Die einflussreichste Megaindustrie des Planeten könnte näher am Abgrund stehen, als sie selbst wahrhaben will.
Im Jahr 1997 war der Film- und Kamerakonzern Eastman Kodak ein Gigant mit 30 Milliarden Dollar Jahresumsatz. Sieben Jahre später waren analoge Kameras tot – und 2012 meldete der frühere Riese Konkurs an. Auch der Elektronikgigant Nokia hatte im Jahr 2007 eine Marktkapitalisierung von 150 Milliarden Dollar und die Hälfte des Handymarkts in der Tasche – fünf Jahre später waren es nur mehr fünf Prozent. Die Geschwindigkeit, mit der technologische Fortschritte auch Riesen zu Fall bringen, ist inzwischen schwindelerregend. Big Oil, eine der einflussreichsten Megaindustrien des Planeten, könnte der nächste Kandidat für einen überraschend schnellen Abgang sein.
So argumentiert der Unternehmer, Wissenschafter und Consulter Seth Miller in einem vielbeachteten Artikel auf Medium.com. Auch wenn es in Zeiten von Trump, der die Wunschliste der ihn mit Millionen unterstützenden Petroindustrie Stück für Stück umsetzen will, auf den ersten Blick nicht danach aussehen mag, sind die Tage der Ölindustrie gezählt – und das nicht unbedingt deshalb, weil sich die Menschheit im Angesicht des Klimawandels eines Besseren besönne. Das Killerargument, das Öl schon in kurzer Argument ins Aus katapultieren könnte, ist schlicht und einfach – Geld. Die Milliardensummen, die jetzt noch in Mammutprojekte wie die umstrittene Keystone-Pipeline zwischen Kanada und den USA gesteckt werden, würden sich niemals amortisieren können, weil dank technologischer Fortschritte und sich verändernder Lebensgewohnheiten schlicht kein ausreichender Bedarf mehr für das Produkt Öl als Treibstoff vorhanden sein werde.
Verbrennungsmotor ade
Millers Hauptargument mag radikal anmuten: Der klassische Verbrennungsmotor von Kraftfahrzeugen sei ein Auslaufmodell, und das aus technischen Gründen. Während nämlich ein Verbrennungsmotor aus etwa 2000 verschiedenen Einzelteilen besteht, braucht ein elektrischer Antrieb nur ein Hundertstel dieser Anzahl beweglicher Teile für den Betrieb – nämlich 20. Und während ein Verbrennungsmotor nach durchschnittlich 200.000 Kilometern ans Ende seiner Lebenszeit anlangt, bescheinigt Tesla etwa seinen Akkupacks eine Laufzeit von 800.000 Kilometern – mit Luft nach oben. Es ist diese Lebensdauer und radikal einfachere Wartung, die Elektrofahrzeuge vor allem für kommerzielle Mobilitätsanbieter unwiderstehlich machen wird.
Was hinzukommt, sind zwei weitere Revolutionen: zum einen die rasante Verbreitung einer digital vernetzten Sharing Economy, in der der tatsächliche Besitz etwa eines Autos mehr und mehr in den Hintergrund rückt; zum anderen der vorhersehbare Siegeszug autonom fahrender Vehikel. Selbstfahrende Flotten von Elektrofahrzeugen, die man sich je nach Bedarf genau wie ein Taxi herbeiruft, werden, so Miller, schon sehr bald für sehr viele jetzige Autofahrer die bei weitem günstigste Mobilitätsvariante für den Alltag sein. Und Konsumenten, so viel scheint klar, sind sehr rasch dazu bereit, sich für ein neues, günstigeres Produkt auch von eingefleischten Traditionen zu verabschieden.
Ob Millers Prognosen eintreffen, ist schwer zu sagen – die Realität ist für gewöhnlich komplexer als jede Analyse. Eines jedoch lehrt die Geschichte: Auch Riesen kommen zu Fall, wenn technologische Fortschritte die Welt disruptiv umkrempeln. Und das rasanter, als man es sich vorstellen kann.