Tag und Nacht durchfliegen – das ist mit solarer Energie möglich, wie das Solarflugzeug Solar Impulse II derzeit eindrucksvoll beweist. Eindrucksvoll ist auch, was intelligente Gebäudetechnologie leistet. Darüber hat der Bau & Immobilien Report unter anderem mit Siemens, Osram und ABB gesprochen. Von Karin Legat
40 Prozent des weltweiten Verbrauchs an Primärenergie werden nach wie vor für Gebäude verbraucht. Mit intelligenter Gebäudetechnologie können die reinen Betriebskosten bis zu 25 Prozent gesenkt werden, allerdings schreckt viele Unternehmer der Einstieg ab. Das ist laut Karl Helm, Leiter Total Building Solutions bei Siemens, jedoch völlig unberechtigt. Die Mehrkosten belaufen sich zwar auf fünf bis 15 Prozent, allerdings liegt die Amortisationszeit bei nur drei bis fünf Jahren. Verglichen mit der Lebensdauer von Gebäuden von rund 50 Jahren sind das Peanuts. »Oft werden nur kleine Schritte umgesetzt, etwa Bewegungsmelder beim Licht«, weiß Thomas Lenitz, Produktmanager Gebäudesystemtechnik KNX bei ABB, entscheidende Schritte bleiben ausständig. Im bestehenden KNX-System sieht er ein gutes Instrument für die verstärkte Anwendung intelligenter Gebäudetechnik. Es wurde vor 25 Jahren als übergreifendes System für die intelligente Vernetzung von Elektroinstallationen geschaffen. Heute arbeiten weltweit etwa 350 Firmen nach diesem Standard. Es gibt fast nichts, das nicht in KNX eingebunden werden kann. »Alle sprechen dieselbe Sprache«, so Lenitz. Gewandelt hat sich auch der Zugang zu KNX. Früher gab es dieses System nur in sehr großen Bürogebäuden. Heute nutzen auch kleine und mittlere Gebäude das Rundum-sorglos-Paket.
Gesteigerte Effizienz
Thomas Bruckner, Geschäftsführer von cTrixs, das auf Gebäudemanagement über IP-Technologie spezialisiert ist, sieht intelligente Gebäudemanagementsysteme vor allem für Büroumgebungen geeignet. Woran das liegt? Moderne Büros bauen auf komfortables und einfaches Handling komplexer Technik. Sämtliche betriebsnotwendigen Informationen werden in einer Datenbank gespeichert. Die Bedienoberflächen stehen dem Nutzer direkt am Arbeitsplatz zur Verfügung – Telefon, PC, PDA und Mobiltelefon. Die mechanische Schaltung, etwa über Taster, bleibt aber Thema. »Man darf den Menschen nicht außer Acht lassen, darf nicht alles automatisieren«, fordert Thomas Lenitz.
Intelligenter Bus
Hinter der Gebäudetechnik stehen die Bussysteme KNX, LON und BACnet. Karl Helm: »KNX, früher EIB, ist eher auf Europa ausgerichtet, die beiden anderen gelten weltweit.« Ein erfolgreiches Gebäudeautomationssystem ist Desigo CC von Siemens. Dieses baut auf allen drei Systemen auf. Es regelt, steuert, überwacht und kann stufenlos vom Kleinsystem bis zum komplexen Gebäudeautomationssystem ausgebaut werden. Desigo CC erkennt auch Abweichungen im Gebäude. »Gebäude sind komplex. Abhängig von der Gebäudegröße kann es schon mehr als 3.000 Komfort und Kosten beeinflussende Werte geben. Jeder dieser Parameter hat ein gewisses Toleranzband. Wird davon wesentlich abgewichen, wird von Desigo CC eine entsprechende Meldung an die Betriebsführung gegeben«, informiert Helm.
Intelligent beleuchten
Zentraler Faktor im Office ist die Lichtqualität, die Leistungsfähigkeit, Zufriedenheit und Gesundheit wesentlich beeinflusst. Gefordert ist daher ein sorgsamer Umgang mit Licht. »Intelligente Beleuchtung schafft personenbezogen optimale Lichtverhältnisse und spart dabei 20 bis 25 Prozent an Energiekosten«, betont Thomas Lenitz. Die einmaligen Mehrkosten für die zusätzlichen Geräte seien rasch amortisiert. Lichtspezialist Osram hat zwei erfolgreiche Systeme am Markt – DALIeco für einzelne Büroräume und DALIprofessional für ganze Etagen. Das Gebäude-Lichtmanagement Encilium wird im Ausland, vor allem in Deutschland und den USA, nachgefragt. Seit Mai bietet Osram eine Lichtmanagementlösung auf Funkbasis – Lightify. Verkabelung und Stemmarbeiten entfallen, benötigt werden nur die Lightify-Komponenten, die in Osram-Leuchten bereits integriert sind bzw. mit einem Taster leicht eingebunden werden können. »Lightify Pro ist ausgelegt für mittelgroße Lichtinstallationen bis zu 100 Lichtpunkte, Lightify Home für bis zu 50«, informiert Markus Legenstein, Vertriebsspezialist Lichtmanagementsysteme. Die Komponenten kommunizieren über ZigBee miteinander, einem offenen Funkstandard. Vor der Integration eines Lichtmanagementsystems empfiehlt er eine Prüfung der in Verwendung stehenden Leuchtmittel. »Bei gleicher Helligkeit verbraucht eine LED-Lampe etwa 85 bis 90 Prozent weniger als eine Glühlampe und 80 bis 85 Prozent weniger als eine Halogenlampe«, so Legenstein.
Intelligente Weitsicht
Gebäude wechseln im Laufe ihres Lebens vielfach ihre Eigentümer. Damit steht die Notwendigkeit intelligenter Gebäudetechnik fest. Karl Helm, Siemens: »80 Prozent der Gesamtkosten entstehen während der Nutzung eines Bürogebäudes. Davon sind 30 bis 40 Prozent reine Energiekosten. Intelligente Gebäude haben einen durchschnittlich um 16 Prozent höheren Wiederverkaufswert und garantieren etwa 6 Prozent höhere Mietpreise.« Alle Interviewpartner unisono: Intelligenten Gebäuden gehört die Zukunft.
Info: Forschung
Fortschritt benötigt Dynamik. Daher läuft bei den heimischen Energie- und Technologiekonzernen eine Vielzahl an Projekten rund um intelligente Gebäudetechnik. Siemens arbeitet unter anderem an der präventiven Gebäudeautomatisation. »Ein Gebäude hat sehr lange Zeitkonstanten hinsichtlich Erwärmung und Abkühlung. Ich muss die nötigen Steuerungen treffen, um rechtzeitig optimal aufgestellt zu sein«, so Karl Helm. Das Management von Energie in Büro- und Produktionsgebäuden von der Eigenerzeugung über die Speicherung bis hin zu einem intelligenten Lastmanagement ist unter anderem Thema bei ABB.