Die Handelsblatttagung über die Energiewirtschaft Österreich zeigte wieder einen aktuellen Überblick über den Status der Entwicklung bei Strom und Gas.
Eine Beobachtung von Otto Musilek
Die Bundespräsidentenwahl in Österreich ist entschieden. Jetzt kann sich die Politik wieder den vernachlässigten Aufgaben wie der Energieversorgung intensiver widmen. Am 5. und 6. Dezember fand eine hochkarätig besetzte Konferenz über die Energiewirtschaft Österreichs im Rahmen der 20. Handelsblatttagung in Wien statt. Hier wurden die unterschiedlichen Auffassungen, wie die politisch festgelegten Klimaziele zu erreichen sind, sehr deutlich. Einig war man sich, dass wir in eine Zeit der großen Unsicherheit steuern. Energie in jeder Form ist zurzeit im Überfluss vorhanden. Die Preise, insbesondere für Kohle und Strom, sind im Sinkflug. Die Überkapazitäten am Strommarkt dank der großzügigen Förderung der erneuerbaren Energien von bis zu 18 ct/kWh – dem stehen rund 3 Cent/kWh Industriestrompreis gegenüber – hat Auswirkungen auf die Rendite der Produzenten und auf die nachhaltige Versorgungssicherheit. Im nichtgeförderten Bereich finden kaum mehr die notwendigen Investitionen statt.
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bekräftigte in seiner Einleitungsrede die integrierte Energie- und Klimastrategie für Österreich mit den übergeordneten Zielen – Ausstieg aus der fossilen Energie bis 2050, bis 2030 mindestens 40 % CO2-Reduktion, mindestens 27 % Anteil von erneuerbarer Energie und 30 % Steigerung der Energieeffizienz, neben den Forderungen für eine Weichenstellung für die Energiesysteme von morgen. Das ist alles ist im Grunde seit Jahren nicht gerade neu. Konkrete, detaillierte Maßnahmen und Unterstützungen fehlen aber nach wie vor. Florian Ermacora, Referatsleiter in der Generaldirektion für Energie der Europäischen Kommission in Brüssel, betonte, dass die Umsetzung der Klima- und Energieziele die Energiepolitik bis 2030 prägen wird und das Fördersystem angepasst werden muss. Am 30. November wurde das »Winterpaket«, das größte Legislativpaket in der Geschichte im Energiebereich, vorgestellt. Ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings werden die Diskussionen im EU-Rat zweieinhalb Jahre in Anspruch nehmen. Dies ist im Hinblick auf die Dringlichkeit, die geforderte Planungssicherheit und Flexibilität unverständlich. Eine ökologische Steuerreform und die Klärung, wie, wo und für wen Fördermittel zur Verfügung gestellt werden sollen, wären die dringlichsten Punkte, die festgeschrieben werden müssten.
Bemühen um Dekarbonisierung
Bei der OMV ist man überzeugt, dass Europa in den nächsten Jahrzehnten nicht auf Energie aus Kohlenwasserstoffen wird verzichten können, wie Reiner Seele, CEO des größten heimischen Versorgers für Öl und Gas, in einem Ausblick zum Ausdruck brachte. Der Anteil von Öl und Gas wird 2040 in der EU noch immer zirka 51 % am Primärenergieverbrauch betragen. Der Schlüssel zur Versorgungssicherheit vor dem Hintergrund der rückläufigen europäischen Gasproduktion ist Russland. Dafür muss die vorhandene Infrastruktur angepasst und erweitert werden. Laut Seele sind kluge, effiziente, gezielte und vorausschauende Investitionen notwendig, um das Angebotsdefizit in 2025 zu schließen. Derzeit ist aber das Gegenteil der Fall – vor allem die Ausgaben im Upstream-Bereich sinken. Gas kann eine wichtige Rolle in der beabsichtigten Dekarbonisierung spielen und stellt eine sogenannte Brückentechnologie dar. Was immer das heißt – Seele ist überzeugt: Dem Gas gehört die Zukunft.
