Eine Untersuchung von Trovarit, dem Fraunhofer Institut Produktionstechnik und Automatisierung und dem deutschen Branchenverband VDI, schlüsselt den Markt für „Manufacturing Execution Systems“ auf und gibt Tipps für die Software-Auswahl. Plus: O-Ton von Industrie Informatik
Die Produktion effizient zu steuern und zu überwachen ist eine große Herausforderung für Fertigungsunternehmen: Es gilt, Kundenaufträge zu koordinieren, einen komplexen Maschinenpark im Blick zu behalten und ein Auge auf die Qualität zu haben. Gleichermaßen müssen branchen- oder kundenbezogene Rückverfolgbarkeit von unterschiedlichen Fertigungsparametern gewährleistet werden. Unter dem Begriff MES („Manufacturing Execution Systems“, geläufig auch als redundantes Akronym „MES-System“) haben sich Softwarelösungen etabliert, die Unternehmen bei dieser Herausforderung unterstützen. Für AnwenderInnen stellt sich der Markt für MES-Software jedoch unübersichtlich dar. Die angebotenen Lösungen unterscheiden sich sowohl in ihrem Funktionsumfang wie auch in ihrem Lösungsansatz.
Bei der Hannover Messe im April wurde von dem Business-Software-Experten Trovarit gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut Produktionstechnik und Automatisierung und dem VDI ein Marktspiegel zum Thema MES und Fertigungssteuerung vorgestellt. In einem Whitepaper dazu werden über 100 MES-Lösungen verglichen und die Herausforderungen bei der MES-Auswahl diskutiert (http://www.mes-matchmaker.com/mes-marktuebersicht.html).
Michael Schober ist Leiter des Trovarit-Büros in Wien und berät Unternehmen bei der Auswahl der passenden Business Software. „Es ist wie in der Musik: Der Unternehmenserfolg wird durch das harmonische Zusammenspiel der zahlreichen Business-Software-Lösungen bestimmt. MES ist für den industriellen Bereich eine wesentliche Komponente, die als Vermittler zu vielen anderen Systemen zu sehen ist – vom ERP an den Shopfloor mit zahlreichen unterschiedlichen Fertigungseinheiten und zurück, aber auch zu QMS und CAD um nur einige zu nennen“, erläutert Schober. Er sieht MES als wichtige Grundlage für die Re-Industrialisierung Europas. Der Experte empfiehlt bei der Auswahl eines MES-Systems – wie bei jeder Business Software – einen strukturierten Auswahlprozess gegebenenfalls mit externer Beratung, „um das für die eigene Situation Passende zu finden“.
Hintergrund: Was leisten MES-Systeme?
Eine schnelle Produktion bei guter Qualität ist das Ziel jeden Unternehmens. Dazu ist es jedoch notwendig, dass das Unternehmen seine für den Produktionsprozess benötigten Ressourcen optimal auslastet. So kann die Verfügbarkeit von Personal und Betriebsmitteln zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Bewältigung eines eingehenden Auftrages von entscheidender, wettbewerbsfördernder Bedeutung sein. Denn festgelegte Termine können zur Zufriedenheit des Kunden nur eingehalten werden, wenn man zu jedem Zeitpunkt über Produktionsfortschritt, Qualität und Verfügbarkeit von Ressourcen informiert ist. Ein MES-System ist in der Lage, die aktuelle Fabriksituation abzubilden. Das heißt, mithilfe eines solchen Systems ist es etwa auch möglich, schneller auf sich ändernde Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Personal- oder Maschinenausfall zu reagieren. Ein Störfall kann so möglicherweise noch rechtzeitig überbrückt werden und den daraus resultierenden Termindruck minimieren. Damit stellt ein MES-System Informationen bereit, die eine Optimierung von Produktionsabläufen – vom Anlegen des Auftrags bis hin zum fertigen Produkt – ermöglichen.
Doch nicht jedes MES-System ist mit den gleichen Funktionen ausgestattet. Einige Anbieter liefern gerne auch ganzheitliche und umfängliche Produkte, während sich andere auf einzelne Bereiche, wie zum Beispiel die Datenerfassung, oder Branchen konzentrieren. Weiters spielt hier auch die Harmonie zu bestehenden ERP-Systemen eine entscheidende Rolle. Arbeiten die beiden Systeme nicht Hand in Hand, können daraus Konflikte resultieren, die die Wettbewerbsfähigkeit letztlich vermindern, anstatt sie zu steigern.
O-Ton vom heimischen MES-Markt
„Industriebetriebe in Österreich und darüber hinaus in ganz Europa sind im Allgemeinen gefordert, durch Innovationen ihre Alleinstellungsmerkmale auszubauen und eine Steigerung der Effizienz im Produktionsbereich sicherzustellen. Der Schlüssel dafür ist heute die umfassende Digitalisierung und Visualisierung der Fertigungsprozesse. Im Kern geht es darum, dass Unternehmen ihre physischen und oftmals noch manuellen Produktionsabläufe digital visualisieren und dort automatisieren, wo es Sinn macht. Das soll aber nicht heißen, dass ein vormals schlechter Prozess auf einmal besser wird, nur weil man ihn digitalisiert. Nein, er wird unter Umständen lediglich zu einem schlechten, digitalen Prozess. Auch die weitere Vernetzung und standardisierte Kommunikation entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist ein wesentlicher Faktor.
Als MES-Anbieter kann man sich in diesem Zusammenhang nicht nur als Software-Lieferant, sondern vielmehr als Berater und Wegbegleiter positionieren und zum Enabler auf dem Weg in die industrielle, digitale Zukunft werden. Dafür braucht es einerseits ein ganzheitliches Verständnis der Geschäftsmodelle beim Kunden und anderseits – nicht minder wichtig – die umfassende Einbindung des Faktors Mensch im Produktionsprozess. Andernfalls werden jegliche Bemühungen über kurz oder lang scheitern.“
Bernd Steinbrenner, Chief Commercial Officer, Industrie Informatik GmbH