Sonntag, Dezember 22, 2024

Der Wandel in der Energiewirtschaft ist in vollem Gange. Das Erfolgsgeheimnis, kurz und bündig: Digitalisierung.

In einer der jüngsten Ausgaben einer Gesprächsreihe von Tietoevry und Microsoft diskutierten Expert*innen zum Thema Ressourcenschonung und Energie. Das Credo: Informationstechnologie ist die Basis auch für Nachhaltigkeit bei Unternehmen aller Branchen. Mit Martin Szelgrad (Energie Report) sprachen Jutta Grabenhofer (Microsoft), Wolfgang Kuzel (Tietoevry), Stefan Zierlinger (Energie Burgenland Green Technology) und Roman Tobler (Wiener Netze).

Das Video zum Gespräch (Link)

»Tietoevry hat sich auf die Fahnen geheftet, das Thema Nachhaltigkeit »selbst zu leben« und gesamtheitlich zu betrachten. »Als Konzern mit über 24.000 Beschäftigten wollen wir auch das Verständnis unserer Mitarbeiter*innen für Themen wie Nachhaltigkeit, Chancengleichheit und auch für Veränderungen schärfen«, betont Wolfgang Kuzel, Head of Energy & Utilities bei Tietoevry. So wurden bei dem IT-Unternehmen schon vor Jahren Reisetätigkeiten eingeschränkt. Technologie hilft, Meetings auch online durchzuführen.

»Wir sparen, indem wir digitalisieren«, sagt Kuzel. Es gebe in der Organisation keine Eingangsrechnungen mehr auf Papier oder Briefpost im herkömmlichen Sinne. »Man sieht hier auch, dass man als Einzelner, am eigenen Arbeitsplatz, sehr wohl etwas bewegen kann.« Nachhaltigkeit heißt für das Unternehmen auch, E-Mobilität oder gemeinnützige Arbeit zu fördern. Gerade in Skandinavien werde vieles dazu probiert und umgesetzt. 

Wolfgang Kuzel, Head of Energy & Utilies bei Tietoevry: »Wir analysieren und bereiten Daten zentral über Plattformen auf.«

In Österreich rettet Tietoevry den Grünen Veltliner in einer Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, indem Weingebiete mit Sensoren vernetzt werden. Eine Vielzahl von Daten wird dazu für die Weinbauern analysiert und aufbereitet. Diese können damit lokal und eingeschränkt etwa Paraffinkerzen oder Frostschutzmittel einsetzen – nur dort, wo es tatsächlich notwendig ist. Die Bauern sparen damit Geld und der gezielte Schutz hilft den Reben und letztlich auch der Umwelt.

Mittels Predictive Maintenance wiederum wird die Abnützung von Bremsbelägen bei Zügen gemessen. Durch die Echtzeit-Analyse der Daten und ihrer Auswertung wird sichergestellt, dass die Beläge zum richtigen Zeitpunkt gewechselt werden und so Ressourcen nachhaltig eingespart werden können. Im Raum Stockholm werden Züge auf Basis von Bewegungsdaten der Menschen und des tatsächlichen Aufkommens effizienter eingesetzt.

»Unsere Unternehmenskunden sind die fachlichen Experten – wir analysieren und bereiten Daten zentral über Plattformen auf«, so Kuzel. Er sieht Technologieunternehmen »in der Pflicht, den Menschen die Sorge vor der vernetzten Welt zu nehmen und nutzerfreundliche Produkte und Systeme zu schaffen.« 

Effiziente Infrastrukturen

Auch Microsoft hat sich Nachhaltigkeitsziele gesteckt, die ins Zentrum aller Aktivitäten des IT-Konzerns gestellt werden. Jutta Grabenhofer, Sustainability Lead Microsoft Österreich, sieht eine besondere Verantwortung gerade im Betrieb von Rechenzentren, die viel Strom benötigen. »Wir wissen, dass wir den CO2-Ausstoß und Materialverbrauch verringern müssen«, sagt sie. Auch Unternehmen im Partner-Ökosystem des Softwareriesen legen Wert auf Nachhaltigkeit, sowohl bei den eigenen Mitarbeiter*innen als auch beim eigenen Produkt- und Service-angebot. Letztlich geht es darum, auch die Nachhaltigkeits- und Digitalisierungsziele der Kunden zu unterstützen.

