Montag, Dezember 23, 2024

Clemens Demacsek, Geschäftsführer der Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum, vermisst Anreize zur thermischen Sanierung und räumt mit den Vorurteilen gegenüber dem Dämmstoff Styropor auf.


Report: Die Bundesregierung stellt die bereits angekündigten 100 Millionen Euro für thermische Sanierung offenbar zurück. Was sagen Sie zu diesem Kurswechsel?
Demacsek: Das ist für mich unverständlich. Die thermische Sanierung vereint ja viele Effekte: die Reduktion der Energieabhängigkeit und der CO2-Emissionen und damit die Vermeidung von Strafzahlungen. Und sie sichert Arbeitsplätze, allein im Styropor-Bereich sind 120.000 bis 130.000 Mitarbeiter direkt betroffen. Wir verstehen nicht, dass immer viel darüber geredet wird, aber zu wenig getan wird.

Report: Gibt es andere Wege, die Sanierung anzukurbeln?
Demacsek: Es braucht Anreize. Die sind offensichtlich noch zu gering. Die eine Möglichkeit ist die Förderung – da kommen offenbar die Direktzuschüsse bei den Förderungswerbern besser an als Annuitätenzuschüsse. Auch für die Hausbesitzer fehlt der entscheidende Anreiz, ein Haus zu sanieren. Da müssten steuerliche Anreizsysteme her. Bei den allzu komplizierten Förderrichtlinien kann man sicher Barrieren abbauen. Wichtig ist, dass schnell etwas getan wird.

Report: Wie geht es der Dämmstoffindustrie zurzeit?
Demacsek: Im Augenblick sind wir total im Minus. Im Jänner 2009 gab es im Vergleich zum Vorjahr ein Minus von 17,3 Prozent, im Februar 2009 ein Minus von 34,2 Prozent. Von der im Regierungsprogramm angekündigten Anhebung der Sanierungsrate können wir überhaupt nichts feststellen. Was wir feststellen, ist eine kontinuierliche Steigerung der Dämmstoffdicken seit dem Jahr 2000. Beim Wärmedämmverbundsystem, wo Styropor das wichtigste Produkt für die Fassade ist, stehen wir jetzt bei zwölf Zentimetern.

Report: Bis zu welcher Stärke ist Fassadendämmung sinnvoll und machbar?
Demacsek: Das kann problemlos bis 30 Zentimeter gehen. Wirtschaftlich ist das noch lange. In der Sanierung gibt es aus anderen Gründen Beschränkungen, aus Platzgründen etwa.

 


Report: Im Zusammenhang mit der Ökologisierung im geförderten Wohnbau gibt es Bedenken gegenüber dem Styropor. Welche Argumente gibt es für diesen Dämmstoff?
Demacsek: Man muss einmal vorausschicken, dass eine ökologische Betrachtung, wie sie in Österreich betrieben wird, einseitig ist. Nachhaltigkeit hat drei Säulen: eine ökologische, eine ökonomische und eine soziale. Die kann man nicht einzeln betrachten. Im Augenblick ist die ökologische Betrachtung aus meiner Sicht unausgegoren. Da werden Kennwerte berechnet bis auf die siebente Dezimale. Damit wird eine Genauigkeit vorgetäuscht, auf der anderen Seite werden entscheidende Einflussgrößen weggelassen, zum Beispiel der Transport.

Report: Einer der Kritikpunkte ist das Brandrisiko und die Gasentwicklung.
Demacsek: Wir haben viele Fassadenbrandtests durchgeführt, nicht nur in Österreich. Da ist festgestellt worden, dass es funktioniert. Man muss auch die Relation sehen. In Österreich gibt es 50 Millionen Quadratmeter Wärmedämmverbundsystem-Fassaden. Wie oft hört man, dass etwas passiert? Was die Gase betrifft: Das Styropor ist ein organisches Material auf Erdölbasis, die Gase unterscheiden sich in keiner Weise von denen bei Holzverbrennung. Brandgase sind immer schädlich, Sie ersticken auch, wenn Holz verbrennt.

Report: Die Dichtheit von Styropor soll hohe Raumluftfeuchtigkeit bewirken.
Demacsek: Das zählt zu den Gerüchten, die sich nicht ausrotten lassen. Durch die Wand kann man nicht atmen. Die Feuchtigkeit muss man aus dem Raum rauslüften. Der geringe Anteil, der überbleibt, diffundiert.

