Wie sich der Gaspreis weiter entwickelt. Was die Preise treibt. Ein Blick auf den aktuellen Erdgasmarkt in Österreich.
Text: Martin Szelgrad
Die Gaspreise sind gefallen – sogar sehr stark gegenüber den Jahren 2022 und 2023. Aktuell liegen gute Tarife bei knapp über 4 Cent pro kWh für Endkund*innen. Auch Energielieferanten wie Montana können die gesunkenen Preise »erfreulicherweise rasch an unsere Kundinnen und Kunden weitergeben«, betont Österreich-Geschäftsführer Clemens Wodniansky-Wildenfeld. Er erinnert sich an die »brutale Situation mit exorbitanten Preisanstiegen« vor zwei Jahren. Gegenläufige Entwicklungen würden nun die Marktberuhigung herbeiführen.
Zunächst ist das die gesunkene Nachfrage aufgrund der Witterung – mit 2,5 Grad über der Norm im Dezember sowie 1,3 Grad im Jänner. Zudem halten sich die Haushalte in ihrem Gaskonsum immer noch zurück. Die hohen Preise aus den vergangenen Jahren haben viele zu alternativen Brennstoffen wie Holz oder einfach zu einer Reduktion ihres Verbrauchs bewegt. Zusätzlich drücke die stotternde Konjunktur auf die Nachfrage durch die Industrie. Während die Nachfrage auf einem niedrigen Niveau ist, ist die Angebotssituation optimal. Die Speicher sind mit noch immer 80 Prozent gut gefüllt.
Zusätzlich wurden mit dem LNG-Boom in Deutschland, aufgrund der gekappten oder nicht genutzten Leitungskapazitäten Nord Stream 1 und 2, rasch Flüssiggas-Terminals errichtet. Damit ist »extrem viel LNG in die Region gekommen«, so der Marktexperte. Auch die schwächelnde chinesische Wirtschaft trägt zur positiven Preisentwicklung in Europa bei. China ist seit Jahren der größte Importeur von LNG weltweit. Weniger Nachfrage in Asien bedeutet mehr Angebot in Europa.
Trotzdem sind mit 30 bis 33 Euro pro Megawattstunde im Großhandel die Gaspreise fast doppelt so hoch wie im Jahr 2021 mit damals 18 Euro. So günstig wie in der Vergangenheit aber wird es Erdgas nicht mehr geben, ist auch der Montana-Manager überzeugt. »Das hat auch mit Mentalität zu tun. Man will das gar nicht mehr.« Kurzfristig könnte der Preis zwar geringfügig weiter fallen, langfristig aber sprechen mehrere Faktoren für einen steigenden Preis. Das Energiepreisniveau derzeit werde das Wirtschaftswachstum anfeuern.
Außerdem ist der Experte überzeugt, dass China wieder zunehmend signifikante LNG-Mengen abfragen wird. Im nächsten Jahr steigen die CO2-Preise auf 55 Euro pro Tonne – ein weiteres Indiz auch für die Gaspreisentwicklung. Und die gesetzlich verordnete Speicherbevorratung, die für nicht-russisches Gas angehoben wird, wird Zusatzkosten in der Bewirtschaftung verursachen, die über kurz oder lang auch an die Kunden weitergeben werden. Zur Erklärung: Bisher mussten Gasversorger genügend Gas einspeichern, um Haushalte zwischen Oktober und März bis zu 30 Tage zu versorgen. Ab Oktober 2024 wird diese Verpflichtung auf 45 Tage angehoben. Auswirkungen auf einen Marktpreis an den Börsen hätte dieser Umstand aber nicht, so Wodniansky-Wildenfeld, die Speicherbevorratung sei ein »typisch österreichisches Thema«. In Deutschland habe man eine Bevorratung in diesem Ausmaß nicht.
