Ende September ließ das Beratungsunternehmen Deloitte mit Aussagen wie »Europäische Bauwirtschaft sendet positive Signale« und »Krise offenbar überwunden« aufhorchen. Einem Faktencheck halten die Aussagen aber nur bedingt stand.
Auf den ersten Blick gibt der zwölfte »European Powers of Construction«-Report von Deloitte tatsächlich Anlass zu Hoffnung. Da wird der europäischen Baubranche für 2014 ein Aufschwung attestiert, der auch in den kommenden zwei Jahren anhalten soll. Auch das Investitionsvolumen zeige mit einem 0,8-prozentigen Wachstum wieder einen Aufwärtstrend. 2015 wird laut Alexander Hohendanner, Industry Line Leader Real Estate von Deloitte Österreich, mit einem erneuten Investitionsanstieg um 2,1 Prozent gerechnet, 2016 sogar mit 3,5 Prozent.
Die Margen der Top-20-Konzerne sind laut dem Deloitte-Report 2014 um 30 Basispunkte auf 5,0 Prozent gestiegen. Bei genauerer Betrachtung der Ergebnisse zeigt sich aber, dass die Zuwächse hauptsächlich aus Segmenten abseits der Bauwirtschaft erzielt wurden und die Margen im reinen Baugeschäft sogar rückläufig sind. »Die Krise überwunden haben nur jene Unternehmen, die breiter aufgestellt sind«, weiß auch Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs VIBÖ, dass die Margen in anderen Branchen höher sind. Die Verlockung für Unternehmen, die eigenen Kernmärkte zu verlassen, mag groß sein, das Beispiel Bilfinger mit dem bei weitem geringsten EBIT der Top-10-Konzerne in Europa (siehe Tabelle) zeigt allerdings, dass diese Strategie riskant ist. Für das klassische Baugeschäft gibt es laut Steibl noch keine Erholung. »Das gilt auch für Österreich, der Margendruck ist weiter enorm.«
Auch den von Deloitte identifizierten Internationalisierungstrend muss man laut Steibl differenziert betrachten. »Einfach in andere Märkte zu gehen und dort Kapazitäten aufzubauen, wird nicht reichen.« Dabei sei das Risiko sehr groß, denn schließlich wollen die aufgebauten Kapazitäten auch beschäftigt werden. Sinnvoller scheint laut Steibl die Strategie, mit Spezialwissen und selektivem Projektgeschäft in neue Märkte vorzudringen. »So wie das die Strabag in Süd- und Mittelamerika macht, ohne dauerhafte Präsenz vor Ort. Das garantiert Flexibilität und reduziert das Risiko.« Thomas Birtel, Chef der von Steibl angesprochenen Strabag, kann einer gesamteuropäischen Betrachtungsweise, wie es der Deloitte-Report macht, generell nur wenig abgewinnen. »Von einer Krise im europäischen Bau ließ sich bisher gar nicht sprechen. Man muss sich die Situation in den Ländern Markt für Markt gesondert ansehen: In Österreich wäre etwa eine Marktbereinigung notwendig, um die Überkapazitäten zu reduzieren, auch wenn sich eine solche nicht unmittelbar ankündigt«, so Birtel, der aber in anderen Märkten wie Deutschland oder Polen großes Potenzial sieht.