Europa braucht dringend eine Strategie, die zu einer ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft führt. Die Lösung lautet Kreislaufwirtschaft, die sich den Stoffkreislauf der Natur zum Vorbild nimmt und darauf abzielt, Stoffe und Energie möglichst lange zu verwenden.
Kreislaufwirtschaft – vielfach wird darunter nur Recycling verstanden. Das ist jedoch zu kurz gegriffen. Refuse, reduce, reuse, repair, remanufacture ergänzen recycle. »In einer Kreislaufwirtschaft geht es v.a. darum, Produkte und Produktbestandteile so lange wie möglich wiederzuverwenden und ihren Wert zu erhalten. Recycling, womit oft ein Wertverlust sowie Energie-, Wasser- und Chemikalienverbrauch verbunden sind, sollte in einer Kreislaufwirtschaft eigentlich vermieden werden«, betont Julika Dittrich, Leiterin und Gründerin der Plattform Kreislaufwirtschaft Österreich, Circular Futures.
Das große Anliegen ist Wiederverwendung. Wesentlich ist laut Berthold Schleich, Geschäftsführer der ARGE Abfallvermeidung, Ressourcenschonung und nachhaltige Entwicklung, auch rethink, also Umdenken. Solange fossile Energieträger verheizt werden, wird sich die Situation aber nicht verbessern. »Durch das Verbrennen verschwinden Kohle und Erdöl aus dem Kreislauf«, erklärt Christoph Scharff, Vorstand der Altstoff Recycling Austria, ARA. »Wir sind zudem eine wachsende Volkswirtschaft.
Bild: Vorsortieranlagen sollen künftig das Abfallvolumen für die Müllverbrennung reduzieren und das Recycling weiter steigern. »Das optimiert, wofür MVA am besten geeignet sind: Zerstörung und Ausschleusung von Schadstoffen und Reduktion des Abfallvolumens bei gleichzeitiger energetischer Nutzung«, betont Christoph Scharff, Vorstand der ARA.
Die Güter befinden sich in Nutzung und stehen dem Kreislauf noch nicht zur Verfügung.« Das anthropogene Lager wachse pro Kopf um etwa zehn Tonnen jedes Jahr und ist damit doppelt so groß wie das Abfallaufkommen. Über 60 Prozent des ökologischen Fußabdrucks werden außerdem importiert. »Das drückt auf die Bilanz, auch wenn wir im Recycling in Österreich sehr gut sind«, betont Scharff.
Ja zum Kreislauf
Ziel muss sein, die Linearwirtschaft, die seit der industriellen Revolution vorherrscht, aufzugeben und die Kreislaufwirtschaft in den Vordergrund zu stellen. Dass dies bislang nicht der Fall ist, hat laut Matthias Neitsch, Geschäftsführer von RepaNet, vor allem gesamtwirtschaftliche Ursachen. Jeder Europäer verbraucht im Durchschnitt 14 Tonnen Rohstoffe und produziert fünf Tonnen Abfall jährlich. Der ökonomische Wachstumszwang ist stark gekoppelt mit materieller Prosperität, der Zunahme von Materialströmen und dem Anstieg von Ressourcenabbau und Abfällen.
Bild: »Die einzelnen Industrien und Branchen müssen nach ihren Hebeln für Kreislaufwirtschaft betrachtet werden. Das kann sich an Materialien orientieren, aber ebenso an Wertschöpfungsketten«, betont Julika Dittrich.
»Wenn der gesamte Rohstoffverbrauch pro Kopf wächst, kann ich über Recycling allein die Belastung nicht abfangen«, betont Neitsch. Die Grundsysteme müssen sich ändern, Wirtschafts- und Stoffflusswachstum entkoppelt werden. Das sei bisher substantiell längerfristig nicht gelungen, wenn überhaupt, dann nur punktuell und lokal über einen kurzen Zeitraum.
Re-Aspekte
Entscheidend für effiziente Kreislaufwirtschaft ist die Produktpolitik. »Die Lebensdauer von Produkten verkürzt sich immer mehr, durch neue Technologien werden sie immer rascher abgelöst und die Produktion selbst wird immer günstiger«, zeigt Dittrich auf, die auch als stellvertretende Leiterin des EU-Umweltbüros fungiert. Wie können Anreize für eine längere Nutzung von Produkten gesetzt, Reparaturdienstleistungen gefördert und die Produktgestaltung optimiert werden?
