Testserie der TU München: Völlig neu entwickelte und umweltfreundlich mit reinem Wasser geschmierte Getriebe halten in ersten FZG-Tests offenbar deutlich mehr aus als herkömmlich ölgeschmierte Bauarten.
Zeitenwende im Maschinenbau: Mehrere Testserien an der TU München (TUM) brachten eine Sensation aus Sicht der Technik. Erstmals in der Ingenieursgeschichte gelang der schadensfreie Betrieb eines Hochleistungsgetriebes ohne umwelt- und klimaschädliches Mineralöl. Stattdessen verwendete das Team des österreichisch-deutschen Cleantech-Startups Reintrieb zu 100 Prozent reines Wasser. Wohlgemerkt ohne Additive. Eine Leistung, die bisher für technisch unmöglich gehalten wurde und Impact, Profitabilität sowie Klima- und Umweltschutz miteinander verknüpft.
Kein Getriebe hält ewig
An der Uni wird gelehrt: Richtig ausgelegt, können ölgeschmierte Getriebe theoretisch eine unendliche Lebensdauer erreichen. Nämlich dann, wenn sie mit einwandfreien, immer wieder erneuerten, nicht verunreinigten Schmieröl ohne Luft- oder Wassereinschlüsse und mit perfekten Dichtungen und Lagern betrieben werden. In der Praxis garantiert jedoch kein Getriebehersteller eine unendliche Lebensdauer, da diese perfekten Betriebsbedingungen nicht dauerhaft zu halten sind. Lager nutzen sich ab. Dichtungen lecken. Öl läuft aus und Feuchtigkeit, Wasser oder Luft kommen in das Getriebe. Die Folgen sind Fressen, Zahnbrüche, Oberflächenausbrüche und Verschleiß. Und damit ein beschädigtes Getriebe.
Es wird daher hoher Aufwand betrieben, um konventionelle ölgeschmierte Getriebe dicht zu halten. Nicht nur zum Schutz der Umwelt, sondern vor allem zum Schutz des Getriebes, insbesondere vor Wassereintritt. Mit häufigen Wartungsintervallen, Ölwechseln, Dichtungstausch und immer komplexeren und teureren Abdichtsystemen. Denn bereits geringe Feuchtigkeit im Öl führt zu einem dramatischen Schmierverlust und zu Getriebeschäden.
„Schon seit Jahren wird intensiv dazu geforscht, Mineralöl als Schmierstoff für Zahnradgetriebe durch unterschiedlichste synthetische Schmierstoffe, auch durch biologisch leicht abbaubare Pflanzenölderivate zu ersetzen. Aber die eleganteste Lösung für das Problem ist natürlich schlicht und einfach mit Wasser zu schmieren, ein technisch höchst anspruchsvolles Unterfangen mit beachtlichen Herausforderungen ans Material. Genau das macht die nun erzielten Testergebnisse von Reintrieb so wertvoll und vielversprechend für Wissenschaft und Industrie. Ganz zu schweigen vom Umweltschutz“, betont Klaus Michaelis, Experte für Zahnradgetriebe und Tribologie mit 50 Jahren Erfahrung in Forschung und Anwendung.
Der Durchbruch: Wasser statt Öl
All diese Probleme lassen sich mit einer einfachen, bestechenden und scheinbar unmöglichen Idee lösen: Statt mit Öl und seinen üblichen problematischen Zusatzstoffen einfach mit reinem Wasser schmieren. Der Haken an der Geschichte: konventionelle Materialien rosten, fressen und verschleißen mit Wasser. Reintrieb hat in mehrjähriger Forschung spezielle Zahnräder aus Hartmetall entwickelt, mit denen genau das möglich ist. Das löst sowohl das Umwelt- als auch das Getriebeproblem.
Die aktuell an der TUM durchgeführten Untersuchungen belegen den Durchbruch: Die Reintrieb Technologie ermöglicht Hochleistungsgetriebe mit reinem Wasser zu schmieren. Die Tests der wassergeschmierten Getriebe wurden mit den üblichen Leistungen und Belastungen durchgeführt, wie sie bei konventionellen ölgeschmierten Getrieben aus einsatzgehärtetem Stahl auftreten. Die Testergebnisse lassen eine vergleichbare anwendungsübliche Lebensdauer erwarten.
Die standardisierten FZG-Testverfahren wurden an der TUM entwickelt, um die üblichen Schadensformen und die Lebensdauer von Getrieben zu beurteilen. Reintrieb hat Versuche mit Leitungswasser, Salzwasser und handelsüblichem destillierten Wasser durchgeführt. Konkret zeigen die Untersuchungen, dass die mit Reintrieb Technologie gefertigten Zahnräder bei gleicher Belastung wie konventionelle Getriebe,
- kein Fressen sowie keine Anfälligkeit gegen Zahnbruch und
- keine Anfälligkeit gegen Oberflächenermüdung (Pitting/Micropitting) aufweisen und
- der geringe beobachtete Verschleiß eine Lebensdauer erwarten lässt, die den üblichen Revisionsintervallen entspricht oder sie sogar übertrifft.
Die Zusammenhänge zwischen Materialzusammensetzung, Getriebeauslegung und Umwelteinflüssen, wie etwa die Wasserqualität, haben nach Erkenntnissen von Reintrieb einen entscheidenden Einfluss auf die Funktion und die Lebensdauer der Getriebe. Es bedarf weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen, um diese Zusammenhänge und Wechselwirkungen noch genauer zu erforschen. Ziel dabei ist es einerseits digitale Modelle zu entwickeln, mit denen verschiedenste wassergeschmierte Getriebe berechnet und ausgelegt werden können. Andererseits sollen Werkstoffe, Produktions- und Prüfverfahren entwickelt oder optimiert werden, um die Grenzen unterschiedlichster Einsatzbedingungen festzulegen.
Geschichte einer unmöglich scheinenden Idee
Auftraggeber der erfolgreichen Testserie ist das 2016 von den Brüdern Dominik (51) und Vincent Cofalka (44) sowie Siegfried Lais (77) gegründete High-Clean-Tech-Unternehmen Reintrieb GmbH mit Sitz in Wien. Die Entwicklung und Erprobung der Reintrieb Ideen werden von Privatinvestoren, mit deutlicher Unterstützung aus staatlichen Mitteln der EU (Horizon 2020), des Austria Wirtschaftsservice (aws) und der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert.