Die Umsetzung eines Bauvorhabens entsprechend der Vision von Bauherr und Architekt erfordert eine präzise Planung und Vorbereitung. Speziell bei Großprojekten kann der Überblick verloren gehen.
Wenn alle zentral an einem Standort sitzen, ist es einfach, an der Kaffeemaschine über ein Bauprojekt zu sprechen, Probleme zu erörtern und auf eine gemeinsame Dokumentenablage zuzugreifen«, betont Unternehmensberater Kurt Grünwald.
Aber bei einem hohen Dezentralisierungsgrad, großen Distanzen und dazu vielleicht auch Mehrsprachigkeit gewinnt das Workflow-Management an Bedeutung. Das reicht dann von Akquisition über Kalkulation, Beschaffung, Projektsteuerung bis zur Gewährleistungsphase, sowohl funktions- als auch organisationsübergreifend. Das Ziel: Automatisierung der betrieblichen Abläufe, einheitliche und steuerbare Prozesse, Termintreue, Transparenz, Nachvollziehbarkeit, geregelte Zugriffsberechtigungen, klare Entscheidungsstrukturen und damit verbunden ein Plus an Produktivität und Profitabilität. Das Abarbeiten der Arbeitsschritte mit einem Workflowsystem steigert auch die Qualität. »Man sieht, in welchem Status der Auftrag ist und wer beteiligt ist. Das ist gerade beim Nachvollziehen von Problemen oder bei einem Rückstau sehr wichtig«, beschreibt Herbert Groiss von Groiss Informatics. Wenn es um große Distanzen geht, verweist Strabag-Vorstandsvorsitzender Thomas Birtel auf das Olympische Dorf in Sotschi. »Großprojekte dieser Art sind heute ohne IT-technische Unterstützung für die Ablaufsteuerung nicht mehr realisierbar.«
In immer kürzerer Zeit und bei enormem Kostendruck muss auf Probleme und Veränderungen im Projektablauf reagiert werden. Informationen müssen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort vorliegen, und das bei einer Vielzahl von Spezialisten, die oft räumlich voneinander getrennt tätig sind. »Unsere MitarbeiterInnen sind immer mehr mit erhöhtem Dokumentationsaufwand durch externe Stellen wie Bauherren und Behörden konfrontiert. Der immer kürzer werdende Produktlebenszyklus der IT-Tools stellt eine enorme Herausforderung dar«, so Birtel. Die Ablauforganisation der Strabag wird daher an vielen Stellen durch Workflow- und Aktivitätenmanagement gesteuert. »Unser Geschäftsprozessmanagement ist in den einzelnen Organisationseinheiten bis zum Vorstand verankert. Die Weiterentwicklung der Tools für die Kernprozesse wird von spartenübergreifenden Gremien gesteuert, die Umsetzung der Prozesse über alle Managementebenen verfolgt.«
Bau-Workflow
Das Thema Workflow-Management (WFM) bestimmt also zunehmend die Baubranche. »Es hat einen entscheidenden Einfluss in der täglichen Arbeit«, bestätigt Markus Anderlik, Geschäftsführer von GZ Engineering. »Immer öfter wird mit einer Vielzahl an Architekten und Planern gearbeitet. Die Klientel ist breit gefächert.«
Aufgrund der immens hohen Informationsflut würde eine Projektsteuerung, zumindest bei größeren Projekten mit mehr als drei Projektmitgliedern ohne internetbasierende Plattformen nicht mehr funktionieren. »Die Verteilung der Information und Nach Verfolgung von Prozessen klappt nur über gemeinsame Projektplattformen«, ist auch Georg Pleva, Projektleiter bei Porr, überzeugt. Eine zeitgemäße IT-Landschaft ist heute also eine Grundvoraussetzung für ein modernes Bauunternehmen. Die Strabag arbeitet überwiegend mit vernetzten Eigenentwicklungen, Internetplattformen und Standardsoftware für den Baubetrieb. »Porr entwickelt gerade ein eigenes System, welches auf Basis von Building Information Modeling die Arbeitsprozesse beginnend in der Kalkulation bis zum Ende der Baustelle abbildet«, berichtet Gernot Wagner, Geschäftsführer Porr Design & Engineering. »Die Darstellung basiert auf 3D-Modellen in Echtzeit, um die Vorgänge auch verständlich darstellen zu können. Der zeit beginnen wir mit ersten Hochbaubaustellen. Ende 2014 soll ein erstes Pilotprojekt im Tiefbau starten.« Zum Einsatz kommt die Plattform thinkproject!. Hier werden alle projektrelevanten Daten zusammengeführt, alle Projektpartner haben zu jeder Zeit und von jedem Ort aus Zugriff. »Wir begleiten Unternehmen von der Baufortschrittdokumentation über Rechnungsprüflauf bis hin zu Nachtrags- und Mängelmanagement sowie Planfreigabe«, informiert Projektleiter Michael Jug. Bei Porr läuft think project! unter dem Namen Promid. 2007 wurde es erstmals bei einem Projekt in Rumänien eingesetzt.
Auch bei Pittel+Brausewetter steht die digitale Führung des Bauaktes an oberster Stelle der Agenden. Die Eingangsrechnungskontrolle wickelt das Unternehmen bereits seit 2009 mit teils IT-unterstütztem Workflow (TQS EDV-Software) ab. »Es bieten sich eine Reihe von Möglichkeiten, standardisierte Vorgänge im Wege eines Workflows abzubilden«, betont Geschäftsführer Wolfgang Fürhauser. »Der Eingangsrechnungsworkflow hat bei vielen Unternehmen große Bedeutung«, zeigt Unternehmensberater Kurt Grünwald auf. Im Vorfeld der Buchhaltung werden die Rechnungen zentral erfasst, digitalisiert, die betroffenen Baumeister können standort- und zeitunabhängig kontrollieren und freigeben.
