"Vieles, was auf dem Papier gut aussieht, hat seine Tücken". Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report zieht der Wiener Wohnbaustadtrat Michael Ludwig Bilanz über die aktuelle Neubau- und Sanierungsleistung der Stadt, spricht über das Problem der hohen Grundstückspreise und erklärt, warum er das Bestbieterprinzip nicht nur positiv sieht.
Von Bernd Affenzeller
Report: Wie fällt Ihre Bilanz in Sachen Neubau und Sanierung in Wien für 2014 aus?
Michael Ludwig: Sehr positiv. Es ist uns gelungen, alle Ziele zu erreichen, die wir uns vorgenommen haben. Wir wollten 7.000 geförderte Wohnungen übergeben und haben diese Messlatte mit 7.273 Wohnungen auch deutlich überschritten. Gleichzeitig haben wir 7.990 Zusicherungen vorgenommen und können damit garantieren, dass wir dieses Niveau auch in den nächsten Jahren halten können. Damit sind wir europäische Spitze. Ich kenne keine andere Stadt, die eine ähnliche Zahl an geförderten Wohnungen vorweisen kann.
Report: Und die Sanierungsbilanz?
Ludwig: Da liegen uns noch keine endgültigen Zahlen vor. Aber wir werden in etwa wieder das Niveau von 2013 erreichen. Was aber schon zu sehen ist, ist, dass die großen städtischen Wohnhausanlagen saniert sind. Jetzt geht es darum, auch in Zusammenarbeit mit privaten Hauseigentümern kleinteiligere Anlagen zu sanieren. Generell kann sich die Bilanz der letzten Jahre durchaus sehen lassen. Noch in den 70er-Jahren gab es in Wien 43 Prozent Substandardwohnungen, heute sind es drei Prozent. Daran sieht man, dass die Förderprogramme der Stadt Wien auch viele private Eigentümer mit ins Boot geholt haben. Insgesamt wurden bereits 330.000 Wohneinheiten gefördert saniert.
Report: 2014 war der Wiener Wohnbaufördertopf mit 689,4 Millionen Euro dotiert, für 2015 sind 641 Millionen veranschlagt. Warum diese Reduktion und wie wird sich das auf die Neubau- und Sanierungstätigkeit auswirken?
Ludwig: Es ist keine De-facto-Reduktion. Man darf nicht vergessen, dass wir nach der Kameralistik abrechnen. Das sind Projekte, die bereits eingereicht, zugesichert sind, die dann finanziert werden. Das heißt, wir werden die Zusicherungen, die wir getroffen haben, auf einem sehr hohen Niveau halten können. Man muss diese Zahlen immer über einen längeren Zeitraum betrachten, um eine echte Entwicklung ablesen zu können. Und da liegen wir stabil bei gut 7.000 Wohnungen, die pro Jahr übergeben werden.
Report: Die Wiener Bauwirtschaft hofft auf weitere Impulse seitens der Politik. Wird es abseits der Wohnbauförderung Aktivitäten seitens der Stadt geben? Stichwort: Wohnbauinitiative.
Ludwig: Es war immer meine Idee, ergänzende Modelle zum geförderten Wohnbau zu entwickeln. Wir haben eine Wohnbauanleihe unterstützt, aber vor allem mit der Wohnbauinitative ein auch international sehr anerkanntes Projekt auf die Beine gestellt. Dafür hat die Stadt Wien sowohl finanzielle Mittel als auch Grundstücke eingebracht. Diese Wohnbauinitiative ist eine absolute Win-win-Situation. Die Stadt kann zusätzlichen Wohnraum vergeben, die Mieter kommen zu günstigen Wohnungen und die Finanzdienstleister können, zwar ohne große Renditeerwartung, aber sicher anlegen.
Report: Kann die Wohnbauinitiative zu einer dauerhaften Einrichtungen werden, sofern das Zinsniveau ähnlich bleibt wie jetzt?
Ludwig: Das ist natürlich abhängig von den Rahmenbedingungen. Dabei spielt das Zinsniveau ebenso eine Rolle wie die Frage, wie viele Grundstücke wir zur Verfügung stellen können. Aber prinzipiell ist das natürlich vorstellbar. Ich strebe immer einen bestmöglichen Mix an, auch um eine gewisse Risikostreuung zu haben.
