Mittwoch, November 20, 2024



Das Isoliergas SF6 wird weltweit kritisch diskutiert. Zwar ist es als reaktionsträges und dielektrisches Gas bestens für die Isolierung von Schaltanlagen geeignet, verfügt zugleich jedoch über ein enormes Treibhauspotential, sollte es in die Atmosphäre gelangen. Daher braucht es Alternativen, die ökologisch nachhaltig, aber auch rentabel sind. Um den Übergang in ein fluoridfreies Energiesystem zu unterstützen, hat der Technologiekonzern Schneider Electric mit der AirSeT-Reihe Schaltanlagen entwickelt, die mit reiner Luft und Vakuum isolieren.

Mittelspannungsnetze sind zentral für die Energieverteilung auf lokaler Ebene. Hier speisen wichtige regenerative Erzeuger wie etwa Wasserkraftwerke ihre Energie in das Stromnetz ein. Mit dem forcierten Ausbau erneuerbarer Energiequellen kommen Windkraft- und zunehmend Photovoltaikanlagen hinzu, die aufgrund ihrer Größe und ihrer dezentralen Verteilung ebenfalls an die Mittelspannung angeschlossen werden. All diesen Erzeugungsanlagen ist dabei gemeinsam, dass sie im Betrieb auf Schaltanlagen angewiesen sind.

In diesen Anlagen wird seit den 1970er Jahren das synthetische Gas Schwefelhexafluorid (SF6) zur Isolierung eingesetzt. Aufgrund seiner dielektrischen Eigenschaften eignet sich das nicht-brennbare, ungiftige und reaktionsträge Gas hervorragend für diese Zwecke. Dabei hat SF6 jedoch einen entscheidenden Nachteil: Es weist das 25.200-fache Treibhauspotential von CO2 auf. Auch wenn das Gas im Normalbetrieb nicht in die Umwelt entweicht, besteht ein Restrisiko, dass es bei der Befüllung, bei Leckagen oder durch unsachgemäße Verwertung am Ende des Anlagenlebenszyklus doch in die Atmosphäre gelangt. 

Alternative Isoliergase
Im Verlauf der letzten Jahre haben neue synthetische F-Gase den Markt erreicht, etwa teilfluorierte Gase wie Fluornitril (C4-PFN) und Fluorketon (C5-PFK). Gemischt mit natürlichen Gasen sind diese für die Verwendung in elektrischen Anlagen technisch gut geeignet. Wegen ihrer kürzeren Verweildauer weisen sie zudem ein niedrigeres Treibhauspotential als SF6 auf. Aufgrund ihrer Zusammensetzung benötigen aber auch sie eine End-of-Life Verwertung, die Zeit, Kosten und Personal erfordert.

Hinzu kommt, dass die Verwendung von F-Gasen aufgrund ihrer Umweltauswirkungen generell zunehmend nationalen und internationalen Restriktionen unterliegt. Auf nationaler Ebene erfordert etwa die geplante Klimaneutralität Österreichs bis 2040 eine konsequente Reduktion der Treibhausgasemissionen. Auf internationaler Ebene zeigt der Vorstoß der EU-Kommission, die mit Blick auf die Klimaziele Europas jüngst einen Entwurf zur Verschärfung der bestehenden F-Gase Verordnung von 2014 vorgelegt hat, den Trend der regulatorischen Entwicklungen. Da Schaltanlagen eine Lebensdauer von mehreren Dekaden haben, sollte daher im Sinne der Zukunftssicherheit bei ihnen generell auf F-Gase verzichtet werden. Genau hier kommt ein drittes und garantiert unproblematisches Gas ins Spiel: Luft.

Isolieren mit Luft

Unter Druck gesetzt, verfügt reine, trockene Luft (sog. technische Luft) über hervorragende isolierende Eigenschaften. Aus der Umgebungsluft gewonnen, hat sie ein Treibhauspotential von null und stellt selbst bei Leckagen keine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Kosten für die Entsorgung fallen ebenfalls nicht an. Erste Praxiserfahrungen mit Luftisolation haben gezeigt, dass hinsichtlich der Isolierfähigkeit oder Sicherheit keine Abstriche gemacht werden müssen.