Auch den politischen Wunsch zu einer Diversifizierung in der Beschaffung von Gas könne er gut verstehen, die Umsetzung sei freilich ohne Herkunftsnachweisen am Markt schwer. »Gas hat im Unterschied zu Strom keine Zertifikate. Solange wir das nicht in Europa aufbauen, ist ein Nachweis für Gas aus nichtrussischer Quelle von einem Vorlieferanten oder Händler schlichtweg nicht möglich«, kritisiert er. Montana Österreich hat Angebote für gewerbliche Kunden mit maximal 5 GWh Jahresverbrauch. Spezialisiert hat sich der Anbieter aber weniger auf große Einzelanlagen, sondern auf kleinere Unternehmen und Eigentümergemeinschaften mit Zentralheizungen. »Unsere Kernkompetenz liegt bei Hausverwaltungen und einem ausgeprägt kundenorientierten Service. Bei uns gibt es auch nicht den banalen günstigsten Preis. Da matchen wir uns auch nicht mit Lieferanten, die ausschließlich auf diese Weise punkten.«
Transparenz
Unternehmen bis 400.000 kWh Jahresverbrauch haben ähnlich wie Haushalte mit dem Tarifkalkulator der E-Control eine Preistransparenz. Welche Trends sieht Alfons Haber, Mitglied des Vorstands der E-Control, in der Beschaffung von Erdgas bei gewerblichen Kunden, vor allem KMU? »Auffällig ist, dass anders als bei Haushalten eher wenige variable Tarife angeboten werden. Wir gehen davon aus, dass gerade für die Preiskalkulation der Unternehmen variable Tarife typischerweise ungünstig sind. Allerdings haben diese den Vorteil, gerade in Zeiten sinkender Großhandelspreise, wie seit einem Jahr, schnell zu Preisreduktionen zu führen«, so Haber.
Kleinere Unternehmen bis 400.000 kWh Jahresverbrauch setzen auf Fixpreise mit Laufzeiten von beispielsweise einem Jahr. Auch bei Unternehmen mit einem höheren Verbrauch ist der Griff zu variablen Tarifen eher selten, man setzt ebenfalls auf fixe Tarife. Das Wichtigste aber, auch aus Sicht des Regulators: Die Beschaffungssituation hat sich wieder etwas beruhigt. Die Tarife sollten gemäß aktueller »Forwards« relativ stabil bleiben, ergänzt er. Endkundenpreise bei etwa 4 Cent/kWh erscheinen auch mittelfristig plausibel. Größere Unternehmen haben geringere Aufschläge auf den Großhandelspreis, sodass auch Preise von 3,5 bis 4 Cent möglich erscheinen. Derartige Preise werden oft auf Jahresbasis angeboten und sind so kalkulierbar und planbar. »Aktuell rechnen wir auch bis 2027 mit keinen wesentlichen Senkungen«, sagt der Regulator.
Vom Rückzug einzelner Gasanbieter in den vergangenen zwei Jahren waren auch Gewerbekunden betroffen. Haber erinnert sich an die Nervosität in der Wirtschaft aufgrund der unsicheren Versorgungslage mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine. Die Situation jetzt sei anders: Zusätzlich zu den fixen Versorgungsmengen für die Haushaltskunden haben die Unternehmen größere Mengen eingespeichert – auch das bringe Beruhigung in den Markt. Durchschnittlich zu 65 Prozent sind derzeit Speicher in der EU gefüllt. Hatten die Einkäufer noch vor einem Jahr mit empfindlichen Kosten zu kämpfen, ist der Großhandelspreis für Erdgas im Februar auf 30 Euro pro MWh gesunken.
Aufforderung an die Lieferanten
Wird nun die in Österreich geforderte Gasdiversifizierung beim Einkauf – die Gasversorger sind angehalten, Alternativen für die Lieferungen aus Russland zu finden – wieder höhere Marktpreise bringen? Kann Gas aus Norwegen das früher billige Gas aus Russland preislich ebenbürtig ersetzen? Für Haber besteht kein Grund zur Sorge, wie er betont. Generell gibt die wichtigste Gasbörse, TTF in den Niederlanden, die Preise vor. Von allfälligen Preisvorteilen bei Gas aus Russland wären nur Unternehmen mit direkten Verträgen betroffen (Anm.: in Österreich die OMV). Nahezu alle Lieferanten in Österreich würden Gas von europäischen Märkten beziehen.
Der Regulator wünscht aber mehr Informationen der Gasversorger zur Herkunft ihres eingekauften Gases. Doch er weiß, dazu müsste auch auf den Börsen Transparenz zu den beschafften Mengen herrschen. Gerade über das Flüssiggas LNG gelangt viel russisches Gas auf den europäischen Markt. Und gerade Österreich hängt stark am russischen Gashahn. Lediglich knapp über ein Drittel (35 Prozent) der Gasmengen kamen im Vorjahr nicht aus dem kriegsführenden Land. Das EU-Ziel, bis 2027 komplett von Gas aus Russland wegzukommen, scheint gerade in Österreich weit entfernt.