Sonntag, Dezember 22, 2024
Zu teuer, zu lange Bauzeit, unvollendet. Skylink ist nicht das einzige Großprojekt, das unter Geburtswehen leidet. Warum das so ist, was man dagegen tun kann.

Ein Donnergrollen geht durch die Republik. Skandal! Ein schnöder Flughafenterminal schafft es seit einem Jahr regelmäßig in die Schlagzeilen, manchmal im Wochentakt. Die Medien freut das. So wird Auflage gemacht und so werden Sommerlöcher gestopft. Auch die politische Opposition reibt sich die Hände. Was für ein Glück, dass die Länder Niederösterreich und Wien maßgeblich Anteile an der Flughafen Wien AG halten. Noch mehr Glück, dass in Wien entscheidende Wahlen anstehen. Dass das Skylink neben dem Rechnungshof auch einen Sondergemeinderat beschäftigen wird, ist ausgemacht. Die Wiener SPÖ ortet via Aussendung gleich vorsorglich ein »billiges Polittribunal«. Daran, dass sich die Roten mit Skylink noch grün und blau ärgern werden, wird das nichts ändern. Aber ist Skylink wirklich die Mutter aller Bauskandale? Sicher, nicht einmal ein PR-Gott könnte das Projekt als Glanztat des Managements verkaufen. Auch die harten Zahlen und Fakten sehen alles andere als überzeugend aus. Seit 2004 wird gebaut, die Fertigstellung war ehemals für 2009 projektiert. Nach dem unrühmlichen Baustopp gilt nach jüngsten Prognosen Mitte 2011 als neuer Termin. Die endgültigen Baukosten dürften sich auf rund 830 Mio. Euro belaufen, was rund einer Verdoppelung gegenüber den ersten Kalkulationen entspricht. Aber reißen solche Zahlen einen gelernten Österreicher wirklich vom Hocker? Da waren doch noch andere Großbauprojekte, die teuer waren und endlos lange dauerten ...

Der Bau des Wiener AKH zog sich über fast vier Jahrzehnte, bis 1994 endlich der vollständige Betrieb aufgenommen wurde. Die projektierten Baukosten von einer Milliarde Schilling wurden letztendlich rund 45 Milliarden. Ganz genau weiß das freilich niemand. Mit dieser Relation sicherte sich das AKH wohl den Spitzenplatz in der ewigen »Bestenliste« der teuersten heimischen Projekte. Auch der Lainzer Tunnel hat das Zeug zum Klassiker. Eigentlich sollte die Bahnröhre schon seit einem halben Jahrzehnt in Betrieb sein, jetzt wird 2012 als heißes Datum gehandelt. Auch die Baukosten sind explodiert wie eine Supernova und dürften sich irgendwo zwischen 1,1 und 1,2 Milliarden Euro einpendeln. Kostenverdoppelung ist also kein Privileg des Skylink-Managements. Jährlich werden in Österreich abertausende Bauprojekte pünktlich und im Kostenrahmen finalisiert. Das ist ziemlich unspektakulär und findet deshalb kaum Widerhall in den Medien. Einzelne Projekte werden jedoch prominent und schrammen hart an der Grenze des Scheiterns. Aber warum ist das eigentlich so, was läuft da schief?

Die Komplexitätsfalle
Zu offiziellen Statements will sich niemand so recht hinreißen lassen. »Sie werden verstehen, dass wir unseren Namen lieber nicht sehen«, ist zu hören. Aber »off records« gibt es Antworten. Auf einen einfachen Nenner lassen sich die Gründe für das Scheitern nicht reduzieren. »Komplexität«, sagt ein Baumanager wie aus der Pistole geschossen. Speziell für Großprojekte gilt: Der Weg vom Plänen und Genehmigungen bis hin zur Gleichenfeier ist über die Jahrzehnte nicht einfacher geworden. Verästelte Bauordnungen, Umweltverträglichkeitsprüfungen oder die Stärkung von Anrainerrechten sind nicht gerade ein Treibsatz für schnelle Projektabwicklung. Selbst wenn alle Beteiligten diese formalen Hürden bravourös meistern, Großprojekte sind inhärent komplex. Um nicht schon im Ansatz in die Hose zu gehen, braucht es Experten. Und diese wachsen nicht auf den Bäumen. Ein Problem, das etwa die heimischen Bauriesen nicht nur in Österreich haben. Ein Manager plaudert aus der Praxis: »Vor allem im Osten kostet die Suche nach qualifiziertem Personal manchmal beträchtliche Anstrengungen. Wie zaubert man in Rumänien oder der Ukraine genügend Experten aus dem Hut?« Gebraucht werden Architekten, Ziviltechniker, Bauleiter, Baujuristen, Vertragsrechtler oder Berater. Englisch- oder Deutschkenntnisse würden auch nicht schaden, ebenso wie eine Vertrautheit mit internationalen Business-Usancen. Networking-Fähigkeiten wären auch gefragt. Der Umgang mit lokalen Behörden sollte leicht von der Hand gehen, landesspezifische Eigenheiten bestens bekannt sein. Herrscht gerade Bauboom, werden solche eierlegenden Wollmilchsäue selten wie Rohdiamanten. Laut Insidern ist das Expertenproblem auch einer der Gründe, die Skylink an den Rand des Abgrunds geführt haben. Lediglich die Vorzeichen sehen etwas anders aus. Hierzulande gibt es zwar eine vergleichsweise breite Masse an gut ausgebildeten und durchaus fähigen Fachleuten, was teilweise aber fehlt, ist die Expertise für Großprojekte. Hier kommt die relative Kleinheit Österreichs zum Tragen. Echte Großprojekte sind rar, die Gelegenheit, hier Erfahrung zu sammeln ebenso. An der schieren Komplexität von Projekten beißt sich übrigens nicht nur der Bausektor manchmal die Zähne aus. Auch IT- und Telko-Manager wissen davon ein Lied zu singen. Wird ein Problem nur hinreichend komplex, ist das fast schon eine Garantie für exorbitante Kosten- und Zeitüberschreitungen.

