Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht der niederösterreichische Landesinnungsmeister Bau, Robert Jägersberger, über die Gefahren des Bestbieterprinzips, erklärt, warum er das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz kritisch sieht und mit welchen Erwartungen er in das Jahr 2015 geht.
Von Bernd Affenzeller
Report: Wie ist 2014 für die niederösterreichische Bauwirtschaft gelaufen?
Robert Jägersberger: Am Beginn des Jahres war die Stimmung, bedingt durch den milden Winter, bei den Kollegen sehr gut. Im Mai hat die Stimmung dann leider umgeschlagen und das ist bis heute so geblieben. Die Sorge hinsichtlich Auftragslage und Konjunkturentwicklung ist allerorts spürbar. Bei der Produktionsleistung sind wir ein paar Prozent im Minus, das lässt sich bis zum Jahresende wahrscheinlich auch nicht mehr aufholen. Viel schlimmer gestaltet sich die Situation bei den Beschäftigten. Da liegen wir in Niederösterreich bei einem Minus von 13 Prozent. Da schlägt die Dienstnehmerfreizügigkeit jetzt voll durch. Seit heuer bekommen wir auch laufend Informationen, dass Personal ausgetauscht wird. Teure inländische Mitarbeiter werden ersetzt durch billigere ausländische Arbeitskräften.
Report: Wie hoch sind aus Ihrer Sicht die Einsparungspotenziale, wenn ein niederösterreichischer Baumeister innerhalb des gesetzlichen Rahmens seine Personalkosten durch ausländische Mitarbeiter senken will?
Jägersberger: Rein auf die Arbeitskräfteüberlassung bezogen, sind die Einsparungsmöglichkeiten nicht sehr groß. Wenn es um die Leistungsweitervergabe geht, liegt es am Verhandlungsgeschick. Es wäre aber unseriös, einen Prozentsatz zu nennen.
Report: Inwieweit kann die Innung auf ihre Mitgliedsunternehmen einwirken, diesen vermeintlich einfachen Weg des Personalaustauschs nicht zu gehen? Stichwort: Know-how- Verlust?
Jägersberger: Der wirtschaftliche Druck ist enorm. Deshalb wird versucht, die Fixkosten zu reduzieren und auch bei den variablen Kosten auf günstigere Lösungen zurückzugreifen. Das kann man auch niemandem vorwerfen. Aber natürlich ist das kurzsichtig und irgendwann gehen die Fachkräfte und damit auch Know-how unwiderruflich verloren. Dieses Bewusstsein bei den Unternehmen zu schaffen, ist aber nicht einfach. Dabei ist das Knowhow heute wichtiger denn je, denn dass Bauen einfach ist, stimmt schon lange nicht mehr. Es gibt auf der anderen Seite aber auch sehr viele Unternehmen, die sich mit sehr gutem Personal und einer sehr guten Lehrlingsausbildung über die Qualität einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.
Report: Wird diese Qualität von den Auftraggebern auch nachgefragt oder zählt schlussendlich nicht doch wieder nur der Preis?
Jägersberger: (lacht) Dieser Spagat ist unser tägliches Brot. Ich höre sehr oft von Kunden, öffentlichen und privaten, dass sie gerne einen Auftrag an uns vergeben würden, aber zu einem anderen Preis. Und dann beginnt die Feilscherei. Das ist auch legitim, aber es gibt Schmerzgrenzen, die einfach nicht überschritten werden können.
Report: Wie gesund ist aus Ihrer Sicht die niederösterreichische Bauwirtschaft?
Jägersberger: Das ist schwer zu sagen, weil natürlich niemand hinter die Kulissen blicken kann. Die aktuellen Zahlen geben aber keinen Anlass zu übertriebener Sorge. Natürlich gibt es auch in Niederösterreich Pleiten, aber nicht mehr als in den vergangenen Jahren.
Report: Der Handwerkerbonus hat für viel Diskussion gesorgt. Zwar wurde die Idee begrüßt, die geringe Dotierung aber kritisiert. Mit Mitte November war der Bonus ausgeschöpft. Konnten aus Ihrer Sicht zusätzliche Investitionen ausgelöst werden oder wurden hauptsächlich Mitnahmeeffekte generiert?
