Fossile Prozesse werden substituiert, der Strombedarf steigt. Dabei gewinnt die regionale Stromproduktion an Bedeutung, damit auch Energiegemeinschaften und Energieplattformen.
Alle Studien belegen: Elektrischer Strom aus erneuerbaren Quellen wird in Zukunft die intelligente, meistgenutzte Energieform sein. Ob in der Industrie, beim Verkehr oder bei der Wärmeerzeugung – alle Bereiche setzen verstärkt auf Strom. Insgesamt ist durch Corona der Stromverbrauch in Österreich zwar rückläufig, ebenso auch der Strompreis. »Der Umsatz mit Strom könnte temporär um zehn bis fast 20 % sinken, also um 300 bis knapp 600 Millionen Euro«, meint Karina Knaus, Leiterin des Centers Volkswirtschaft, Konsumenten und Preise in der Österreichischen Energieagentur. Bis 2030 rechnen Experten allerdings mit einem Plus beim Strombedarf von 16 TWh (von derzeit 72 auf 88 TWh), getrieben vor allem durch den Stromverbrauch im produzierenden Bereich.
Robert Slovacek, Geschäftsführer von Verbund Energy4 Business, sieht eine deutliche Erhöhung vor allem in den Bereichen Wärme und Kälte (»Energie Effizienz Radar«, Seite 38). E-Mobilität ist für Slovacek im Bereich des Individualverkehrs ein klarer Trend, die Elektrifizierung des Schwerverkehrs aber noch nicht umsetzbar. Ein Energiethema bildet auch Wasserstoff als technisches Gas, zum Beispiel für den Hochofenprozess.
Bild oben: »Ein übergeordnetes Energiesystem zu optimieren bedeutet u.a. Sektorkopplung, Integration vieler einzelner Teilsysteme, Energiegemeinschaften und betriebsübergreifendes Lastmanagement«, informiert Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds.
Zusammenschluss
»Wir haben in Österreich eine sehr gute Versorgungssituation«, beurteilt Roland Kuras, Geschäftsführer von PowerSolution Energieberatung, die heimische Elektrizitätsversorgung, die im europäischen Ranking im Topfeld liegt. Dabei treten nicht nur Großversorger wie Verbund oder Energie AG auf, sondern zunehmend Energiegemeinschaften und Energieplattformen wie etwa eFriends. »Ich bin überzeugt davon, dass diese Dienstleistung an Bedeutung gewinnt, auch für den Mittelstand«, ist Robert Slovacek überzeugt.
eFriends ist eine Energiegemeinschaft aus dem Weinviertel, die auf Photovoltaik, Kleinwasserkraft und Biogas setzt. Laufende Projekte, an denen sich Bürger aus ganz Österreich beteiligen können, sind etwa bei Weingut Kornherr, BioApfelHof Stögermayr oder Miller’s Bier. Den Vorteil von Plattformen sieht die Energieeinkaufsgemeinschaft wattline vor allem in der Transparenz.
»Der Verbraucher erhält eine einfache Möglichkeit, seinen Lieferanten zu wählen, seine künftigen Erdgas- und Stromkosten zu optimieren und zum Teil auf den Prüfstand zu stellen«, stellt Armin Krause, Bereichsleiter Operations, fest. Energieplattformen bieten ihre Dienstleistungen nicht nur Privaten, auch das kleine und mittlere Business profitiert. »20 % unserer mittlerweile 500 Kunden sind Unternehmer«, berichtet Matthias Katt, der eFriends gegründet hat. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Rollenverteilung: Zwei Drittel konsumieren Energie, ein Drittel produziert und konsumiert. In Betrieb ging eFriends vor etwa einem Jahr, der weitere Ausbau soll über die Crowdinvestment-Plattform Conda finanziert werden.
Für Betriebe ist der Input in Energiegemeinschaften wirtschaftlich, da sie für die kW/h mehr erhalten als von der OeMAG. Die Eigentümerrolle der Energiegemeinschaften liegt nicht bei Großlieferanten von Energie wie dem Verbund, sondern bei Non-Profit-Gemeinschaften, da laut Vorgabe kein gewinnerzielender Betrieb eingesetzt werden darf. Roland Kuras von PowerSolution Energieberatung spricht zum Thema Energiegemeinschaften das Forschungsprojekt cFlex an, das mit der TU Wien betrieben wird. Dazu die TU Wien: »Ziel des cFlex-Projekts ist es, ungenutzte Flexibilität als Service für zellular organisierte Prosumer-Gemeinschaften als gemeinsames System zu nutzen, um die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energiequellen im Verteilungsnetz zu ermöglichen und die Produktion, Speicherung und den Verbrauch über lange Zeiträume und Regionen hinweg auszugleichen.«
Energiemanagement
Bild oben: Für Kunden im Gewerbebereich und auch für Haushalte gibt es Produkte, die sich an den schwankenden Börsenpreisen orientieren, aber ebenso die Möglichkeit zur Absicherung mit Fixpreisangeboten. Ob eine kurz- oder langfristige Bindung attraktiv ist und wie sehr man sich preislich absichern möchte, hängt laut Karina Knaus, Österreichische Energieagentur, von der eigenen Einschätzung der zukünftigen Preisentwicklung und der Risikobereitschaft ab.
