Das neue Ökostromgesetz lässt die Erzeuger von grünem Strom hoffen. Die Industrie ist aufgrund des fehlenden Kostendeckels unzufrieden. Doch in einem Jahr kommt schon die nächste Novelle.
Lange herbeigesehnt, heftig umstritten: Am 23. September hat der österreichische Nationalrat die Novelle des Ökostromgesetzes beschlossen. Mit dieser Novelle, die unter anderem höhere Einspeisetarife für Strom aus den erneuerbaren Energiequellen Wind, Biomasse, Photovoltaik, Geothermie und Kleinwasserkraft vorsieht, wird, so hoffen die Vertreter der »Neuen Erneuerbaren«, endlich der Weg frei für die Realisierung von geplanten oder schon genehmigten Kraftwerksprojekten. Damit besteht nicht nur die Hoffnung, Österreich könnte zumindest in die Nähe der angepeilten 34 % Anteil erneuerbarer Energie am Energieaufkommen gelangen, sondern auch die Chance, die »Green Jobs« zu schaffen und in den nächsten Jahren Investitionen in Milliardenhöhe auszulösen.
Tarife unklar, Laufzeit länger
Den von Ökoverbänden erhofften Startschuss für den Ökostromausbau - Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbands, spricht von möglichen Investitionen von vier Milliarden Euro bis 2015 – bedeutet das neue Gesetz aber noch nicht sofort. Denn erst muss das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit Umwelt- und Verbraucherschutzminister die neuen Tarife verordnen, die die Erzeuger von Ökostrom erhalten sollen. Die alten Tarife laut Ökostromgesetz 2006 liegen etwa für die Windkraft bei 7,54 Cent pro Kilowattstunde, um 0,3 Cent weniger als zwischen 2003 und 2006 – ein Grund, warum der Ausbau der Windkraft in den letzten beiden Jahren praktisch zum Erliegen gekommen ist. Denn die Produktion von Strom aus Windkraft kostet bis zu 9 Cent. Die Interessensvertretung IG Windkraft fordert deshalb 9,8 Cent Förderung, um den geplanten Ausbau von 700 MW installierter Windkraft bis 2015 unter wirtschaftlichen Rahmenbedingungen realisieren zu können.
Mit der Novelle neu festgelegt wurde auch die Laufzeit, über die die neuen Einspeisetarife garantiert bezahlt werden. Nach der letzten Gesetzesnovelle waren es zehn Jahre, jetzt werden es 13 Jahre sein, womit die Finanzierungskosten für Projekte um einiges reduziert werden können. Zum Vergleich: In Deutschland wird Windstrom mit 9,7 Cent pro kWh gefördert – und das auf 20 Jahre.
Kein Schub für Biomasse
Werden die Tarife demnächst festgelegt, könnten bereits nächstes Jahr 100 MW installiert werden, was einem Investitionsvolumen von 170 Millionen Euro und der Schaffung von 750 Arbeitsplätzen entspricht, wie Stefan Hantsch, Geschäftsführer der IG Wind, vorrechnet. Von diesen neuen Tarifen werde es auch abhängen, ob das Ökostromgesetz die zuletzt ausgebliebenen Neuinvestitionen initiieren könne, zeigt sich Heinz Kopetz vom Österreichischen Biomasseverband skeptisch. Für Betreiber von Biomassekraftwerken sei auch eine Verordnung zu den Rohstoffaufschlägen für Investitionsentscheidungen dringend notwendig. Einen Investitionsschub bei Anlagen für feste oder flüssige Biomasse sieht Kopetz momentan nicht, da auf Jahre fixierte Einspeisetarife größere Steigerungen bei Rohstoffpreisen nicht abdecken könnten, so Kopetz: »Ein rascher Ausbau der Stromerzeugung aus Biomasse ist nur zu erwarten, wenn es zu einer gänzlichen Neufassung des Gesetzes kommt«, meint der Interessensvertreter, würdigt aber mit der Novelle immerhin einen ersten Schritt zur Neuorientierung der Stromerzeugung.
