Hermann Meyer ist Leiter der Siemens-Division Power and Gas in Österreich und der Region CEE und spricht von Trends in Anlagengrößen, Servicemodellen und 3D-Druck.
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Report: Herr Meyer, wie sieht das Geschäft der Siemens-Sparte »Power and Gas« aus?
Hermann Meyer: Wir sind im Bereich der thermischen Energieerzeugung rund um Gas und Öl tätig und bieten dazu auch die komplette Leittechnik für die Steuerung von Kraftwerken sowie das Service. In Wien haben wir außerdem die weltweite Kompetenz für industrielle Kraftwerkslösungen in der Geschäftseinheit Industrial Power Plant Solutions, kurz IPPS, gebündelt. Das Leistungsspektrum umfasst in diesem Bereich Engineering, Lieferung, Montage und Inbetriebsetzung von schlüsselfertigen GuD-Kraftwerken auf der Basis unserer Industriegasturbinen bis zu 60 MW.
Report: Wer sind Ihre Kunden im Bereich der kleinen Gasturbinen?
Meyer: In diesem Bereich gibt es die klassischen Kundenprofile Energieversorgungsunternehmen, Industrie, Öl & Gas sowie – das sehen wir nun verstärkt – städtische Versorger, die ihre eigene Stromversorgung vor Ort haben wollen, um so die Abhängigkeit von den großen Erzeugern zu reduzieren. In Deutschland sehen wir: Die Energie aus zentralen Offshore-Windparks lässt sich nur schwer zu den Verbrauchern in den Süden bringen. Der Strom ist da, aber es mangelt noch an den nötigen Übertragungsleitungen. Das Problem ist in der Regel nicht die Erzeugung – wir haben kombiniert mit den Erneuerbaren derzeit genug davon –, sondern der Transport zu den Verbrauchern.
Report: Gibt es generell einen Trend zu geringeren Turbinengrößen?
Meyer: Wir prognostizieren bis 2030 einen maximal stabilen Markt bei den großen Turbinen. Gleichzeitig erwarten wir im selben Zeitraum bei kleineren Turbinengrößen ein deutliches Marktwachstum. Sowohl Stadtwerke als auch die Industrie wollen etwas zur eigenen Versorgungssicherheit beitragen.
Auch die europäischen Energieversorgungsunternehmen sehen keinen Bedarf von großen Anlagen mehr. Der Schwerpunkt liegt dort auf kleinerer Erzeugung zur Netzstützung. Damit werden Investitionen in Großprojekte mit typischen Volumina von 300 bis 400 Millionen Euro wegfallen, denn sie werden oft statt 5000 bis 5500 Stunden aufgrund der mit der Energiewende forcierten erneuerbaren Energieerzeugung nur noch 1000 Stunden im Jahr betrieben.
Report: Wie sieht die Betriebswirtschaftlichkeit aber mit kombinierter Wärmeerzeugung aus?
Meyer: Große Gas- und Dampfkraftwerke, wie etwa Lausward bei Düsseldorf, das vor einem Jahr ans Netz geschlossen wurde, rentieren sich vor allem aufgrund ihrer Fernwärmeauskoppelung. Die Voraussetzung hier ist die vollständige Abnahme durch ein Ballungszentrum. Falls Kraftwerksbetreiber an ihrem Standort einen Wettbewerb mit anderen großen Lieferanten des Koprodukts Wärme hätten, ginge die Rechnung möglicherweise nicht mehr auf. Eine andere Chance ist natürlich die Aufnahme solcher Kraftwerke in die Reserveplanung von Netzbetreibern wie Tennet oder APG. Die Betreiber bekommen Vergütungen für die Bereithaltung von Erzeugungskapazitäten – auch das ist eine Auswirkung fehlender Trassen.
Report: Welchen Nachholbedarf sehen Sie dazu in der Strommarktregulierung?
Meyer: In anderen Ländern hat man bereits gesehen, dass die thermische Erzeugung mit einem funktionierenden Kapazitätsmarkt gestützt werden kann. Für den Energieerzeuger bedeutet dies zumindest das Begleichen der Fixkosten. Es stellt sich aber die grundsätzliche Frage, ob man auch noch die thermische Energieerzeugung fördern möchte. Am Ende des Tages muss dies ja der Verbraucher zahlen.
Report: Das erste Großprojekt des Siemens-Kompetenzzentrum IPPS war ein GuD-Kraftwerk in Malta. Wie steht es um dieses Projekt?