Jägersberger: Es hat natürlich den einen oder anderen Vorzieheffekt gegeben. Ich glaube aber schon, dass man mit solchen Aktionen auch Menschen erreicht, die sonst vielleicht nicht den Weg zu einem offiziellen Betrieb gefunden hätten. Damit wird schon ein Lenkungseffekt erreicht. Ich bin aber nicht so blauäugig zu glauben, dass mit diesen 600 Euro Zuschuss irgendjemand dazu animiert wird, etwas zu tun, was er gar nicht vorgehabt hat. Der Hebel hat gegriffen, aber man muss auch am Boden bleiben. Die Auswirkungen auf die Bauwirtschaft sind kaum spürbar, weil er einfach auch zu gering dotiert ist.
Report: Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz wurde von der Bauwirtschaft als wirksames Instrument gegen die Schwarzarbeit begrüßt. In der Praxis wurde es aber oft als zahnlos kritisiert. Mit der jüngst verabschiedeten Novelle soll sich das ändern. Wie tauglich ist das Gesetz in der Praxis aus Ihrer Sicht?
Jägersberger: Das ist ein sehr heikles Thema. Denn im Endeffekt trifft es wieder die Unternehmen in Österreich, die versuchen, alles richtig zu machen. Dabei ist heute schon eine korrekte Lohnabrechnung ziemlich komplex. Da können natürlich Fehler passieren. Und durch die Novelle wird es sicher nicht einfacher. Und das wird dann bestraft. Das ist eine völlig falsche Entwicklung und trifft nicht diejenigen, die es eigentlich treffen sollte. Wir hören immer wieder, dass dort, wo ausländische Firmen arbeiten, kaum geprüft wird. Kontrolliert werden hauptsächlich die österreichischen Firmen. Und wenn man will, findet man immer etwas. Und dass alle Prüforgane Ergebnisse liefern müssen, ist bekannt.
Report: Wie kann aus Ihrer Sicht die gute Absicht hinter dem Gesetz in der Praxis umgesetzt werden?
Jägersberger: Das Wichtigste ist aus meiner Sicht die Sanktionierbarkeit ausländischer Firmen. Solange das nicht gegeben ist, bringt dieses Gesetz nichts und kiminalisiert nur jene, die sich eigentlich an die Regeln halten wollen. Das kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein.
Report: Aktuell wird viel über das Thema Bestbieter- und Billigstbieterprinzip diskutiert. Neben vielen Befürwortern gibt es auch kritische Stimmen. Wie stehen Sie zum Thema?
Jägersberger: Jeder Auftraggeber will den Besten haben. Die Frage ist nur, wie ich es umsetze. Es geht um Fragen der Überprüfbarkeit und Vergleichbarkeit von Kriterien. Und natürlich besteht auch beim Bestbieterpzinzip die Gefahr, dass gute Unternehmen, die durchaus imstande wären den Auftrag auszuführen, ausgegrenzt werden. In Niederösterreich versuchen wir über das Kriterium »Eigenpersonal« lenkend in die Ausschreibungen einzugreifen. Denn das ist das größte Problem. Da werden Aufträge an einen Totalunternehmer vergeben und auf der Baustelle arbeiten dann ausschließlich Süd- und Osteuropäer. Deshalb sind aus meiner Sicht auch Einzelvergaben besser als Total- und Generalunternehmer, weil hier vor allem auch öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit haben, steuernd einzugreifen. Es muss den Auftraggebern bewusst sein, dass sie mit einem Generalunternehmer Einfluss und Kontrolle abgeben. Und das sollte gerade bei öffentlichen Vergaben nicht der Fall sein.
Report: Was erwarten Sie von 2015?
Jägersberger: Wenn man nicht auf die Wirtschaftsforscher hören würde, könnte man eigentlich mit einem zumindest neutralen Gefühl in das neue Jahr gehen. Aber wir lesen alle die Nachrichten und sind deshalb verunsichert. Es ist sicher viel Psychologie im Spiel, aber es ist schon auch die aktuelle Auftragslage, die kaum Grund für Optimismus lässt. Eine Seitwärtsbewegung ist aber sicher realistisch, ein signifikantes Wachstum trau ich mir aber auch nicht zu prognostizieren.