Fixer Anteil für Sonnenstrom
Ebenfalls beschlossen wurde mit der Novelle die weitere Förderung für Strom aus Photovoltaik (PV). Und zwar mit einem Fixanteil am Fördervolumen von 10 %, was einen Fördertopf von 2,1 Millionen Euro bedeutet. Damit ist die Photovoltaik besser als andere Ökostrombranchen – Wasser, Wind, Biomasse – weggekommen, die sich den Rest des Fördertopfes untereinander ausmachen müssen. Gefördert nach dem Ökostromgesetz werden allerdings nur mehr PV-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 5 kW peak. Kleinere Anlagen, die im privaten Hausbau zum Tragen kommen, erhalten keine Tarifförderung, sondern eine Investitionsförderung, die über den Klima- und Energiefonds abgewickelt wird. Dieser Topf ist nun mit 35 Millionen Euro gefüllt.
Die Diskussion, ob Photovoltaik als Energiequelle sinnvoll ist, wird trotz des höheren Budgets für die Errichtung von Photovoltaik-Neuanlagen so schnell nicht abreißen. Denn mit einem Preis zwischen 30 und 45 Cent pro Kilowattstunde für die Produktion von PV-Strom liegt diese Technologie weit über allen anderen erneuerbaren Energieformen. Während Strom aus Windkraft bis zu 9 Cent kostet, liegen die Produktionskosten bei Strom, der aus einer durchschnittlichen Biogasanlage mit 300 kW gewonnen wird, bei 17 bis 18 Cent pro kWh. Der Bundesverband Photovoltaik rechnet anders: So würde Strom aus Photovoltaik als Spitzenstrom zu Mittag anfallen, zu einem Zeitpunkt, wenn Normalstrom an der Börse bis zu zwei Euro kosten könne, so die Argumentation.
Plädoyer für Wasserkraft
Erfreut über die beschlossene Gesetzesnovelle zeigen sich aber nicht nur die Interessensvertretungen der »Neuen Erneuerbaren«, sondern auch der Verband der Elektrizitätsunternehmen Österreichs (VEÖ). Die E-Wirtschaft mahnt gleichzeitig eine Verteilung der Fördermittel nach dem Kosten-Nutzenprinzip ein. »Es muss darauf geachtet werden, dass mit dem Geld der Stromkunden der größtmögliche Ertrag an Ökostrom erzielt wird«, meint Barbara Schmidt, die Geschäftsführerin des VEÖ. Gemeint sind damit die Energieträger Windkraft und Biomasse. Laut einer von den Technischen Universitäten Graz und Hamburg vorgelegten Studie könnte die aus Windkraft erzielte elektrische Leistung bis zum Jahr 2020 von derzeit 1,9 Terawattstunden (TWh) auf 6,2 TWh ausgebaut werden. Bei der Biomasse, die derzeit 2,1 Milliarden kWh (2,1 TWh) Strom liefert, könnten es in elf Jahren 5 TWh sein. Für Strom aus Photovoltaik und Geothermie sieht der Studienautor Martin Kaltschmitt hingegen mit je 100 Millionen kWh nur minimales Steigerungspotenzial.
Die Wasserkraft könnte hingegen laut Studie bis 2020 um 7 TWh ausgebaut werden – eine Zahl, die auch im Masterplan Wasserkraft angepeilt wird. Das würde einem Anteil von 50 Prozent des möglichen Zuwachses an elektrischer Energie entsprechen. Schmidts Aufruf ist daher auch ein Plädoyer für den Ausbau der Wasserkraft. Österreich habe bereits den höchsten Anteil an Ökostrom, meint die VEÖ-Geschäftsführerin. Wenn man die Wasserkraft dazurechnet, stimmt das: Dann stammen von 70 Milliarden Kilowattstunden elektrischer Energie tatsächlich knapp 47 Milliarden oder 67 % aus »nachhaltigen Quellen«. Davon wiederum kommen 87 % aus der Wasserkraft. Und die erhält, mit Ausnahme der Kleinwasserkraft, keine Ökostromförderungen und ist damit vom Ökostromgesetz nicht betroffen.
Betroffen ist hingegen die Kleinwasserkraft. Wegen der unsicheren Rahmenbedingungen, die seit der Beschlussfassung im Parlament im Sommer 2008 geherrscht haben, sind laut Kleinwasserkraft Österreich in diesem Bereich Investitionen in der Höhe von 100 Millionen Euro in der Luft gehangen. Die werden mit dem in der aktuellen Form beschlossenen Gesetz frei, hofft Christoph Wagner, Präsident der der Interessensvertretung. 95 % der Investitionen würden der heimischen Wirtschaft zugute kommen, meint Martina Prechtl, Geschäftsführerin der Kleinwasserkraft Österreich.