Report: Eine wesentliche Hürde bei der Schaffung von Wohnraum sind die hohen Grundstückspreise. Vor allem dort, wo eine rasche Bauumsetzung möglich ist, werden weiter steigende Preise befürchtet. Welche Gegenmaßnahmen sind geplant?
Ludwig: Wir haben in Wien ein sehr gutes System der Grundstücksbevorratung. Aktuell haben wir rund 2,2 Millionen Quadratmeter bevorratet, die wir sukzessive entwickeln und Bauträgern zur Verfügung stellen. Mit den Einnahmen werden wieder neue Grundstücke angekauft. Die Preise steigen aber natürlich auch bei uns. Wir haben aber im Rahmen der letzten Bauordnungsnovelle bereits auf diese Entwicklung reagiert, etwa mit befristeten Widmungen gegen spekulative Grundstücksbevorratung oder der neuen Widmungskategorie förderbarer Wohnbau. Und schließlich haben wir ein eigenes Immobilienmanagment in der Stadt Wien entwickelt, wo strategisch entschieden wird, welche Grundstücke wir veräußern und welche wir behalten wollen. Außerdem ist aktuell eine Dynamik erkennbar, dass Bauträger im Wettbewerb um Grundstücke die Preise nach oben treiben. Das versuche ich zu durchbrechen, um die Preise zu deckeln.
Report: Seit der Nationalratswahl 2013 wird laufend von Baukonjunkturpakten und Wohnbaupaketen gesprochen. Aktuell geistern gerade 6,5 Mrd. für den Wohnbau in den nächsten fünf Jahren durch die Medien. Dazu stehen auch immer noch 180 Mio. als Einmalspritze seitens des Bundes im Raum. Glauben Sie noch daran?
Ludwig: Ich glaube nicht nur daran, ich arbeite auch konkret darauf hin. Die für Wien in Aussicht gestellten Millionen werden wir auf jeden Fall abholen. Das ist im Moment von 47 Millionen Euro die Rede. Sollten die anderen Bundesländer ihre Mittel nicht abholen können, wären für Wien 70 Millionen möglich. Die von den Bausozialpartnern ins Spiel gebrachte Wohnbauoffensive ist aus meiner Sicht die Übertragung der Wiener Wohnbauinitiative auf Bundesebene. Wir haben gute Erfahrungen gemacht, haben als Stadt aber auch sehr viel eingebracht. Ich würde mich freuen, wenn unser Modell auch in andere Bundesländer übertragen werden könnte.
Report: Auch in Wien gibt es immer wieder grobe Verstöße gegen das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz. Wie kann sichergestellt werden, dass auf Baustellen, wo mit öffentlichen Geldern gebaut wird, alles mit rechten Dingen zugeht?
Ludwig: Ich führe im Kampf gegen die Schwarzarbeit viele Gespräche mit den Sozialpartnern. Denn das ist eine nicht hinnehmbare Wettbewerbsverzerrung. Deshalb ist die Novelle des Gesetzes mit den Verschärfungen und besseren Kontrollmöglichkeiten absolut zu begrüßen.
Report: Kommen diese Maßnahmen aus Ihrer Sicht auch tatsächlich auf den Baustellen an?
Ludwig: Das Problem ist die große Kreativität der Unternehmen, die Schwarzarbeiter beschäftigen. Aber trotzdem denke ich, dass die Maßnahmen wie etwa die Erhöhung der Verwaltungsstrafen auf bis zu 10.000 Euro sinnvoll und richtig sind.
Report: Ist es vorstellbar, Firmen, die wiederholt gegen das Gesetz verstoßen, von öffentlichen Ausschreibungen auszuschließen?
Ludwig: Da sind uns durch das Vergabegesetz leider die Hände gebunden. Ich persönlich würde das aber sehr befürworten. Aber es ist schon jetzt so, dass wir Firmen, die öfter auffällig geworden sind, mit verstärkten Kontrollen begleiten.
Report: Wie stehen Sie zur Umstellung vom Billigst- auf das Bestbieterprinzip?
Ludwig: Bei uns kommt bereits in vielen Bereichen das Bestbieterprinzip zum Einsatz. Es ist allerdings nicht immer einfach, die Kriterien festzulegen, die neben dem Preis den Ausschlag geben sollen. Und natürlich steigt auch das Risiko für Beeinspruchungen und damit für Bauverzögerungen. Ich weiß aus Erfahrung, dass vieles, was auf dem Papier gut aussieht, in der Umsetzung sehr schwierig sein kann.