Für einen reibungslosen Anlagenbetrieb verwenden moderne Schaltanlagen wie etwa die RM AirSeT von Schneider Electric reine Luft in Kombination mit einer innovativen Vakuum-Technologie. Denn in der Mittelspannung hat sich das Schalten in einer Vakuum-Kammer als zuverlässige und sichere Methode bewährt. Eine Neuerung ist jedoch die kompakte Shunt-Vakuum-Schaltung (SVI), die innerhalb eines mit reiner Luft gefüllten Druckbehälters platziert ist. Beim Trennen wird die Vakuum-Schaltkammer zunächst parallel zum Hauptkontakt geschaltet, trägt kurzzeitig den gesamten Stromfluss und unterbricht diesen im lichtbogenlöschenden Vakuum. Mit diesem Verfahren ist es möglich, den gewohnten Betriebsmodus über einen Dreistellungsschalter zu erhalten. Auch ermöglicht es, die Abmessungen der Schaltanlage ähnlich kompakt zu halten wie bei bisherigen Modellen.



Bild oben: Setzt auf reine Luft: gekapselte Ringkabelschaltanlage RM AirSe

Neben einer klimafreundlichen Isolierung sorgen auch digitale Funktionen für ein Plus an Effizienz, Nachhaltigkeit und Sicherheit der SF6-freien Mittelspannungsschaltanlagen von Schneider Electric. Drahtlose Temperatur- und Klimasensoren wie Easergy CL110 und TH110 ermöglichen eine kontinuierliche Zustandsüberwachung. Über die IoT-fähige Fernwirkeinheit Easergy T300 werden die Zustandsdaten in eine Lösungsarchitektur wie EcoStruxure mit ihren mannigfachen Möglichkeiten, ein Stichwort ist die vorausschauende Wartung, eingebunden. In absehbarer Zeit wird zudem die Komplexität von Energienetzen deutlich zunehmen und die Einbindung von Einspeiseanlagen in ein intelligentes Energiemanagement ist für den nachhaltigen Netzbetrieb dann unverzichtbar – beispielsweise für die Sektorenkopplung. Digitale Funktionen erleichtern die Verknüpfung von OT mit IT und schaffen damit die Grundlage für die Integration der Schaltanlagen. 

Innovative Technik, praxisbewährt
Das Potential SF6-freier Schaltanlagen zeigt sich bereits heute in erfolgreichen Pilotprojekten. Ein Beispiel ist die Zusammenarbeit von Schneider Electric und der deutschen ED Netze GmbH, die mit dieser Technik gemeinsam den Bau eines Umspannwerks realisieren, um Energieversorgung der Region langfristig nachhaltig zu gestalten. Aber auch Kooperationen auf Verteilnetzebene wie etwa mit der deutschen Netze BW GmbH oder GreenAlp im französischen Grenoble zeigen, dass eine SF6-freie Energieverteilung bereits heute möglich ist.



Bild oben: In Grenoble (Frankreich) realisieren Schneider Electric und Netzbetreiber GreenAlp eine SF6-freie Ortsnetzstation.

Fazit
Der Ausbau erneuerbarer Energien und die Zunahme von Mittelspannungsschaltanlagen gehen Hand in Hand. Nationale Ziele und internationale Restriktionen erfordern eine Abkehr vom Isoliergas SF6. Alternative Fluoridgase bringen zwar Vorteile, führen am Ende des Lebenszyklus einer Anlage jedoch zu ähnlich kostspieligen Problemen wie SF6. All dies spielt beim Schalten mit reiner Luft keine Rolle. Dazu hat der Wechsel auf diese klimaschonende Isolierung keine Auswirkungen auf die Handhabung, Sicherheit oder Zuverlässigkeit der Schaltanlagen. Digitale Funktionen sorgen für zusätzliche Effizienzgewinne und ermöglichen Prozesse wie etwa eine vorausschauende Wartung.

Bilder: Getty Images, Schneider Electric

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