Jutta Grabenhofer, Sustainability Lead bei Microsoft Österreich: »Was ich nicht sehe und kenne, kann ich nicht verändern.«

Abgesehen von einem regulatorischen Rahmen, der Unternehmen in der EU zur Nachhaltigkeit verpflichtet, sollte man sich auf jeden Fall mit den »Add-ons« beschäftigen, wie Energieeffizienz darüber hinaus umgesetzt werden kann, rät Grabenhofer. So hat sich Microsoft bereits vor zehn Jahren selbst zu einer internen Verrechnung einer CO2-Steuer verpflichtet.

Aus dieser stammen Forschungsgelder von einer Milliarde Dollar für Technologieprojekte, um bis 2050 auch historisch verursachtes CO2 wieder aus Atmosphäre zu entfernen. »Wir haben klare Vereinbarungen mit unseren Lieferanten und Partnern für das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen und welche Informationen dazu eingemeldet werden. Dadurch können wir Scope-3-Emissionen in die Berechnungen aufnehmen – in einer durchgängigen Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette. Denn was ich nicht sehe und kenne, kann ich nicht verändern«, erklärt die Expertin.

Mit »Circular Centers« verbessert Microsoft die Ökobilanz seiner Hardware, etwa bei der Herstellung der Surface-Geräte – welche Materialen und welche Ressourcen benötigt werden. Dabei geht es auch um die Nutzungsdauer und den gesamten Produktlebenszyklus bis zum Recycling und Entsorgung von Geräteteilen. »In den ersten Phasen von Projekten werden immer Investitionen nötig sein, aber letztlich soll Nachhaltigkeit zu einem Profit-Center für die Unternehmen werden. Wir helfen dabei, IT-Prozesse zu verschlanken und Emissionen mittels effizienter IT-Infrastrukturen der großen Cloud-Rechenzen-tren zu reduzieren«, sagt Grabenhofer.

Services und Energiemix

Die Energie Burgenland hat in den vergangenen Jahren viel in Windkraft investiert und will jetzt auch Spitzenreiter bei Photovoltaik werden. Mit einem Mix aus erneuerbaren Energien und Maßnahmen wie der Einsatz von Wärmepumpen als Ersatz für Öl und Gas in der Wärmeversorgung soll das Ziel der Klimaneutralität bis 2030 erreicht werden.

»Trotzdem ist nicht mehr viel Zeit bis dahin. Wir glauben auch nicht, dies alleine schaffen zu können«, gibt Stefan Zierlinger, Managing Director Energie Burgenland Green Technology, unumwunden zu. »Wir brauchen die Industriebetriebe und auch die Bevölkerung an Bord, ebenso wie Digitalisierungslösungen.« Auf der Plattform weiterdenker.at können alle Österreicher*innen CO2-Einsparungen berechnen, eigene Ideen für Energieeffizienz einbringen und Tipps für Nachhaltigkeitsmaßnahmen erhalten.

Stefan Zierlinger, Energie Burgenland Green Technology: »Unternehmen aller Sektoren erfinden sich neu.«

Auch Energie Burgenland macht einen Wandel von einem klassischen Energieversorger zum Green-Tech-Unternehmen durch. Plattformen und digitale Technologien helfen dabei, die Umsätze aus beispielsweise dem Verkauf von Gas durch neues Geschäft mit digitalen Produkten zu ersetzen. »Gemeinsam mit Gemeinden im Burgenland messen wir mit LoRaWAN-vernetzen Sensoren die Füllstände von öffentlichen Abfallbehältern. Gemeindearbeiter ersparen sich so die regelmäßige Tour mit dem Dieselfahrzeug – sie bekommen über ein Dashboard angezeigt, welche Plätze angefahren werden müssen«, zeigt Zierlinger ein Beispiel auf.

