Multifunktionalität im Bauwesen stellt für Beton die Herausforderung von morgen dar. Dazu gibt es ein innovatives Forschungsprojekt an der Universität Kassel: Beton soll zum Bau von Fassadenelementen dienen und zugleich genutzt werden, um aus Sonnenlicht Strom zu gewinnen.
Von Karin Legat
Fähigkeit, Überblick und Leistungsfähigkeit sind einige der Synonyme von Intelligenz. Kann dies auch auf Werkstoffe zutreffen? Wer das entschieden verneint, wurde bereits auf der BAU 2015 in München eines Besseren belehrt. Vorgestellt wurde DysCrete, Beton, der durch die Beschichtung z.B. mit Fruchtsaft (!) und weiteren Komponenten zum Sonnenkraftwerk wird. Utopie? Der Bau & Immobilien Report hat hinter den DysCrete-Vorhang gesehen.
Energielieferant Beton
DysCrete ist ein elektrisch leitfähiger Beton, der mit Lagen aus gefärbtem Titandioxid, Elektrolyt und einer transparenten, leitfähigen Oberfläche beschichtet ist. Das Ergebnis ist eine Farbstoffsolarzelle, die Sonnenlicht in elektrischen Strom umwandelt. »DysCrete liefert einen Beitrag zu einer nachhaltigen und dezentralen Energieversorgung«, hebt Heike Klussmann, Leiterin der Forschungsplattform »Bau Kunst Erfinden«, hervor. »Die Farbstoffsolarzelle ist eine innovative Solarzellentechnologie«, ergänzt Thorsten Klooster, Projektleiter Forschung. Ihre Anwendung auf Werkstoffen wie Beton wurde bislang außer Acht gelassen, da die Aufmerksamkeit v.a. glasbasierten, transluzenten Modulen galt. Der Vorteil der hier eingesetzten sog. Grätzel-Farbstoffzellen liegt darin, dass sie auch diffuses Licht umwandeln können. »Das beruht auf der Struktur der nanokristallinen Halbleiterschicht«, informiert Johannes Arend vom Fachgebiet Werkstoffe des Bauwesens und Bauchemie der Uni Kassel, an dem die wissenschaftlichen Grundlagen erarbeitet werden. Damit gibt es im Vergleich zu herkömmlichen PV-Systemen kaum mehr Einschränkungen bezüglich der baulichen Nutzungen. Zum Wirkungsgrad meint Klooster: »Da sich mittels DysCrete nahezu alle harten Oberflächen in einer Stadt energetisch aktivieren lassen könnten, ist der angestrebte Effizienzgrad von etwa zwei Prozent aufgrund der vergleichsweise geringen Herstellungskosten und der Applikation im Druck- oder Sprühverfahren vermutlich ausreichend.«
Energiebatterie Beton
Gernot Brandweiner, Geschäftsführer des Verbandes Österreichischer Beton -und Fertigteilwerke, VÖB, sieht viel Potential für DysCrete, v.a. da er preisgünstiger als klassische PV ist. Bereits zum Einsatz kommen andere Formen von intelligentem Beton. »Überschüssige Energie aus der Solaranlage kann etwa als Wärme in Betonteilen gespeichert und bei Bedarf entnommen werden«, so Brandweiner. In einem aktuellen Forschungsprojekt wird die Integration umliegender Betonteile in die Bauteilaktivierung untersucht. Weiter geforscht wird im Bereich Beton-Wärmedämmung. »Leichtbeton kann wiederum in einer einschaligen Wandaufbauweise eingesetzt werden und damit tragende und gleichzeitig dämmende Funktion übernehmen«, berichtet Christoph Ressler, Geschäftsführer des Güteverbandes Transportbeton und der Betonakademie. Neben der statischen Funktion, für die Beton nach wie vor primär herangezogen wird, sieht Ressler hohes Potenzial für Beton in den Bereichen Energiespeicher, mit ultrahochfestem Beton für den Spezialanwendungs- und Sanierungsbereich, im niederrangigen Straßenbau und rund um das Thema Verkehrssicherheit. »Zemente, die in hellem Farbton gehalten sind, können für höhere Sicherheitsaspekte in Straßentunnels sorgen. Beschichtungen, die in regelmäßigen Abständen saniert werden müssen, könnten entfallen.«
VÖB: Konjunkturbarometer
Die Mitgliedsunternehmen des Verbands Österreichischer Beton- und Fertigteilwerke (VÖB) gehen laut Umfrage aufgrund wirtschaftspolitischer Unsicherheit und der weiterhin schwachen Konjunktur mit stabilen bis negativen Ausblicken in das neue Geschäftsjahr 2015. Die Hälfte der Mitgliedsbetriebe rechnet mit einer »eher zufriedenstellenden« (gleich bleibend oder leicht steigenden) Entwicklung ihres Unternehmens. 43 % sehen für 2015 dagegen eine »weniger zufriedenstellende« Entwicklung auf sie zukommen. Diese Ambivalenz schlägt sich auch auf die abgefragten Mitarbeiterzahlen nieder. Während der überwiegende Teil der Befragten mit gleichbleibenden Mitarbeiterzahlen rechnet, gibt ein Drittel an, dass die Zahl ihrer Mitarbeiter sinken wird. Die Einschätzungen über die Entwicklung der gesamten Beton- und Fertigteilbranche sind demgegenüber weitaus negativer: Hierbei gibt die Hälfte der Befragten an, dass sie mit Umsatzrückgängen für die Branche rechnet. Im Vergleich zum Jahr 2014 sehen sogar mehr als die Hälfte (57 %) eine »weniger zufriedenstellende« Entwicklung auf die gesamte Branche zukommen.