»Zampanos« und Kompetenzprobleme
Aus Skylink werden sich vielleicht noch viele Lehren ziehen lassen. Eine scheint schon gewiss: Wenn der politische Drall für politisch motivierte Postenbesetzungen nur groß genug ist, steigen die Chancen für ein Desaster. Zum Amtsantritt wurde der geschasste Flughafen-Vorstand Christian Domany von vielen Medien – warum auch immer – taxfrei zum Projektexperten geadelt. Ein Highlight lieferte der Wirtschaftsverlag. Unübersehbar sei »Domanys Vorliebe zur Veränderung«. Mit dem »begeisterten Spieldrang eines Kindes für Matador« ließ der Manager »mit Ausnahme seines eigenen Zimmers räumlich und organisatorisch kaum einen Stein auf dem anderen«. Die Info – zitiert wurde penibel – stammte von seinen Ex-Mitarbeitern aus der Industriellenvereinigung, die ihrem »scheidenden Zampano« Rosen streuten.

Mit ihren Bauherrn ist die Branche auch nicht immer glücklich. »Bauherrenkompetenz? Wir sind auch immer wieder überrascht, was wir da erleben«, ist eines der Statements, das man freilich nur hört, wenn man Anonymität garantiert. Noch schweigsamer werden Brancheninsider, wenn es um das heikle Thema Korruption geht. »In der EU gibt es weniger Probleme als im Osten«, hört man. Österreich sei überhaupt fast schon eine Insel der Seligen. Italien wiederum ist diesbezüglich freilich ein anderes Kapitel: Alleine im kleinen Casal di Principe, ein Hot-Spot der Camorra, gibt es über 500 registrierte Baufirmen.
In der Provinz Kampanien wurden seit den frühen 90ern über 70 Gemeindeverwaltungen wegen mafiöser Infiltration aufgelöst und unter staatliche Kuratel gestellt. Tu felix Austria, möchte man da sagen. Seit dem monströsen AKH-Skandal ist nichts nur annähernd Vergleichbares vorgefallen. Selbst Werner Rydl, Österreichs bauaffiner und rekordverdächtiger Umsatzsteuer-Defraudant, wurde von einer beharrlichen Justiz erst kürzlich aus Brasilien »heimgeholt«. Dass der Milliarden-Jongleur aus dem »Exil« damit gedroht hatte, die Finanz und mächtige Partner mit einer »Bombe« aufliegen zu lassen, hat dabei anscheinend keine Rolle gespielt. Ansonsten grassiert der »Klau am Bau«: Mehr oder weniger organisierte Mitarbeiter und sonstige Halunken nehmen auf Großbaustellen gerne mit, was nicht niet und nagelfest ist. Der grassierende Sprit-Diebstahl schaffte es in Zeiten der höchsten Benzinpreise als Meldung sogar bis in die Tageszeitungen. Projekte bringt das nicht zu Fall. Abwehrmaßnahmen sind für die Baubranche aber aufwendig, teuer und lästig.

Eine Erkenntnis steuert noch Andreas Manak bei, der als Anwalt für die einflussreichen Hietzinger Anrainer die Verfahren rund um den Lainzer Tunnel über Jahre hinweg bis hin zum Verwaltungsgerichtshof getragen hat und den »Wildscheintunnel« fast zu Fall gebracht hätte: »Alles dauert immer länger, als man glaubt. Das gilt selbst dann, wenn man berücksichtigt, dass alles länger dauert, als man glaubt«. Das ist zeitlos gültig.

 

Geschichte: Historische Bauflops

Gescheiterte oder schwierige Großbauten sind kein Privileg der Moderne. Größenwahn, Planungsfehler, Korruption oder Profitgier: Es gibt nichts, was nicht schon einmal da gewesen wäre.

