Ob er nur für Portugal zuständig sei oder auch für andere Länder? »Wir bauen gerade eine Zusammenarbeit mit Angola auf«, erzählt Marçal. Angola habe ein riesiges Wasserkraftpotenzial. Die bestehenden alten Wasserkraftwerke und fossilen Kraftwerke hätten eine Leistung von insgesamt einem Gigawatt – für 19 Millionen Menschen. Da der Staat keine sichere Stromversorgung bietet, haben jene, die es sich leisten können, einen Dieselgenerator, während 70 % der Bevölkerung in dem ölreichen Land keinen Strom haben. »Wir versuchen, mit den verantwortlichen Institutionen zusammenzuarbeiten und sie zu unterstützen«, sagt Marçal.
Brasilien und China sind die führenden Nationen beim Wettbewerb um Kraftwerksgeschäfte in Angola. Ob es denn in Angola Ressentiments gegen Portugal gebe, Nachwirkungen aus der Kolonialzeit? »Come on«, entfährt es Luis Marçal. War wohl eine dumme Frage, angesichts der eben im TV gesehenen Nachricht von der Krise zwischen den beiden Staaten auf allerhöchster Ebene. »Wir wollen bessere Beziehungen aufbauen. Wir sind ein deutsches Unternehmen, ein multinationales Unternehmen. Und wir Portugiesen können dabei unterstützen.«
Seit 2012 ist Siemens Portugal im Aufbau von Siemens Angola stärker involviert. Ein Durchbruch war, als Siemens Portugal die flughafenspezifischen Ausrüstungen für vier Flughäfen in Soyo, Dundo, Saurimo und Luena errichtete. Der Stromversorger in Luanda will Siemens mit der Modernisierung der elektrischen Leitungen beauftragen. Ende September präsentierte ein Mitarbeiter von Marçal auf einer Messe in Luanda das Smart Grid-Konzept. Doch ob eine portugiesisch inspirierte IT-Revolution in Angola erwünscht ist – die Zukunft wird es weisen.