»Es ist schön zu sehen, wie sich Unternehmen über alle Sektoren hinweg praktisch neu erfinden und das Prinzip der Nachhaltigkeit in ihre Geschäftsmodelle integrieren«, betont er. Die Kunden stehen im Mittelpunkt und erhalten gerade auch mit digitalen Plattformen und Services von den Energieversorgern die Mittel zu Einsparungen und Energieeffizienz.

Ohne Cloudlösungen sei es aber nicht möglich, Daten in Echtzeit zu verarbeiten und so einen Mehrwert zu gewinnen. Auch dezentrale Energiegemeinschaften werden auf Basis von Datenplattformen funktionieren, ist Zierlinger überzeugt. Auf diesen werden die Informationen zu Energieströmen verarbeitet und analysiert, um bestmögliche Ergebnisse für die Nutzer*innen zu erwirken.«

Basis für Veränderungen

»Wenn wir Nachhaltigkeit wirklich leben wollen, werden wir weiterhin leistungsfähige, öffentliche Energienetze brauchen«,  betont Roman Tobler, Head of Digital Information Wiener Netze. Die Digitalisierung ermögliche, aktuell verfügbare Infrastruktur auch für eine neuen, schnelllebige Energiewelt in der Erzeugung und Mobilität gut aufstellen können.

»Wir dürfen nicht vergessen, dass die Assets der Energiewirtschaft bislang fast ausschließlich Großkraftwerke mit mehreren Jahrzehnten Lebensdauer waren. Jetzt rücken Funktionalitäten wie die Anbindung vieler kleinerer Erzeuger und koordiniertes Laden und gleichzeitig auch neue Sicherheitsthemen in den Fokus«, so Tobler. Denn die Netzbetreiber müssen trotz der zunehmenden Komplexität weiterhin die »N minus eins«-Sicherheit halten: Auch wenn es zu einzelnen Störungen kommt, darf das Gesamtsystem nicht versagen.

Roman Tobler, Wiener Netze: »Werden weiterhin leistungsfähige, öffentliche Energienetze brauchen.«

Mit der Ablöse bei den Prognosen von früher eher einfachen Schätzungen hin zu einem datengetriebenen Betrieb sind nun die Grenzen einzelner Netzkomponenten – wie ein Kabel, ein Umspannwerk oder eine Trafostation – stärker ausreizbar. Trotzdem gäbe es keine Einbußen in der Versorgungssicherheit. »Das gilt es laufend weiter umzusetzen. Niemand wartet mit der Mobilitätswende oder Energiewende auf die Netzbetreiber«, ist dem Abteilungsleiter für Digitale Information und ICT Governance die Herausforderung bewusst.

Mit Informations- und Kommunikationstechnologie wird die nötige Flexibilität für den veränderten Bedarf am Markt geschaffen. »Natürlich hat sich die Physik die letzten paar hundert Jahre nicht geändert, aber Energietechnik könnte ohne Digitalisierung nicht in diesem Ausmaß eingesetzt werden, wie die Einbindung von Erzeugern und Verbrauchern erfordert«, so Tobler.

Wien will bis 2040 CO2-neutral werden. Das wird teilweise nur mit einer Elektrifizierung der Sektoren gelingen. »Wir rechnen mit einer zusätzlich benötigten Mengen Energie, primär Strom, bis zum Faktor fünf. Das ist nur machbar, wenn wir auch effizienter werden und in anderen Bereichen weniger Energie verbrauchen.« Für nachhaltige Veränderungen brauche es auch einen sozialen Wandel – auch im Kleinen, um vielleicht ein E-Auto nicht immer automatisch auf 100 Prozent zu laden, sondern dann, wenn ein optimaler Zeitpunkt im Verbund lokal mit den Nachbarn gegeben ist, erklärt Tobler: »Damit sind alle mobil, sicher versorgt und wir brauchen keinen teuren Leitungsausbau.«

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