Das Passivhaus hat in den letzuten Monaten die Wogen in Vorarlberg hochgehen lassen. Stein des Anstoßes ist ein Vergleich von Niedrigenergie- und Passivhaus der FH Vorarlberg im Auftrag von Rhomberg Bau. Das Ergebnis hat das Energieinstitut Vorarlberg und die IG Passivhaus auf den Plan gerufen – zur Verteidigung des Passivhauses.
Am Passivhaus scheiden sich die Geister. Was den einen der Weisheit letzter Schluss in Sachen Energieeffizienz ist, ist für die anderen der Inbegriff überbordender Technologisierung und Reglementierung im Wohnbau. Kritische Diskurse zum Thema Passivhaus stehen an der Tagesordnung und beschäftigen die Branche seit Jahren. Besonders tief sind die Hackeln in letzter Zeit in Vorarlberg geflogen. Eine Studie der FH Vorarlberg im Auftrag von Rhomberg Bau, die zu dem Ergebnis kommt, dass der
reale Energieverbrauch in Passivhäusern nur wenig mit den errechneten Werten zu tun hat, hat zu einer ungewöhnlich scharfen Replik des Energieinstituts Vorarlberg und der IG Passivhaus Vorarlberg geführt. Dabei geht die Rhomberg-Studie mit dem
Passivhaus gar nicht so streng ins Gericht,wie die Antworten der Passivhaus-Lobbyisten vermuten lassen. Die Studie bestätigt den hohen Wohnkomfort sowie die gute Raumluftqualität in Passivhäusern, weist aber auch darauf hin, dass das Zusammenspiel
von Technik und Nutzerverhalten den Energieverbrauch stärker beeinflusst als angenommen. Dafür wurden über einen Zeitraum von fast drei Jahren zwei Gebäude des Wohnparks Sandgrubenweg in Bregenz untersucht. Konkret waren das 19 Wohnungen in einem Ökostandard-3-Passivhaus und 21 Wohnungen in einem Ökostandard-2-Niedrigenergiehaus. Vor allem beim Heizwärmeverbrauch weichen die tatsächlichen Verbrauchswerte im Passivhaus von den errechneten Werten massiv ab. Während
beim Niedrigenergiehaus ein Ist-Wert von 38,4 kWh pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2.a) gegenüber den errechneten 36,3 kWh/m2.a gemessen wurde, waren es im Passivhaus 39,9 kWh/m2.a statt der geplanten 9,03 kWh/m2.a. Dass diese Abweichungen
nur wenig mit der Technologiean sich zu tun hat, bestätigt auch Studienautor Guido Kempter. »Die Abweichungen sind nicht ungewöhnlich und liegen vor allem am individuellen Nutzerverhalten der Bewohner.« Dennoch schießt Josef Burtscher, Geschäftsführer
des Energieinstituts Vorarlberg, scharf in Richtung Rhomberg. »Die Untersuchung hält einer fachlichen Überprüfung nicht stand«, kritisiert Burtscher, und verweist auf wissenschaftliche Messungen der 354 Wohnungen im sogenannten Lodenareal in Innsbruck. Dort betrug der Heizenergieverbrauch zwischen Jahresbeginn 2011 und Jahresende 2012 trotz einer hohen durchschnittlichen Raumtemperatur von 23,6 Grad rund 17,47 Kilowattstunden pro Quadratmeter Wohnnutzfläche und Jahr. Daraus folgert Burtscher: »Passivhäuser funktionieren«, fügt aber auch hinzu: »Wenn man es richtig macht.« Nichts anderes behauptet die Rhomberg-Studie. Vielmehr verweist auch Hubert Rhomberg darauf, dass die Technik immer im Zusammenhang mit den Menschen gesehen
werden müsse. Er fordert Politik und Bauwirtschaft gleichermaßen auf, das Bewusstsein zu schärfen und Aufklärungsarbeit zu leisten. »Ansonsten bringt auch die beste Passivhaustechnik nichts und es werden lediglich falsche Erwartungshaltungen geschürt.«
So richtig sauer stoßen dem Energieinstitut und der IG Passivhaus vor allem die abschließenden Schlussfolgerung von Hubert Rhomberg auf. Denn da stellt Rhomberg die Frage, ob eine Optimierung um jeden Preis wirklich sinnvoll ist. »Denn oft müssen für das Ausschöpfen der letzten zehn Prozent des Energieeinsparungspotenzials neben finanziellen Mehrkosten so viele Ressourcen aufgewendet werden, dass der ökologische Rucksack, den wir uns dadurch aufladen würden, in keinem Verhältnis zum Ergebnis
mehr steht.« Und damit wird das Passivhaus als Gesamtkonstrukt in Frage gestellt.