Report: Ein weiterer Kritikpunkt ist die Unverrottbarkeit von Styropor. Was macht man mit den Abfällen?
Demacsek: Der Zuschnitt in der Fabrik bleibt im geschlossenen Kreislauf. Die Zuschnitte auf den Baustellen werden eingesammelt und zu hundert Prozent verwertet, das ist ein begehrter Rohstoff. Der geht etwa in gebundene Ausgleichsschüttungen. Die Nachfrage danach ist größer als das Angebot.


Report: Und was passiert mit dem Styropor, wenn man eine Fassade abreißt?
Demacsek: Da gibt es verschiedene Recyclingmöglichkeiten. Eine einfache ist die Verbrennung, etwa in der Zementindustrie.

Report: Man verbrennt damit aber einen fossilen Energieträger, das Erdöl. Ist das nachhaltig?
Demacsek: Wenn ich mit einem Liter Erdöl Styropor produziere, spart das während seiner Lebensdauer als Dämmstoff zweihundert Liter ein. Diesen Liter kann ich dann immer noch verbrennen. Das ist also hocheffizient.

Report: Wie energieintensiv ist die Herstellung von Styropor?
Demacsek: Man braucht rund 23 Liter Erdöl für einen Kubikmeter. Bezogen darauf hat Styropor einen Energiegehalt, der 43,5 Litern Erdöl entspricht.  Es besteht ja zu 98 Prozent aus Luft.

Report: Bei der Produktion ist man dennoch abhängig vom Ölpreis. Schlagen sich die turbulenten Preisentwicklungen auf den Preis für Styropor nieder?
Demacsek: Natürlich gibt es da eine gewisse Korrelation. In diesem Zusammenhang gibt es immer die Befürchtung, dass es zu wenig Dämmstoff geben könnte. Die ist unbegründet. Rohstoff ist genug da, es gibt sogar Überkapazitäten. Das einzige Unternehmen, das Styropor in Österreich herstellt, eröffnet jetzt sogar ein zweites Werk. Wir könnten mit einem Schlag das Doppelte herstellen.

Report: Wie ist denn momentan die Stimmung unter den GPH-Mitgliedern in der Styroporbranche?
Demacsek: Pessimistisch. Man lässt sich gerne positiv überraschen, aber das Jahr hat nicht toll begonnen. Einen Strohhalm sehe ich nicht. Auf positive Signale wie ein Konjunkturpaket warten wir noch.

Report: Die GPH hat mit Peter Schmid seit vergangenem Herbst einen neuen Obmann. Wird es Strategieänderungen geben?
Demacsek: Was ihm wichtig ist, ist, dass die öffentliche Hand Anreize schafft. Das ist für ihn die sinnvollste Maßnahme überhaupt. Die Bundesländer haben schon Signale gesetzt, erhöhte Anforderungen an den Wärmeschutz gibt es. Ich habe aber den Eindruck, dass es den Förderwerbern im privaten Bereich nicht unbedingt sehr leicht gemacht wird. Wenn ich mir die Förderunterlagen anschaue, stelle ich mir vor, dass viele zurückschrecken, bevor sie überhaupt noch eingereicht haben. Es gibt Überlegungen in die Richtung, ob nicht die Fördersysteme vereinfacht und vereinheitlicht werden sollten.

Report: Wie können Ener­gie und CO2 am sinnvollsten eingespart werden?
Demacsek: An erster Stelle muss einmal die Gebäudehülle stehen. Deren Ener­gieeffizienz ist um den Faktor zehn größer als die der erneuerbaren Energien. Die restliche Energie muss man dann durch eine sparsame Haustechnik und erneuerbare Energien abdecken. Es macht nicht viel Sinn, eine neue Heizung zu machen, ohne das Haus zu dämmen. Auch wenn es schneller geht.

Report: Die Heizungsbranche fordert eine Verschrottungsprämie für Heizkessel. Ist das sinnvoll?
Demacsek: Nur in Zusammenhang mit einer Sanierung der Gebäudehülle. Ansonsten ist es abzulehnen, dass die öffentliche Hand dafür zahlt, weil das verkehrt ist. Zuerst die Gebäudehülle, dann die Haustechnik.

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Der Mann - der Verband
-Clemens Demacsek (45) ist seit 2001 Geschäftsführer der GPH Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum. Davor war er vier Jahre lang Referatsleiter am Österreichischen Institut für Bautechnik (OIB) und dort unter anderem für die Harmonisierung baulicher Vorschriften zuständig.

-Die GPH ist die Interessensvertretung und Verbandsorganisation der Styropor-Hersteller und -Rohstofflieferanten in Österreich. Ziel ist die möglichst umfassende und neutrale Information über Eigenschaften, Anwendungsgebiete und Kennzeichnung dieses Dämmstoffs.

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