Effizienz ist eine der großen Ressourcen von morgen. Durch ausgefeilte Analysesysteme von Verbrauchsstrukturen und eine umfangreiche Palette an Messsystemen kann Energieverbrauch von Unternehmen im Detail durchleuchtet und Schwachstellen aufgezeigt werden. Im Normalfall kann mit Energiemanagementsystemen der Energieverbrauch bei nur geringen Investitionen um fünf bis zehn Prozent gesenkt werden. »Vielfach haben Betriebe trotz Schließung einen vergleichsweise hohen Energieverbrauch. Anlagen laufen im Zustand, als wäre Handelsbetrieb, zum Beispiel Lüftungsanlagen«, stellt Kuras dar.
Das treffe vor allem auf mittelgroße Betriebe zu, deren Energieverbrauch nicht in die oberste Priorität fällt. In der energieintensiven Industrie zählt die energetische Optimierung der Prozesse dagegen zum Tagesgeschäft. »Neu ist hier der Ansatz, über die betrieblichen Grenzen hinaus zu denken und ein übergeordnetes Energiesystem zu optimieren, Stichworte Sektorkopplung, integrierte Energiesysteme, Energiegemeinschaften und betriebsübergreifendes Lastmanagement«, informiert Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds. Je nachdem, wie die Wirtschaft ihre Zukunft einschätzt, sei diese bereit, Investitionen in den Umbau der Produktionskette mit effizienteren Anlagen zu tätigen. »Bei unseren Kunden sehen wir eine wachsende Investitionsbegeisterung«, berichtet Robert Slovacek.
Preis & Vertrag
Der Stromverbrauch in Österreich ist während der Corona-Krise im Bereich von 15 % gesunken. Dadurch haben die Spotmarktpreise besonders stark nachgegeben. Die Entwicklung der Preise an den Strombörsen wird stark von der europa- und weltweiten Wirtschaftsentwicklung und dem Angebot an alternativer Energie wie Wind und PV geprägt sein. Geht man von einer länger anhaltenden schwachen Konjunktur aus, so werden auch 2021 die Preise noch auf einem niedrigen Niveau bleiben.
Bei Großunternehmen ist die dynamische Energiebeschaffung bereits üblich, sie sind aktiv, schauen genau auf die Kostenstrukturen und reagieren sehr schnell. Kleine und mittelgroße Betriebe setzen sich laut power solution noch nicht genug mit der Beschaffungsstrategie auseinander und haben auch teilweise keine Möglichkeit, auf die aktuelle Marktsituation zu reagieren. Kuras spricht das Thema Vertragsstrukturen an.
»Viele mittelgroße Betriebe beziehen ihre Energie mit einer stabilen Preisabsicherung. Es mag den Anschein haben, als wäre es die sicherste Wahl, dem ist aber nicht so«, informiert er und rät zur dynamischen Beschaffung. Die fixe Beschaffungsmenge sollte im Bereich von 50 bis 80 % liegen und immer an die aktuelle Marktsituation angepasst, der Rest über den Spotmarkt bezogen werden.
Michael Baminger, Geschäftsführer Energie AG Vertrieb, ergänzt: »Viele Kunden im Businessbereich von mehr als 100.000 kWh/Jahr reagieren auf die derzeitige Preislage im Forwardmarkt und nutzen attraktive Möglichkeiten für mittelfristige Vertragsabschlüsse.« Der liquide Marktplatz in Form von Börse und Brokern stehe prinzipiell nur Energieversorgern einer gewissen Größenordnung zur Verfügung. Ein echter, teils spekulativer Stromhandel sei für Endkunden in den meisten Fällen schon aus regulatorischen Gründen ausgeschlossen. »Viele Lieferanten bieten auch mittelständischen Kunden Produkte an, deren Preisbildung sich unmittelbar an der Entwicklung von Großhandelspreisen orientiert«, nennt er ein Beispiel für Dynamik für KMU.