Anders möchte Österreichs größter Stromproduzent Verbund laut CEO Wolfgang Anzengruber bis 2020 eine CO2-freie Stromerzeugung umsetzen. Seine Forderung: CO2-Zertifikatkosten müssen ein wirksames Preissignal als Investitionsanreiz für erneuerbare Energien setzen. Trotz zahlreicher Herausforderungen für die Energieversorger erwarten die Marktteilnehmer mittelfristig stabile Strompreise. Der Gesamtenergieverbrauch wird künftig sinken, aber der Verbrauch an elektrischer Energie wird durch den beginnenden Trend zur Elektromobilität und zu Elektroheizungen als Folge der Dekarbonisierung stark steigen.
Trotz aller Bemühungen, einen einheitlichen europäischen Energiemarkt zu schaffen, sind wir von diesem Ziel noch weit entfernt. Die Regulierung des Wettbewerbs mit immer neuen Regeln ist komplizierter und komplexer geworden und verlangt nach immer mehr Koordination. Der gemeinsame Binnenmarkt erfährt durch die beabsichtigte Strompreiszone zwischen Deutschland und Österreich – wobei die Probleme in Deutschland verursacht wurden – einen grundlegenden Rückschritt. Der Ausbau des Transportnetzes ist nicht die alleinige Lösung, wie eine Diskussionsrunde von Experten feststellte. Dies zeigt aber auch deutlich, dass viele Absichten und Regelungen in einem Wettbewerbsmarkt nicht fertig gedacht wurden und die Politik sowie die Energiewirtschaft ständig daran herumbasteln.
Klima gegen Klima
Die Gasindustrie ist überzeugt, mit gezieltem Einsatz und vertretbarem Aufwand einen erheblichen Anteil für die CO2-Reduktion leisten zu können. Die Entwicklung für Gas in Österreich war in den letzten Jahren, der allgemeinen Stimmung zum Trotz, sehr gut: 6 % Verbrauchszuwachs im Jahre 2015 und 1 % bisher in 2016. Gas ist eine fossile Energie. Politiker müssen lernen und zur Kenntnis nehmen, dass es gegenüber anderen Kohlenwasserstoffen große Unterschiede und Vorteile gibt. Ein Vertreter der Gasbranche brachte es auf den Punkt: »Erdgas ist gut für das Klima – das politische Klima ist schlecht für Erdgas.« Die Gaswirtschaft ist gefordert, mehr sachliche Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Steigende Importe können kein Argument sein, da für viele andere Lebensbereiche das Gleiche gilt. Der Weltenergieverbrauch wird bis 2035 um 20 % steigen. Die geforderte CO2-Einsparung kann ein Energieträger oder eine Technologie allein nicht bewerkstelligen.
Während wir im täglichen Leben laufend mit der zunehmenden Digitalisierung konfrontiert sind, hat die Energiebranche seit einiger Zeit erkannt, dass auch sie sich verstärkt diesem Thema widmen muss. Hinter den Schlagwörtern Smart Meter, Smart Home und Smart Cities verbirgt sich das Bemühen der Energieversorger, dem Zug der Zeit zu folgen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln – hin zum Energiedienstleister. Das wird aber nur dann funktionieren, wenn die Konsumenten, die zwischenzeitlich auch oft schon zum Produzenten von elektrischer Energie, dem sogenannten »Prosumer«, geworden sind, einen leicht erkennbaren Nutzen haben. Digitalisierung ist kein Geschäft, sie ist eine Notwendigkeit. Das beschäftigt besonders die E-Wirtschaft intensiv. Hier werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren enorme Neuerungen auf die Unternehmen und Kunden zukommen.
Es gibt also sehr viele Puzzleteile, die zu einem modernen und für die Kunden einfachen Energieversorgungssystem zusammengefügt werden müssen. Es sind gute Ideen für die Gestaltung der Energiezukunft vorhanden. Aber zur Umsetzung sind noch wichtige Details unklar und deren Auswirkung unbekannt.
Zum Autor
Otto Musilek ist mit seinem Unternehmen MEC Management Energy Consultant selbständiger Berater. Er war bis 2007 Geschäftsführer der OMV Gas GmbH, war in internationalen Projekten tätig und hat die Umstellung auf den liberalisierten Energiemarkt aktiv gestaltet und fachlich begleitet.