Das Bestbieterprinzip verzögert sich zwar noch etwas, aber es kommt. Aktuell wird im Rahmen des Österreichkatalogs an fairen, transparenten Kriterien gearbeitet, die auch für Rechtssicherheit sorgen sollen.
Von Bernd Affenzeller
Seit mehreren Jahrzehnten wird in schöner Regelmäßigkeit über die Abkehr öffentlicher Auftraggeber vom Billigstbieterprinzip diskutiert. »Aber es ist nie etwas Konkretes passiert«, weiß Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister Bau. Richtig Bewegung ist in die Sache erst mit der Gründung der Initiative »Faire Vergaben« im April dieses Jahres gekommen. Vorläufiger Höhepunkt war eine Parlamentsenquete zum Thema am 11. November. Parallel dazu liefen im Hintergrund zahlreiche Gespräche mit Spitzenpolitikern auf Bundes- und Länderebene. »Es wurde uns von allen Seiten bestätigt, dass das Thema wichtig ist«, sagt Frömmel. Wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zum verpflichtenden Bestbieterprinzip war die Entscheidung von ÖBB und Asfinag, vom Billigst- auf das Bestbieterprinzip zu wechseln. Beide Unternehmen haben sich schon im Oktober dazu bekannt, künftig alle Projekte anhand qualitativer Kriterien auszuschreiben. Wesentlich schwieriger gestalten sich die Gespräche mit der Bundesimmobiliengesellschaft, die zumindest teilweise im Wettbewerb mit privaten Unternehmen steht und durch das Bestbieterprinzip einen Nachteil fürchtet. Auch zahlreiche Gemeinden, darunter auch die Gemeinde Wien, und der Städtebund zeigen sich derzeit noch skeptisch. Befürchtet wird neben den höheren Preisen auch eine steigende Komplexität der Ausschreibungen sowie eine größere Angriffsfläche für Beeinspruchungen. Um dies zu verhindern, wird derzeit im Rahmen der Initiative »Faire Vergaben« an einem Kriterienkatalog für das Bestbieterprinzip gearbeitet. Der sogenannte Österreichkatalog umfasst »sozialpartnerschaftlich abgestimmte beispielhafte Muster-Ausschreibungssbestimmungen und Muster-Vertragsbestimmungen, die eine gezielte Auftragsvergabe an seriös kalkulierende Unternehmen und die verstärkte Berücksichtigung von Qualitätsaspekten bei der Vergabe von öffentlichen Bauleistungen« erleichtern soll (siehe Kasten). Dabei versteht sich der Österreichkatalog nicht als starres Regelwerk, sondern als »work in progress«, die von der laufenden Diskussion zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer profitieren soll. Unstrittig bleibt dabei, dass der Preis auch in Zukunft ein wichtiger Aspekt bleiben soll. Experten schätzen eine gesunde Gewichtung auf 60 bis 70 Prozent.
Auf dem Weg ins Parlament
Eigentlich hätte ein erster Entwurf noch vor Weihnachten das Parlament passieren sollen. Dass es hierbei zu Verzögerungen kam, hat laut Josef Muchitsch, Sprecher der Initiative »Faire Vergaben«, ganz profane Gründe. »Es ist uns noch nicht gelungen, alle Auftraggeber mit ins Boot zu holen.« Das ist aber das dezidierte Ziel der Initiative. Konkret spießt es sich an Folgendem: Die Auftraggeber möchten die Auftragsvergabe künftig vor allem über die Eignungskriterien steuern, die Sozialpartner über die Zuschlagskriterien. Hintergrund: Während Eignungskriterien nur empfohlen werden können, können die Zuschlagskriterien verpflichtend gemacht werden. An einer Einigung wird über Weihnachten und Neujahr intensiv gearbeitet. Sollten sich die Auftraggeber uneinsichtig zeigen, bleibt laut Muchitsch nur ein Weg: „Wenn es über Freiwilligkeit nicht geht, muss ein entsprechendes Gesetz verabschiedet werden.“
Österreichkatalog: Mögliche Kriterien für ein Bestbieterprinzip (Auswahl)
Stand: 28. November;
Quelle: Heid Schiefer Rechtsanwälte
- Transparenz- und Prüfpflicht bei Sub- und Subsubvergaben: Ausweitung der Offenlegungspflicht auf das gesamte Sub- und Subsubunternehmernetzwerk, um sicherzustellen, dass dem Auftraggeber alle Personen, die auf einer Baustelle tätig sind, bekannt sind. Denn vor allem im Bereich von Subsubbeauftragungen kommt es häufig zur Verletzung von arbeits- und sozialrechtlichen Mindeststandards.
- Vergabe von Kernleistungen: Kritische Leistungen bei der Bauausführung sollen von der Subunternehmervergabe generell ausgeschlossen sein. Dafür müsste der Auftraggeber alle auftragsspezifischen Kernleistungen nach sachlichen Kriterien definieren und deren Weitergabe an Subunternehmer für unzulässig erklären.
- Eignungskriterien: Der Auftraggeber soll im Zuge der Eignungsprüfung von Bietern die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch die Bekanntgabe von Mindestumsatz und Bonität einfordern.
- Vertiefte Angebotsprüfung: Angebote, die die direkten Kosten nicht vollständig abdecken, sollen von vorneherein ausgeschieden werden. Ein Unterschreiten der Teilkostendeckung soll auch in Ausnahmefällen nicht zulässig sein.
- Einhaltung von arbeis- und sozialrechtlichen Bestimmungen: Generelles Gebot zur Einhaltung der arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen durch die Bieter.
- Zuschlagskriterien: Im Bestbieterprinzip kann der Auftraggeber die einzelnen Kriterien gewichten und damit auch festlegen, welche Rolle der Preis im Verhältnis zu den anderen Zuschlagskriterien spielen soll. Wesentliche Zuschlagskriterien sollen Regionalität (über den Faktor Reaktionszeit) und Qualität (über Umsetzungskonzept, Betriebskonzept und Wirtschaftlichkeitskriterien) sein.
- Lehrlingsausbildung: Die Lehrlingsausbildung kann im Rahmen einer konkreten Ausführungsbedingung berücksichtigt werden. Damit wäre die Verpflichtung zur Lehrlingsausbildung ein Teil des Vertragsinhaltes und eine Nichterfüllung mit einer Vertragsstrafe zu pönalisieren.