Kürzer, schneller, besser
Gefragt sind agile Unternehmen mit vernetzten Strukturen, die sich flexibel an wechselnde Anforderungen anpassen können. Vorbei sind die Zeiten, in denen alle Beteiligten an einem Campus saßen und eine gemeinsame, in sich geschlossene Infrastruktur nutzten. Früher erfolgte die unternehmensüber greifende Zusammenarbeit per Post, Telefon, später per Email. Heute braucht es IT-Zahnräder.
Moderne Workflow-Management-Lösungen lassen die Bearbeitung der Projekte schneller und sicherer ablaufen, die Produktqualität wird erhöht und überflüssige Arbeit sowie die gleichzeitige Verwendung von mehreren IT-Lösungen minimiert. Und zwar in jeder Bauweise. Es gibt keine Unterschiede zwischen Fertigteil- und Massiv- bzw. Leichtbauweise. »Die Unterschiede liegen in den Inhalten der Dokumente, nicht in den Prozessen und in der IT«, erklärt Grünwald. »MABA Fertigindustrie arbeitet etwa mit dem Workflow-Management-System von Saperion«, so MA BA-Geschäftsführer Bernhard Rabenreither. Die Vorteile von WFM erkennen die meisten Unternehmen. »Es gibt aber leider noch immer Hürden«, berichtet Roswitha Brandstetter, Geschäftsführerin des Softwareunternehmens Bau-SU. »Es scheitert oft an der Umsetzung. Die Firmen goutieren zwar die Vorteile von WFM, aber sie sind nicht bereit, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Bei einzelnen Schritten funktioniert es, aber nicht in Summe.« Für WFM müssen die Abläufe im Unternehmen detailliert zu Papier gebracht oder EDV-mäßig erfasst werden. Oft scheitert es hier an fehlenden freien Kapazitäten der Mitarbeiter, um die Abläufe zu erfassen. Auch die Änderung im Prozessablauf bildet manchmal eine Hemmschwelle.
Positive Bilanz
»Jeder Mensch arbeitet ein bisschen anders«, gibt Michael Jug zu bedenken. Hier schafft der Automatismus von Workflow-Management Routine und damit Unternehmenserfolg. Pittel+Brausewetter nennt einige Beispiele. Die Rechnungsprüfung hinsichtlich Preis- und Lieferscheinkontrolle erfolgt wesentlich effektiver, da die Bauleiter alle Rechnungen direkt vor Ort prüfen und kontrollieren können. Preisdifferenzen zwischen Vereinbarung und Rechnungslegung werden besser erkannt. Durch die Digitalisierung verringert sich die Prüfdauer, was eine Zeitersparnis für das Personal auf der Baustelle bedeutet. Skontofristen können besser genutzt werden. Auch bei den Mitarbeitern ist die Akzeptanz von WFM groß. »Es vereinfacht die Arbeit. Wenn wir das nicht hätten, müssten wir wieder über Email, Post und die klassische CD, die verschickt wird, kommunizieren«, ist auch Baumeister Anderlik überzeugt. Baumeisterin Renate Scheidenberger von BAUKULTUR erkennt den Vorteil in der IT: »Die EDV und der technische Hintergrund sind eine sehr gute Unterstützung und bilden eine Erleichterung. Auch wir haben bei zwei sehr großen Bauvorhaben bereits mit Workflow-Management gearbeitet. Dadurch war in der Sekunde klar, welchen Status die Daten haben, wer zuletzt an einem Projekt gearbeitet hat und wie die Aufgaben verteilt sind. Das war sensationell.« Sie sieht jedoch nach wie vor den sinnvollsten Ablauf, »wenn alle Beteiligten an einem Tisch sitzen. Das ist zwar oft ein zeitliches Problem. Aber es ist das Effizienteste, wenn Haustechniker, Statiker und Bauphysiker gemeinsam die Themen von sämtlichen Schnittstellen her betrachten und ansprechen.« Wenn jeder für sich seine Wünsche in Projektpläne einzeichnet und diese müssen später wieder revidiert werden, weil sie z.B. statisch nicht machbar sind, werden unnötig viele Meter gemacht. Kommuniziert wird bei WFM auf jeden Fall, wenn auch hie und da auf andere Art.
WFM erfordert die Kommunikation zwischen Anwender und Programmierer. »Die Systeme sind zum Teil noch sehr jung. Feedback ist daher Bestandteil der täglichen Arbeit«, so Markus Anderlik. Auch Pittel+Brausewetter berichten von laufenden Optimierungs- und Erweiterungsvorschlägen der Mitarbeiter an die IT-Partner. »Der Workflow wird somit kontinuierlich weiter entwickelt und an unsere Bedürfnisse angepasst«, betont Fürhauser. Und wie sehen das die Entwickler? »Durch das laufende Feedback können Projekte besser organisiert werden. Wir stehen mit den Kunden permanent in Kontakt«, so Michael Jug von think project!.
Bau im Wandel
Für Renate Scheidenberger hat sich das Tempo im Business enorm gesteigert. »Als ich 1991 meine Karriere gestartet habe, ist gerade das Fax aufgekommen«, erinnert sie sich. »Heute kommt ein Mail. Fünf Minuten später wird erwartet, dass ich es gelesen und die entsprechenden Schritte gesetzt habe.« IT ist für sie sehr unterstützend, es gibt kein Zurück – »auch wenn viele Missverständnisse in der IT-Kommunikation passieren, die in der persönlichen Kommunikation aufgrund Gestik, Mimik und der Möglichkeit der Rückfrage nicht auftreten.« Aber Workflow-Management ist dafür gerüstet ... und die Entwicklung geht weiter.