Die EU arbeitet dazu u.a. an einer Ausweitung der Ökodesign-Kriterien im Rahmen der der Ökodesign-Richtlinie. Für nachhaltige Nutzung steht auch Re-Use. Alte, aber noch brauchbare Gegenstände werden weitergegeben und weiterverwendet, z.B. Büroeinrichtung, Bauteile und Hausrat. Die Förderung des Prinzips »Reparieren statt wegwerfen« durch steuerliche Anreizmaßnahmen zur gleichzeitigen Stärkung von Gewerbe und Handwerk ist Teil des Regierungsübereinkommens zwischen ÖVP und Grünen.
Bild: »Das RepaNet-Netzwerk hat 2018 12.600 t Güter einer erneuten Gebrauchsphase zugeführt und damit 5 Mio. Euro Abfallentsorgungskosten sowie die CO2-Emissionen einer Kleinstadt mit 8.500 Einwohnern eingespart«, berichtet Matthias Neitsch.
Dieser Anreiz für mehr Kreislaufwirtschaft wird von der Abfall- und Recyclingbranche positiv bewertet. »Bisher hat seitens der Politik die Unterstützung gefehlt, Kreislaufwirtschaft als Konzept zu sehen und nicht nur als Einzelmaßnahme«, betont Julika Dittrich. Es braucht ein langfristiges Commitment, wonach Unternehmen unterstützt werden, die in die Abkehr vom linearen Modell investieren. Damit sind Aufwand und Unsicherheit verbunden. Für Berthold Schleich ist es zudem nicht mehr zeitgemäß, dass die Kosten für Abfallentsorgungsleistungen mit zehn Prozent Umsatzsteuer belegt sind, während z.B.
Reparaturdienstleistungen, die zur Langlebigkeit eines Produktes beitragen, mit 20 Prozent besteuert werden. »Wir fordern die Senkung des Steuersatzes für Re-Use-Produkte auf null und für Reparaturdienstleistungen zumindest auf zehn Prozent, wie dies für einige Warengruppen aufgrund einer europäischen Richtlinie auch in Österreich bereits eingeführt werden könnte.«n
Veranstaltungshinweis: Österreichische Re-Use-Konferenz, 30. Jänner 2020, Graz
Batterien-Recycling
In Österreich werden pro Jahr rund 2.500 t Batterien gesammelt, 40 Prozent davon über das System der Elektro Recycling Austria, ERA. Im Regierungsübereinkommen von ÖVP und Grünen wird ein Pfandsystem für Batterien und Elektrokleingeräte überlegt – ein Schritt zu mehr Kreislauf. Saubermacher betreibt eine Recyclinganlage für Lithium-Ionen-Batterien.
Nach der Demontage mit Gewinnung von Kunststoffen, Aluminium und elektronischen Bauteilen werden die Teile thermisch behandelt, Edelstahl und Kupfer gewonnen. Es folgen pyro- und hydrometallurgische Prozesse, die die Stoffe in den Rohstoffkreislauf zurückführen. Lithium wird derzeit nicht rückgewonnen. Alternativen zum Li-Ionen-Akku werden u.a. vom AIT und IBM erforscht, z.B. Magnesium-Ionen, Aluminium-Ionen und Metall-Luft-Systeme. (Bericht Energie Report 02/2020)
Blick in Richtung Recyclingalltag der ARA
Papierverpackungen werden zur Gänze recycelt und wieder als Rohstoff verwendet. Die getrennt gesammelten Metallverpackungen kommen in Sortieranlagen oder Schredderbetriebe, werden zu Paketen verpresst oder zu Schredderschrott verdichtet und stehen als Rohstoff bei der Stahlerzeugung wieder zur Verfügung. Glas gelangt nach der Sortierung, händisch bzw. durch Magnetabscheider und Siebe, in den Schmelzofen, wo es gemeinsam mit den Glasrohstoffen Quarzsand, Kalk, Dolomit und Soda bei 1.580 Grad Celsius geschmolzen wird.
Bei Grünglas beträgt der Altglas-Anteil fast 100 Prozent, bei Weißglas bis zu 60. Die gesammelten Kunststoffverpackungen werden überwiegend nach Kunststoffarten getrennt und sortenrein zur stofflichen Verwertung übergeben. Zerkleinert, gewaschen, getrocknet, geschmolzen und zu Granulat verarbeitet bilden sie die Basis für neue Verpackungen.