Wie die Energiewende aus der Sicht eines Stadtwerks gelingen könnte, schilderte Michael Strebl, der Geschäftsführer der Wien Energie, bei der Internationalen Energiewirtschaftstagung am 10. September.
„Der Klimaschutz entscheidet sich in den Städten. Dort werden künftig 70 Prozent der Menschen leben, dort werden 70 Prozent der CO2-Emissionen anfallen.“ Das betonte Michael Strebl, der Geschäftsführer der Wien Energie, bei der Internationalen Energiewirtschaftstagung (IEWT) am 10. September in Wien. Strebl zufolge ist das im Sommer beschlossene Paket um das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) in weiten Teilen gut gelungen. Was jedoch noch fehle, sei das „Erneuerbare-Wärme-Gesetz“. Denn eine erfolgreiche Energiewende ohne umfassende Maßnahmen im Wärmesektor könne es nicht geben. Der Wien Energie selbst helfe der Auftrag ihrer Eigentümer, der Wiener Stadtwerke und damit letzten Endes der Stadt Wien, die Wärmeversorgung so klimaverträglich wie irgend möglich zu gestalten. Und die Stadt unterstütze sein Unternehmen auf diesem Weg: Schon demnächst etwa werde die Wiener Bauordnung novelliert. Vorgesehen seien ausgeweitete Verpflichtungen zum Einsatz der Solarenergie. Überdies soll in Neubauten die Möglichkeit geschaffen werden, Elektrofahrzeuge aufzuladen. Weiters müsse auf längere Sicht bei der Fernwärme Klimaneutralität erreicht werden.
Dass Handlungsbedarf besteht, lässt sich laut Strebl schlechterdings nicht bestreiten. Habe es in den Jahren 1960 bis 1991 im Durchschnitt ein bis zwei „Tropennächte“ gegeben, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad Celsius sank, seien es 2019 nicht weniger als 44 gewesen. Die Zahl der Hitzetage habe sich in den vergangenen 40 Jahren annähernd vervierfacht. Und 2020 sei das fünfwärmste Jahr in der gesamten Messgeschichte gewesen. „Das ist eine dramatische Entwicklung. Es gibt einfach keine Alternative zum Klimaschutz“, betonte Strebl. Auch aus wirtschaftlichen Erwägungen ist es ihm zufolge unabdingbar, klimaverträgliche Technologien einzusetzen: „Der Markt wird die politische Situation überholen und entsprechende Angebote verlangen. Strom, der nicht aus erneuerbaren Energien stammt, wird nicht mehr verkaufbar sein.“
PV als „natürliche Ressource“
Bild: Michael Strebl, Geschäftsführer Wien Energie: "Der Klimaschutz entscheidet sich in den Städten." (Foto: Wien Energie/Stefan Joham)
Als gleichsam „natürliche Ressource“ im Bereich der „Erneuerbaren“ bietet sich Strebl zufolge in den Städten die Solarenergie an. In Wien sei die Wasserkraft mit dem Großkraftwerk Freudenau und kleineren Anlagen wie Nussdorf weitgehend ausgebaut, für die Windkraft gebe es im Stadtgebiet vergleichsweise wenig Potenzial. Daher setze die Wien Energie insbesondere auf Photovoltaik (PV) auf den Dächern. Die größten Potenziale bestünden im Wohnbau sowie auf Indusrtrieanlagen. Bis 2030 wolle die Wien Energie Anlagen mit insgesamt etwa 600 Megawatt (MW) Leistung installieren, bisher realisiert wurden etwa 100 MW. „Für diesen Ausbau genügen die technisch nutzbaren Dächer allerdings nicht. Deshalb gehen wir auch in die Freifläche“, erläuterte Strebl. Genutzt werden nicht zuletzt ehemalige Mülldeponien.
Herausforderung Wärme
Eine nicht zu unterschätzende Herausforderung ist laut Strebl die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung, auf die etwa 40 Prozent des gesamten Energiebedarfs sowie der CO2-Emissionen entfallen. Ab 2040 will die Stadt Wien auf den Einsatz von Erdöl und Erdgas im Wärmesektor verzichten. Und gerade die etwa 500.000 Gaskunden mit einer alternativen Möglichkeit zur Versorgung mit Raumwärme und Warmwasser zu versorgen, werde nicht einfach. Mit dieser Einschätzung ist Strebl alles andere als alleine: Laut Hans Auer von der Energy Economics Group der Technischen Universität Wien ist die Umstellung der Gasheizungen auf alternative Systeme nicht nur in Österreich „das heißeste Eisen der Energiewende überhaupt“. Strebl sieht Möglichkeiten vor allem in der Nutzung von Wärmepumpen und Fernwärme. Ihm zufolge kann „knapp ein Viertel“ der Gasversorgung in wirtschaftlich rentabler Weise auf Fernwärme umgestellt werden. Ihre Rolle soll dabei künftig auch die Geothermie spielen: „Wir haben Warmwasserquellen in den geologischen Formationen unter der Stadt. Und wir haben mit der Zwei-Millionen-Metropole und ihrem Speckgürtel auch großen Bedarf für deren Nutzung.“
Strebl zufolge dürfte der gesamte Wärmebedarf in Wien im Jahr 2040 bei etwa 9,69 Terawattstunden (TWh) liegen. Rund 87 Prozent davon lassen sich mit Geothermie, Großwärmepumpen, Abwärme sowie Fernwärme aus den städtischen Müllverbrennungsanlagen decken. Die verbleibenden 1,27 TWh sollen aus saisonalen Speichern und mit „grünen“ Gasen versorgt werden. Als Beispiel, wie dies funktionieren könnte, nannte Strebl das „Village im Dritten“, ein neues Stadtviertel im dritten Wiener Gemeindebezirk. Dort ist geplant, etwa 1.900 Wohnungen mit insgesamt 500 Erdsonden und PV-Anlagen mit einer kumulierten Leistung von 1,9 MW auszustatten. „Das Ziel besteht darin, durch die Kombination eines eigenen Anergienetzes, Tiefensonden, Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen so viele lokale und erneuerbare Energiequellen zu nutzen wie möglich“, berichtete Strebl.