Oft wird von Revitalisierung gesprochen, gemeint sind aber Sanierung und Umnutzung. Der Bau & Immobilien Report bringt Licht in den Umbaudschungel, zeigt auf, wann sich Revitalisierung rechnet und welche Effekte damit verbunden sind. Von Karin Legat
Revitalisierung ist unter Architekten und Baumeistern noch nicht zu 100 Prozent angekommen. »Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen Sanierung, Umnutzung, Revitalisierung und schlichtweg Modernisierung«, erläutert Christian Hanus, Leiter des Universitätslehrganges Sanierung und Revitalisierung an der Donau-Universität Krems. Unter Sanierung werden technische und konstruktive Maßnahmen zusammengefasst, wie die Erneuerung von Bauteilen, die Wiederinstandsetzung, die Auswechslung wie auch die thermische Sanierung. Umnutzung beschreibt Instandsetzungs- und Umbaumaßnahmen zur Nutzungsanpassung, etwa die Adaptierung von Verkaufs- zu Kinderaufenthaltsräume. Eingriffe in die Bausubstanz sind dabei die Regel. Modernisierung beschreibt z.B. die Installation von Liftanlagen in Innenhöfen von Wohnanlagen. Bei Revitalisierung dagegen wird das Gebäude an neue Nutzungsanforderungen angepasst. »Dabei versagen übliche Baukonzepte. Die Hauptfaktoren sind Zeit und die Erhaltung bestehender Substanz,« definiert Christian Hanus die Grundprinzipien. »Standort und Immobilie müssen analysiert werden, es erfordert Machbarkeitsstudien, Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die Einbindung von Nutzerbedürfnissen, eine ästhetisch und wirtschaftliche Gestaltung und u.a. eine Imageaufwertung. Revitalisierung bedeutet nicht automatisch Sanierung, sie wird von ihr aber sehr oft begleitet.« Ewald Stückler, Geschäftsführer von Tecno Office Consult spricht von einer Analyse der Mikrolage des jeweiligen Gebäudes. »Es gilt ebenfalls zu untersuchen, welche Investitionen zu tätigen und welche Vermietungs- respektive Verkaufspreise zu erzielen sind.«
Alt, neu oder revitalisieren
Die Entscheidung über die Zukunft eines Gebäudes fällt nicht leicht. »Wenn eine fundierte Gebäude- und Marktanalyse ergibt, dass sich das bestehende Gebäude weder vom Achsraster, der lichten Raumhöhe, der Haustechnik und der bestehenden Bausubstanz wirtschaftlich führen lässt, ist ein Abriss oft wirtschaftlich sinnvoller«, zeigt Stückler auf. Bei einer guten Bausubstanz kann z.B. eine sanfte Revitalisierung neues Leben ins Gebäude bringen. »Ein altes Eisenbahndepot kann als Künstleratelier genutzt werden, ein Eisenbahndepot als Eisenbahnmuseum. In diesen Fällen sind kaum Erweiterungs- und Sanierungsarbeiten vonnöten.« Josef Winkler, Bereichsleiter Revitalisierung bei Porr Bau, berichtet von einer Reihe von Förderungen für Revitalisierungen. »Diese sind aber im Einzelfall zu prüfen und von Land und Bezirk unterschiedlich zu betrachten«, bestätigt Stückler. Am häufigsten trifft es Wohnbauförderungen, bei größeren Projekten stehen auch EU-Fördermittel aus zahlreichen Programmlinien (ETZ, URBAN, INTERREG) zur Verfügung. Die Umsetzung der Revitalisierung liegt mit Ausnahme von Großimmobilien wie Bahnhöfen sehr oft in privaten Händen. »Meist handelt es sich um Personen, die einen besonderen Bezug zur Anlage haben und bereit sind, sehr viel Mühe zu investieren, damit die Anlage wieder genutzt wird«, zeigt Hanus auf. »Manchmal muss ich dafür sehr weit gehen und sogar global vernetzt sein«, berichtet er und erzählt von einem Fallbeispiel aus dem Waldviertel. Ein altes Gut in Gföhl mit angrenzendem Reitstall und Beamtenwohnungen war zu einem großen Teil ungenutzt. Die Frage der künftigen Nutzung stand im Raum. Die passende Antwort war bald gefunden. »Natur und Abgeschiedenheit liegen in Gföhl vor der Tür, Unterkünfte waren vorhanden – die Entscheidung fiel auf Hippotherapie. Durch zunehmende Burnout-Prävention ist ein neuer Markt herangewachsen. Die Wohnungen werden jetzt als Patienten-
unterkünfte verwendet.«
Ein klassisches Beispiel für Revitalisierung sind auch das Semper-Depot in Wien, die Gasometer und die Sofiensäle. Dörfer mit einem hohen Anteil an leerstehenden Gebäuden erfahren durch Ortskernrevitalisierung (OKR) neues Leben. »Die qualitätsvolle Sanierung von Bestandsbauten und Infrastrukturen stellt derzeit die zentrale Herausforderung der Bauwirtschaft dar«, erklärt Hanus und berichtet mit einem Schmunzeln von exotischen Revitalisierungsprojekten aus der Schweiz. »Nicht mehr benötigte Trafostationen werden dort zu Wohnbauten umfunktioniert.«
Neues Leben
Zu revitalisierende Gebäude sind zwar oft in die Jahre gekommen, Schwächen zeigt aber in erster Linie nicht die Bausubstanz, sondern die Nutzung.
