Die Zeit drängt. Nach wie vor wartet die kleine Ökostromnovelle auf die Beschlussfassung im Parlament. Vor der Tür steht bereits die Strompreiszonenaufsplittung. Wie steht es um den Ökostromausbau in Österreich?
Die Plenarsitzung im Parlament am 30. März verstrich, ebenso am 27. April – die kleine Ökostromnovelle blieb unangetastet. ÖVP und SPÖ verfügen über keine Zweidrittelmehrheit, sind damit auf Unterstützung angewiesen. Bislang sind die Verhandlungen allerdings gescheitert. Wieso wird keine Mehrheit erreicht? »Momentanes Hindernis einer Einigung ist die Frage, in welchem Ausmaß bestehende Warteschlangen bei Ökostromanlagen abgebaut werden sollen«, berichtet Judith Neyer, Energiereferentin im Grünen Parlamentsklub. Derzeit umfasst die Warteschlange bei der OeMAG 260 Windräder. Ihre Errichtung löst laut IG Windkraft ein Investitionsvolumen von 1,4 Mrd. Euro aus. »Der Abbau würde auch andere wichtige Vorhaben auf den Weg bringen, etwa das benötigte neue KWK-Gesetz«, betont Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie. Auch hinsichtlich Strompreiszonenaufsplittung wäre der Abbau ein dringender Schritt.
»In Deutschland wird nicht länger akzeptiert, dass Österreich den hoch subventionierten Kohle- und Atomstrom billig einkauft, während die deutsche Bevölkerung die Energiewende finanzieren muss«, bemerkt Peter Püspök, Präsident des Dachverbandes Erneuerbare Energie Österreich. Stromimporte – Österreich verzeichnet aktuell 16,5 % – werden künftig begrenzt und teurer.
Bild: Peter Püspök, Erneuerbare Energie Österreich: »Wir dürfen bei der Energieversorgung nicht am Tropf der Kohle- und Atomstromlieferanten aus dem Ausland hängen.«
Neben Windkraftanlagen ist auch bei der Photovoltaik deutliches Wachstum zu erwarten. »Mit einigem guten Willen und einer vernünftigen Novelle des Ökostromgesetzes wäre das Ausbauvolumen mindestens verdoppelbar ohne einen zusätzlichen Cent an Mehrkosten«, weiß Hans Kronberger, Präsident Photovoltaic Austria. »Für die PV sind die Parameter des Ökostromgesetzes von 2012 inzwischen völlig ungeeignet. Als Folge sinkender Anlagenpreise ist der Fördersatz konsequent gesenkt worden, die eigenständige PV-Stromnutzung ist wirtschaftlich effizienter. Doch dieses Faktum wird im Gesetz nicht beachtet, und durch die falsche Kontingentierung im Förderbudget verliert die PV-Branche jährlich rund zwei Millionen Euro Fördergelder.«
Dringend an der Zeit
In den nächsten beiden Monaten soll die Energiestrategie Österreichs festgelegt werden. »Wie will man die gesamte Energiewende schaffen, wenn man nicht einmal 3 % Ökostrom realisieren kann, die die Gesamtkosten nicht erhöhen«, fragt sich Martin Fliegenschnee-Jaksch von IG Windkraft. Die Anlagen sind bereits genehmigt und warten nun auf Umsetzung.
»Es ist ein Trauerspiel«, betont Peter Püspök. Im Regierungsübereinkommen hat die Regierung noch festgelegt, dass die beiden Ökostromnovellen signifikante zusätzliche Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung in Österreich auslösen werden. Der vorliegende Entwurf schafft allerdings kein zusätzliches Ökostromvolumen, der gesamte Ökostromausbau soll weitestgehend eingefroren werden. »Für uns ist es denkunmöglich, einem Gesetzespaket zuzustimmen, das am Ende mehr für den Erhalt fossiler Energie als für den Ausbau von Ökostrom leistet«, begründet Eva Glawischnig, Klubobfrau und Bundessprecherin der Grünen, die Ablehnung durch ihre Partei.
Püspök: »Wir müssen die derzeitige Phase der niedrigen Zinsen für den günstigen Ausbau der Erneuerbaren nutzen.« Denn ein mehrjähriger Ausbaueinbruch hat negative Folgen für den ganzen Wirtschaftszweig. »Heimische Firmen verlagern ihr Engagement zunehmend ins Ausland, weil sie in Österreich keine Perspektive für neue Windkraftprojekte erkennen. Wir erleben das bereits«, berichtet Martin Fliegenschnee-Jaksch. SPÖ und ÖVP würden sich zwar zu 100 % erneuerbarem Strom bekennen und hätten ambitionierte Ziele definiert. Wenn es allerdings um die Realisierung geht, fehle es an Umsetzungskraft. Sie reden vom Dekarbonisieren, beim realen CO2-Einsparen stehen sie aber auf der Bremse.
Bild: Martin Fliegenschnee-Jaksch, IG Windkraft: »Heimische Firmen verlagern ihr Engagement zunehmend ins Ausland, weil sie in Österreich keine Perspektive für neue Windkraftprojekte erkennen. Wir erleben das bereits.«
Fehlender Wille
Wieso sich die Regierung gegen die Novelle stellt, ist nicht nachvollziehbar. Viele sehen im starken Einfluss der Wirtschaftskammer, die eher die fossilen Energieträger unterstützt, den Grund, wobei: »Die Errichtung der 260 Windräder würde auch 5.100 Arbeitsplätze schaffen. Weitere 460 Dauerarbeitsplätze würden über die gesamte Lebensdauer der Windräder durch den Betrieb und das Service geschaffen«, informiert die IG Windkraft. »Die Wirtschaftskammer sollte ihre Mitglieder vor allem der Zulieferindustrie eigentlich unterstützen.«
Die Ausrede, dass die EU-Kommission die zum Warteschlangenabbau notwendigen Mittel beihilfenrechtlich nicht genehmigen würde, sei fadenscheinig – drei unabhängige Gutachten von renommierten und auf Beihilfenrecht spezialisierten Anwaltskanzleien sollen das Gegenteil beweisen. Auch ein Antwortschreiben der EU-Kommission an das Ministerium soll die Möglichkeit eines großen Warteschlangenabbaus aufzeigen.
»Die Politiker haben alles in der Hand, um die Entwicklung der Importabhängigkeit Österreichs von Strom umzukehren. Sowohl der finanzielle als auch der EU-rechtliche Spielraum für eine rasche Umsetzung der Ökostromnovelle sind vorhanden«, betont Püspök. Der fehlende Wille zum Beschluss der kleinen Ökostromnovelle lasse wenig Hoffnung für die große Ökostromnovelle, deren Entwurf im Dezember vorliegen und die parallel zum Nationalratswahlkampf und EU-Vorsitz Österreichs das Parlament passieren soll, obwohl die Branche auch diesen dringend bräuchte.