Nicht ganz so erfreulich ist für Wagner die Streichung der fixen Einspeisetarife für Anlagen, die vor 2003 errichtet wurden. Diese könnten ihren Strom nur mehr zu den derzeit niedrigen Marktpreisen abgeben, so Wagner. Und das bringe den Betreibern wirtschaftliche Einbußen, bedauert der Interessensvertreter.
Der Deckel fliegt
Nicht im nun beschlossenen Gesetz enthalten ist die umstrittene Deckelung der Abnahmepflicht von Ökostrom für energieintensive Betriebe. Die laut Gesetzesentwurf 2008 beschlossene Befreiung der Industrie von der Verpflichtung, den teureren Ökostrom abzunehmen, hatte die EU-Kommission wegen behaupteter Wettbewerbsverzerrung abgelehnt. Und da sich die Regierung seither standhaft geweigert hatte, diesen Industriedeckel vom – von der EU nicht beeinspruchten – Rest der Novelle zu trennen, war einjähriger Stillstand die Folge. Im jetzt beschlossenen Gesetz gibt es als Ersatz eine Ausnahme von der Abnahmeverpflichtung für Unternehmen, die im Zeitraum zwischen 2008 und 2010 nicht mehr als 500.000 Euro Rückvergütung für die erhöhten Ökostromtarife erhalten: Diese können ihre Aufwendungen für den Bezug von Ökostrom auf 0,5 %
ihres Netto-Produktionswertes beschränken.
Dass mit dieser »de minimis-Regelung« die großen Industriebetriebe von der Regelung nicht erfasst sind, macht Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung nicht so recht froh. »Diese Regelung hilft den meisten energieintensiven Unternehmen kaum und muss ehestens durch eine EU-konforme Deckelungsregelung ersetzt werden«, fordert Wolfgang Welser, Industriespartenobmann in der Wirtschaftskammer. Für die Industriellenvereinigung ist diese Regelung »maximal ein Tropfen auf den heißen Stein«, der für die im internationalen Wettbewerb stehenden Unternehmen keine Lösung sei, meint IV-Generalsekretär Markus Beyrer. Aber praktischerweise hat das Parlament einen von beiden Regierungsparteien eingebrachten Entschließungsantrag angenommen, der festlegt, dass bis September 2010 ein Entwurf für eine neuerliche Ökostromgesetznovelle vorliegen muss.
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Auf einen Blick
Das neue Ökostromgesetz sieht in den wesentlichen Punkten vor:
>Höhere Einspeisetarife für Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Die Tarife müssen noch vom Wirtschaftsminister bestimmt und erlassen werden.
>Die Laufzeit für garantierte Tarife wird von zehn auf 13 Jahre verlängert.
>Die jährlichen Zusatzfördermittel für Ökostrom werden von 17 auf 21 Millionen Euro erhöht.
>Die Investitionsfördermittel für private Photovoltaik (bis 5 kW peak) werden auf 35 Millionen erhöht, die aus dem Klima- und Energiefonds kommen sollen.
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Dämpfer für solare Häuslbauer
Rechtzeitig zur Novelle des Ökostromgesetzes hat die Marktforschungsagentur Kreutzer Fischer & Partner eine Studie veröffentlicht, die die Freude über den endlich gefassten Parlamentsbeschluss gleich wieder dämpft: Auch mit dem neuen Ökostromgesetz werde Österreich kaum auf die Überholspur schwenken, prophezeit das Institut. Denn abgesehen von der Aufstockung der Investitionsförderung bleibe strukturell alles beim Alten. Warum? Erstens weil heuer voraussichtlich 1.800 Photovoltaikanlagen im privaten Bereich installiert werden, es aber mehr als doppelt so viel sein könnten, die Fördertöpfe aber für heuer bereits ausgeschöpft seien, so die Marktforscher. Zweitens, weil der Bund zwar auf zwölf Jahre höhere Einspeisetarife für Photovoltaik-Strom garantiere, aber nur, wenn die Bundesländer die notwendige Kofinanzierung beisteuern – und dafür gebe es keine gesetzliche Verpflichtung. Ist im Landesbudget nicht genug Geld vorhanden, dann könnten die Länder ihre Verpflichtung aufheben. Auch bei den Investitionsförderungen für PV-Anlagen gebe es bundesländerweise unterschiedliche Prioritäten. Die meisten Länder würden lieber thermische Solaranlagen zur Warmwasserbereitung fördern als PV-Anlagen zur Stromerzeugung, meint die Agentur.