Meyer: Aktuell befinden wir uns in der Betriebssetzungsphase. Unser Kompetenzzentrum hat beweisen können, dass wir Kraftwerksprojekte in den vorgegebenen Zeit- und Budgetplänen umsetzen können. Das Projekt in Malta war trotzdem eine Nagelprobe, da die Arbeitsabläufe bei der Anlagenerrichtung anders sind als bei großen Kraftwerksprojekten. Eine Herausforderung in Malta brachte das sehr enge Baufeld im Hafen. Wir haben in den vergangenen Monaten Seite an Seite mit einem weiteren Konsortium gearbeitet, das für den Bau der Flüssiggas-Entladestation zuständig ist. Die Inbetriebnahme des GuD-Kraftwerks ist für Mai 2017 geplant. Die Anlage löst eine Stromproduktion durch Öl ab. Wir gehen davon aus, rund die Hälfte der bisherigen Emissionen in Malta einsparen zu können.
Prinzipiell sehen wir den Markt für thermische Erzeugungseinheiten in Europa aber derzeit als nahezu ausgeschöpft – hier geht ja klar der Trend in Richtung regenerative Energieerzeugung. Ein für Siemens derzeit interessanter Markt ist Afrika, der gerade für unsere kleineren Anlagen, die dortigen Gasvorkommen und relativ schwach ausgebaute Stromnetze geeignet ist. Ebenso sind auch Latein- und Mittelamerika für Siemens noch große Wachstumsmärkte.
Report: Wo liegen die Kompetenzschwerpunkte im »Industrial Power Plant Solutions«-Zentrum? Gibt es dazu auch Forschung in Wien?
Meyer: Wir fokussieren auf den Bereich Engineering, Procurement and Construction (EPC) kleinerer Anlagen. Die Gasturbinen selbst kommen aus dem Siemens-Werk Finspong in Schweden. Siemens hat eine eigene R&D-Abteilung in Wien. Sie hat die Optimierungen von Wärme- und Dampfwärmekreisläufen in den Anlagen zur Aufgabe.
Report: Marktveränderungen in verschiedenen Branchen bringen einen Wandel vom Produkt zum Service. Können Sie sich »Power-Plant-as-a-Service« vorstellen?
Meyer: Selbst als Kraftwerksbetreiber aufzutreten, kann ich mir weniger vorstellen. Durchaus realistisch könnten Leasingmodelle zur Bereitstellung – etwa von Turbinen – sein. Was Siemens aktuell bereits als Service anbietet, ist der Betrieb eines Kraftwerks mit unserer eigenen Mannschaft. Dabei wird das Kraftwerk von Siemens errichtet und beispielsweise für eine Projektgesellschaft aus der Investorenszene, die selbst keine Erfahrung damit hat, betrieben. Dieses Modell haben wir bereits erfolgreich umgesetzt. Der dortige Investor will nichts anderes, als Gas in Strom zu verwandeln. Genau das macht Siemens im Rahmen einer Servicevereinbarung für den Kunden.
Report: Sie setzen auch auf »Additive Manufacturing«. Worum geht es hier?
Meyer: Bei diesem Begriff handelt es sich um 3D-Druck mittels Laserschmelzverfahren von Komponenten für die Industrie. Siemens betreibt unter anderem eine Druckanlage im Turbinenwerk in Finspong und wir bieten die Technologie erfolgreich als Service an. Das Verfahren wurde in den letzten Jahren entwickelt und stellt eine Revolution in der Fertigung dar. Wir können Komponenten für Industriegasturbinen bis zu 60 % schneller und mit allen Konstruktionsfreiheiten instandsetzen. Derzeit werden damit Ersatzteile gefertigt und Anlagen auf das aktuelle Komponentendesign aufgerüstet, was auch Effizienzsteigerungen mit sich bringen kann. Siemens Österreich konnte auf diesem Weg bereits für einen Kunden in Slowenien erfolgreich Ersatzteile fertigen.
Report: Was sind die Vorteile?
Meyer: Mit diesem Fertigungsverfahren werden Formen erschlossen, von denen man früher zwar theoretisch wusste, dass diese optimal wären – jetzt ist es aber erstmals tatsächlich möglich, diese auch zu fertigen. Das sind zum Beispiel geschlossene Turbinenschaufeln mit einem Wabengebilde im Inneren. Sie werden damit leichter und trotzdem stabiler. Ebenso können Ersatzteile – auch wenn die alten Fertigungszeichnungen nicht mehr vorliegen – wesentlich schneller über ein Abbild der abgenutzten oder kaputten Komponenten erzeugt werden. Prototypen müssen damit nicht mehr mühsam konstruiert und gefertigt werden. Das ist mit Sicherheit die Zukunft.
Report: Damit ist wohl das Problem der Materialbeschaffenheit von Gegenständen aus dem 3D-Drucker gelöst? Vor Jahren hieß es noch, die Ergebnisse eigenen sich nicht für industriellen Einsatz.
Meyer: Das ist weitgehend gelöst, und wir stehen mit dem Lasern von Metallstaub noch nicht am Ende der technischen Entwicklung. Noch gilt es, dass wir auch die besonderen Herausforderungen in Hochtemperatur-Umgebungen lösen werden – das wird aber bald geschehen.
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