Vor allem im Osten Österreichs ist die Massivbauweise im Wohnbau nach vor absolut marktbeherrschend. Dass es auch anders geht, davon ist etwa Bauträger Winfried Kallinger überzeugt. Mit seinem Slim Building Concept transformiert er das flexible Konstruktionsprinzip aus dem Büro- in den Wohnbau. Für Michael Wardian, Geschäftsführer Kirchdorfer Fertigteilholding, ist das Kallco-Patent aber vor allem auch eine Frage des Budgets.
Pro: Flexibilität durch schlanke Konstruktionen
"Der Massivbau in Form der Großtafelbauweise hat im großvolumigen Wohnbau zweifellos seine Meriten: Er ist billig und Standardroutine der Baufirmen, wieso also ändern? Das Slim Building von Kallco ist nicht signifikant billiger und relativ neu, wozu also? Das Neue an diesem System ist der nach allen Richtungen konstruktiv offene räumliche Planungsraster und ein statisches System, das eine bisher nicht gekannte schlanke Konstruktion ermöglicht und von einem vielfach kombinierbaren Raummodul ausgeht: Die Wände zwischen den schlanken Säulen sind nicht tragend und variabel im Material. Schwere massive Wandscheiben und tragende Fassaden sind Vergangenheit, es herrscht Grundriss- und Gestaltungsfreiheit. Diese Wandelbarkeit der Gebäude ist der entscheidende Unterschied zum Massivbau. Diese »schlanken Häuser« lassen sich daher im Lebenszyklus wesentlich leichter anpassen als Massivbauten mit ihrer starren Plattenstruktur – man stelle sich nur vor, was aus der Sanierungsoffensive für die Gründerzeithäuser geworden wäre, wenn diese in Massivbauweise errichtet worden wären …
Natürlich gibt es auch leicht erkennbare ökonomische Vorteile von Slim Building: Die vertikale Konstruktionsstärke ist um etwa ein Drittel schlanker, das gesamte Konstruktionsgewicht ist deutlich geringer und die Baulogistik einfacher. Das bedeutet geringeren Materialeinsatz und schnellere Bauabwicklung.
Für Kallco ist der Massivbau eine Bauweise der Vergangenheit und am Ende seiner Entwicklungsfähigkeit angelangt. Im auf Variabilität angewiesenen modernen Bürobau kommt niemand mehr auf die Idee, mit dieser Bauweise zu bauen. Die variable und offene Grundrissstruktur von Slim Building ist die Zukunft, weil sie wandelbar ist – das ist gut für die Nutzer, sicher für die Investoren und freut auch die Architekten."
Winfried Kallinger, Geschäftsführer Kallco
Contra: Teuer erkaufte Flexibilität
"Die Kirchdorfer Gruppe war als Partner der Porr bei der Errichtung eines Projekts nach dem Slim-Building-Concept in Wien bereits einmal direkt in dieses Bausystem involviert. Hierfür wurden durch die Maba Fertigteilindustrie nichttragende 12cm-Fassadenplatten geliefert. Unsere Erkenntnis aus diesem Projekt ist, dass zwar maximale Flexibilität für Raumaufteilung gegeben ist, das Bausystem aber statisch sehr herausfordernd, bautechnisch komplex und damit die Flexibilität eher teuer erkauft ist. Das Argument der Kostengleichheit ist aus unserer Erfahrung nicht zu belegen. Somit ist die Umsetzung des Slim-Building-Konzeptes auch eine Frage des Budgets.
Zudem gibt es aus unserer Sicht auch weitere technische Einschränkungen. Diese sind auf der einen Seite die fehlende Speichermasse als auch die geringere Schalldämmung der zum Einsatz kommenden Ständerwände. Zudem schließt das Slim-Building-Concept beispielsweise die Verwendung der modernen Bauteilaktivierung zumindest in vertikalen Wandscheiben aus. Dies ist nicht gerade zukunftsweisend.
Daher ist dieses System aus meiner Sicht vor allem eine Nischenlösung für Bauvorhaben, bei denen die konkrete Nutzung erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt wird oder sich im Zuge der Gebäudelebensdauer mehrmals grundlegend ändert. Bei einer guten Planungsleistung kann jedoch diesen Ansprüchen auch mit dem Einsatz von Betonfertigteilsystemen meist ausreichend entsprochen werden, ohne die beschriebenen wirtschaftlichen und technischen Einschränkungen in Kauf nehmen zu müssen. Der moderne Wohnbau braucht schlankes UND massives Bauen, und zwar nicht nur nebeneinander, sondern vor allem miteinander."
Michael Wardian, Geschäftsführer Kirchdorfer Fertigteilholding