- Rekordverdächtig ist der Athener »Tempel des Zeus«. Was heute Touristen erfreut, brachte es auf eine Bauzeit von stolzen 650 Jahren. Der Tyrann Peisistratos wollte sich um 530 vor Christus ein Denkmal setzen und scheiterte – ganz modern – an Umplanungen, Baustellenplünderungen und leeren Kassen. Erst Kaiser Hadrian erbarmte sich und stellte den Tempel endgültig fertig.

- Fehlplanung ist auch nicht neu. Die ägyptischen Ptolemäer ließen in der Nähe des heutigen Suez bereits einmal einen 50 Kilometer langen Kanal graben, der den Nil mit dem Roten Meer verbinden sollte. Das Problem: Die Geometer hatten sich verrechnet. Das Meer hätte wegen einer kleinen Höhendifferenz von einem Meter den Nil geflutet und die Böden versalzt. Den Kanal ließ man deshalb elegant versanden.

- Im römischen Fidenae krachte eine neu gebaute Arena bereits bei der Eröffnung in sich zusammen. In den Trümmern starben bis zu 50.000 Menschen. Als Grund nennt der Geschichtsschreiber Tacitus Profitgier. Glücklich wurde Bauherr Atilius – er sparte zwecks Eigennutz an Fundamenten und Baumaterial – nicht: Er wurde vom erbosten Senat des Landes verwiesen.

- Auch der Wiener Stephansdom ist eine »Unvollendete« unter den Bau-Symphonien. Während der Südturm plangemäß fertiggestellt wurde, kapitulierten die Dombauer beim Nordturm rund 110 Jahre nach Baubeginn.

 

Heimische Schläfer und Langläufer

- Oldies but Goldies, sagen die Engländer salopp. Alt aber teuer – so nehmen sich auch manche heimische Großbauprojekte aus. Die Gründe dafür sind vielfältig:

- Der Sonderfall Skylink ist seit Wochen sattsam prominent. Eine zeitlose Mischung von planerischem Unvermögen, fehlender Verantwortung und politischen Willkürakten. Selbst geltendes Recht wird weitgehend unwidersprochen negiert: Dass etwa ein Vorstand medial die »Schuld« elegant auf einen anderen abwälzt, ist im Aktienrecht so nicht vorgesehen. Dass der Vorstand ein Kollegialorgan ist, muss sich bei Polit-Managern scheinbar erst herumsprechen. Dass politisch motivierte Postenbesetzungen zu einem Kursmassaker an der Börse führen können, dürfte auch nur private Kleinaktionäre interessieren. Immerhin darf der Rechnungshof das Desaster nach langen Querelen jetzt amtlich prüfen.

- Ein »Goldie« ist auch der »Wildschweintunnel«, wie die Bahnverbindung Lainzer Tunnel im Volksmund genannt wird. Mit dem Abschluss der Vortriebsarbeiten am Mai konnten die ÖBB immerhin einen Meilenstein vermelden. Die Inbetriebnahme soll jetzt 2012 erfolgen, geplant war ursprünglich 2004. Auch die Baukosten sind explodiert wie eine Supernova. Gegner hat man keine ausgelassen: Minister, Experten, Prüfer oder einflussreiche Anrainer. Die Hietzinger Haute volee hätte den Tunnel beinahe vor dem Verfassungsgericht gekippt. Die Steilvorlage für den jahrelangen Zug durch die Instanzen: Formfehler und Verfahrensmängel bei den Bauverfahren.

 

Hausaufgabe Kommunikation

Egal ob Flugfeld, Tunnelröhre, Stromleitung oder Kraftwerksbau – Großprojekte tangieren die Stimmungslage breiter Bevölkerungsschichten und noch unmittelbarer die Interessen von Anrainern. Leichter ist es für Bauherrn nicht geworden. Über Jahrzehnte hinweg wurden etwa Umweltverträglichkeitsprüfungen, Genehmigungsverfahren oder Parteienstellung der Anrainer ausgebaut. Wer in diesem Umfeld ein Projekt nicht vom Start weg professionell kommuniziert, hat schon verloren. Mit plumper Erfolgsstory-PR kommt man nicht weit. Gefragt ist eine umfassende Kommunikation mit Politik, Verbänden, Medien, Umwelt-Lobbys oder Anrainern. Wird auch nur eine der beteiligten Gruppen »vergessen« oder ausgegrenzt, hat man eines sicher: schlechte Presse über Jahre hinweg. Vom »Zwang« zur Kommunikation profitiert die in Österreich noch junge und kleine Branche der professionellen Mediatoren. Diese kommen zunehmend zum Einsatz, um einen tragfähigen Interessenausgleich zu schaffen oder Anrainerfrust bereits im Vorfeld zu minimieren. Als geglücktes Beispiel für Mediation gilt etwa die Erweiterung des Flughafens Schwechat.

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