Die Bausozialpartner präsentieren in Brüssel die Initiative »Umwelt+Bauen«. Das Modell soll als europäische Benchmark jetzt international Schule machen. Aber kritische Stimmen befürchten, dass Europa noch nicht so weit ist.
Es war ein umfangreiches Programm, das sich die heimischen Bausozialpartner für ihren Besuch in Brüssel verordnet haben. Den Anfang machte eine Pressekonferenz in der Ständigen Vertretung Österreichs bei der Europäischen Union, quasi der »EU-Botschaft« Österreichs. Dann ging es zu einer Lunch-Debatte mit EU-Abgeordneten ins europäische Parlament und schließlich, nach einer kurzen Verschnaufpause, wieder in die Ständige Vertretung zur Podiumsdiskussion mit den beiden EU-Abgeordneten Evelyn Regner und Paul Rübig. Hintergrund der Anstrengung war die Präsentation der gemeinsamen Initiative »Umwelt+Bauen«. Denn wie erfolgreich die Initiative in den letzten Jahren agiert hat, hat sich auch bis nach Brüssel durchgesprochen. Fast wortwörtlich wurden im aktuellen Regierungsprogramm Forderungen der Bau-Sozialpartner übernommen, von der Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung über Maßnahmen zur Senkung der Baukosten bis zur Förderung von seniorengerechtem Bauen und Sanieren. Das Geheimnis dahinter ist eigentlich gar keines, wie Hans-Werner Frömmel, Bundesinnungsmeister für das Baugewerbe, erklärt: »Da steckt kein Geheimnis dahinter, sondern harte Überzeugungsarbeit und Teamwork.« Schon während des Wahlkampfs haben hochkarätige Vertreter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gemeinsame Vorschlägen und Finanzierungsmodelle erarbeitet, die den Koalitionsverhandlern dann präsentiert wurden. Viele dieser Themen mussten dann zwischen Rot und Schwarz gar nicht mehr neu verhandelt werden, weil dies ja auf Gewerkschafts- und Wirtschaftskammerseite schon gemacht wurde. Jetzt sollte dieses Modell als Best Practice für Europa vorgestellt werden.
»Mit unserem gemeinsamen Modell kann die Arbeitslosigkeit wirkungsvoll bekämpft und Wirtschaftswachstum geschaffen werden«, sagt Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz und Sprecher der Gruppe »Umwelt+Bauen«. »Damit dieses Modell auch international Schule macht, wollen wir es jetzt möglichst vielen Entscheidungsträgern auf europäischer Ebene vorstellen.« Allerdings ist das Erfolgsgeheimnis außerhalb der Grenzen Österreichs nicht immer einfach nachzuvollziehen. Schon das österreichische Sozialpartnermodell ruft vielerorts Skepsis hervor, dass Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter dann auch noch Hand in Hand auftreten und gemeinsam dieselben Forderungen an die Politik stellen, sorgte nicht nur bei Bernadette Segol, der Generalsekretärin des europäischen Gewerkschaftsbundes, für Kopfschütteln. Im Rahmen der abendlichen Podiumsdiskussion bezeichnete sie das österreichische Modell zwar als »gutes Beispiel, wie es gehen kann«, international sieht sie ein ähnliches Miteinander aber noch in weiter Ferne. »Auf europäischer Ebene sprechen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in vielerlei Hinsicht leider nicht dieselbe Sprache.«
Hervorragende Benchmark
Großen Anklang fand »Umwelt+Bauen« bei den österreichischen EU-Abgeordneten. Othmar Karas etwa bezeichnete die Initiative als »eine hervorragende Benchmark für europäische Projekte«. Für Karin Kadenbach ist das erarbeitete Strategiepapier der Bausozialpartner ein »Beweis dafür, dass Umweltpolitik und Standortpolitik kein Widerspruch sein müssen«. Und über den von Robert Schmid vom Fachverband Steine-Keramik vorgestellten Sanierungsscheck, mit dem seit 2009 über 70.000 Wohneinheiten thermisch saniert und 11,3 Millionen Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden konnten, sagte Evelyn Regner: »Genau so etwas brauchen wir auch in Europa. Denn mit der aktuellen Sparpolitik steigt auch die Armutsgefährdung. Maßnahmen wie der Sanierungsscheck hingegen führen zu Wachstum.« Von der österreichischen Abgeordneten erhoffen sich die österreichischen Sozialpartner nicht nur, dass ihre Ideen auch auf europäischer Ebene thematisiert werden, sondern auch Unterstützung bei der Umsetzung des österreichischen Regierungsprogramms. Denn dass die Aufnahme der Forderungen der Bausozialpartner in das Koalitionspapier nur ein Etappensieg war, zeigt die unmittelbar nach der Wahl von den Ländern losgetretene Diskussion über die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung. Wurde diese vor der Wahl noch über die Parteigrenzen hinweg außer Streit gestellt, wollen sich die Länder jetzt ihre Zustimmung mit Kompensationszahlungen abkaufen lassen. »Die Regierung darf jetzt nicht vergessen, was im Regierungsprogramm drinnen steht. Wir werden uns auf jeden Fall für die Realisierung der einzelnen Punkte einsetzen«, kündigte Muchitsch an.
Eine erste gute Nachricht gab es unmittelbar nach der Rückkehr aus Brüssel. Denn während bei der Pressekonferenz noch die Zurückhaltung der Regierung in Sachen Handwerkerbonus kritisiert wurde, erfuhren die Bausozialpartner nach der Landung in Wien, dass es zu einer überraschenden Kehrtwendung gekommen ist und der Handwerkerbonus im Tausch mit der Gratiszahnspange nun doch Realität wird.
Fokus Tiefbau
Eine gute Nachricht gibt es auch für die heimischen Tiefbauunternehmen. Nachdem sich die »Umwelt+Bauen«-Gruppe in den letzten Jahren verstärkt um Hochbauaktivitäten gekümmert hat, ist die Sanierung und Erweiterung des niederrangigen Straßennetzes jetzt ein aktueller Lobbying-Schwerpunkt. »Denn das ist teilweise in einem katastrophalen zustand«, weiß Frömmel.