Fall 1: Ein Badhaus aus dem 15. Jahrhundert verfällt zusehends. Instandsetzungsarbeiten werden abgelehnt, das Haus wird daraufhin verkauft. Der neue Eigentümer revitalisiert das Gebäude zu einem privaten Wohnhaus mit Büroräumen.
Fall 2: Ein Bauernhof wird wirtschaftlich nicht mehr genutzt. Nach einer umfassenden Sanierung bietet er Unterkunft für eine Ausbildungsstätte.
Fall 3: Ein nicht mehr genutztes Pumpwerk wird zu einem Informationszentrum mit Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Seminarmöglichkeiten.
Und schließlich das Beispiel aus Krems: Das Hauptgebäude der Donau-Universität Krems, errichtet als Tabakfabrik Anfang des 20. Jahrhunderts, wurde 1995 zur Bildungsinstitution umfunktioniert. »Wo heute gelernt, gelehrt und geforscht wird, drehten früher fleißige Hände Virginia-Zigarren«, schmunzelt Christian Hanus.
Revitalisierung bedingt aber nicht unbedingt eine Nutzungsänderung. Oft werden Wohngebäude revitalisiert. »Durch die Hebung der Kategorie kann ein Gebäude neu belebt werden«, erklärt er und verweist auf das Beispiel des Kauerhofes in Wien Fünfhaus. Auch Kasernen werden immer öfter zu Wohnanlagen umgenutzt. Diese Wertsteigerung ist heute sehr gefragt und zeitgemäß. »Wien verdankt die regelmäßige Auszeichnung als lebenswerteste Stadt sicherlich auch ihrem verantwortungsbewussten Umgang mit den Traditionen«, zeigt Porr-Bereichsleiter Josef Winkler auf.
Das Leben davor
Wesentlich bei Revitalisierungen ist der Einbezug der Gebäude-Vorgeschichte. »Das wird in der Immobilienbewertung noch immer vollkommen unterschätzt und vernachlässigt und kann zum Problem werden«, warnt Hanus. Interessenten weichen zurück, wenn ein Gebäude z.B. materiell vorbelastet ist (etwa mit Giftstoffen). Auch bei Verbrechen bestehen Vorbehalte. »Die Vorgeschichte muss berücksichtigt werden, sonst kann es zu Fehlinvestitionen kommen. Die Eigentümer müssen mit offenen Karten spielen«, betont Hanus. Es ist bei Revitalisierung ohnehin schon schwer, Investoren zu finden. »Erst die Zukunft weist, ob die Wünsche an die Immobilie Realität werden. Es gibt natürlich Investoren, die sich auf ein Abenteuer einlassen, aber die sind schwer zu finden.«
Qualitätskurve
Heute dreht sich die Bauwirtschaft vorwiegend um die Bestandserhaltung. 90 Prozent des Umsatzes entfallen laut Donau-Uni auf Sanierung, 10 Prozent auf Neubau. Wie viel der 90 Prozent auf Revitalisierung fällt, wird nicht erhoben. Es gibt zwar eine Sanierungsstatistik, der Anteil der Revitalisierung wird aber auch hier nicht erfasst. Abschätzungen sind laut Hanus schwierig. »Revitalisierung ist aber noch in der Minderheit. Der größte Teil der Gebäude behält seine Nutzung. Büros werden als Büros konzipiert und bleiben Büros, Wohnungen werden als Wohnungen konzipiert und bleiben Wohnungen.«