Die fossile Industrie wird schrittweise von einer wendigeren, smarten Energiewirtschaft abgelöst. Nötig sind dazu intelligente Technik und vor allem engagierte UnternehmerInnen.
Der Klima- und Energiestrategie der Bundesregierung zufolge wird in Österreich bis zum Jahr 2030 mindestens so viel Strom aus erneuerbaren Energieträgern erzeugt werden, wie insgesamt im Land verbraucht wird. Das klingt gut, doch müssen nach Schätzungen dafür 30 Milliarden kWh mehr sauberer Strom erzeugt werden als heute. Für Karl Totter, Gründer der Bioenergiebetriebe SEBA Mureck, ist auch das zu wenig. Er erinnert an das Bekenntnis Österreichs, das Pariser Klimaschutzabkommen umsetzen – bis 2040 weitgehend aus fossilen Energien auszusteigen und die CO2-Emissionen gegen Null zu reduzieren. Noch werden jährlich rund 80 Millionen Tonnen ausgestoßen, also müssten die Emissionen sukzessive um vier Millionen Tonnen jährlich zurückgehen. »Schlüsselmaßnahmen wie ein ökosozialer Steuerumbau, aber auch der rasche Ausbau der erneuerbaren Stromkapazitäten fehlen überhaupt«, führt Totter in einer Petition »Für eine neue Klima- und Energiepolitik« an. »Österreich fällt international gegenüber führenden Ländern im Klimaschutz und der Energiewende immer weiter zurück, mit Nachteilen für die heimische Industrie«, heißt es. Die Abhängigkeit in der Energieversorgung werde weiter größer.
Bild: Karl Totter ist Gründer der Bioenergiebetriebe
Der steirische Energieaktivist führt seit 2010 das Pilot- und Forschungsprojekt SEBA Mureck. Er ist mit einer lokalen »Sonnen Energie BürgerInnen Anlage« gemeinsam mit einer engagierten Community selbst aktiv geworden und spricht von der »Stunde der Zivilgesellschaft«. »Nur wenn jetzt viele Menschen, die sich selbst sowie ihren Kindern und Enkeln einen Klimakollaps ersparen wollen, initiativ werden, wird die Regierung eine neue Klima- und Energiepolitik starten«, ruft er auf, die Petition zu unterzeichnen (Link).
Singularität vor der Tür
Das Zeitalter der Erneuerbaren und besonders auch der Solarkraft ist nicht mehr aufzuhalten, davon ist auch Cornelia Daniel überzeugt. Die Geschäftsführerin des PV-Entwicklers Dachgold sieht bereits eine Netzparität erreicht – den Punkt, an dem Strom vom Dach über Photovoltaikanlagen günstiger ist als jener aus dem Netz. Trotzdem sei noch viel Engagement für den weiteren Ausbau in Österreich nötig. Daniel sieht die »solare Singularität« kommen, jenen weiteren Punkt, an dem Solar zweifelsfrei als Standardstromquelle betrachtet und genutzt werden wird. »Mit immer günstiger werdenden Batteriespeichern und gleichzeitig steigenden Strompreisen aus fossilen Energien treibt die Menschheit unausweichlich auf diesen Punkt zu«, ist die Unternehmerin überzeugt. Wann wird dieser Meilenstein erreicht? Vielleicht bereits 2020. »Es könnte viel mehr in unserer Wirtschaft und Gesellschaft passieren, wenn die Regierung endlich auf den fahrenden Zug aufspringen würde. Denn ohne politischen Willen passiert in der Energiewirtschaft zu wenig – vor allem in großen Maßstäben«, sagt auch Daniel.
Bild: Cornelia Daniel, Dachgold: »Ohne politischen Willen passiert in der Energiewirtschaft zu wenig – vor allem in großen Maßstäben.«
Hebelwirkung Stadt
Weltweit wird der wachsende urbane Raum als Schlüsselelement in der Energiewende gesehen. Mitte des Jahrhunderts werden der UNO zufolge 68 % aller Menschen in städtischen Regionen leben. Aktuell sind es 55 %. Die Migrationsströme in die Städte setzen Stadtplaner, Verwaltung und Politik verstärkt unter Druck. Die Hoffnung ist, mit Informations- und Kommunikationstechnologien diese smarten Städte überhaupt möglich zu machen und viele der Herausforderungen so zu meistern.
Siemens erforscht in der Seestadt Aspern in Wien gemeinsam mit Partnern Technologien der Zukunft, insbesondere im Bereich der Effizienzsteigerung im Energienetz und in Gebäuden. Die These: Mit intelligenter Technologie können die vorhandenen Netze effizienter betrieben werden, was eine Reihe von Vorteilen bringt. Die Betreiber müssen weniger in den Netzausbau investieren und auch die Stromkunden profitieren, da die hohe Versorgungssicherheit gewährleistet bleibt. Die effizientere Infrastruktur ermöglicht hohe Lebensqualität bei einem gleichzeitig besonders kleinen ökologischen Fußabdruck. »In der Seestadt arbeiten wir auch daran, die zunehmende Elektromobilität in das Energienetz zu integrieren. Fahrzeuge sollen mit wenig Zeitaufwand jederzeit und überall aufgeladen werden können«, stellt Wolfgang Hesoun, CEO und Generaldirektor Siemens AG, in Aussicht. Doch wenn mehr Strom für das Laden von Autos verbraucht wird, sind im Hintergrund massive Maßnahmen an der Infrastruktur nötig – daher ist ein intelligentes Netzmanagement essentiell. »Für die Menschen wird der Strom aber weiterhin aus der Steckdose kommen. Wir kümmern uns mit unserer im Hintergrund arbeitenden Technologie darum, dass dem wirklich so ist«, so Hesoun.
Kommentar von Wien Energie-Geschäftsführer Michael Strebl "Energie aus dem Quartier"