In der Rubrik »Fragen an die Politik« haben Vertreter der Bau- und Immobilienbranche die Möglichkeit, konkrete Fragen an Politiker zu formulieren. In der aktuellen Folge kommen Stephan Heid von Heid Schiefer Rechtsanwälte, und Andreas Gobiet, Präsident des Verbands der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe, zu Wort. Gerichtet wurden beide Fragen an Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner.
Thema: Lebenszykluskosten
Stephan Heid, Heid Schiefer Rechtsanwälte:
»Lebenszyklusorientierte Gebäude gewinnen aufgrund neuer rechtlicher Rahmenbedingungen und veränderter Nutzerbedürfnisse an Bedeutung. Der Markt ist bereit für diese neuen Anforderungen. Entsprechende Modelle wurden etwa im Rahmen der IG Lebenszyklus Hochbau erarbeitet. Der politische Wille, lebenszyklisch geplante Projekte der öffentlichen Hand umzusetzen, fehlt aber. Wir sehen hier vor allem die Kammeralistik und den 5-Jahres-Wahlzyklus als wesentliche Stolpersteine. Wann kommen die Lebenszyklusprojekte der öffentlichen Hand bzw. welche Schritte werden gesetzt, um etwaige Stolpersteine zu beseitigen?«
Reinhold Mitterlehner, Wirtschaftsminister:
»Abgesehen von den historischen Objekten wird der Immobilienbestand im Einflussbereich des Wirtschaftsministeriums seit mehr als 20 Jahren von der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) bewirtschaftet. Ein wesentlicher Grund für die Ausgliederung war die Unabhängigkeit der Bauprojekte von kurzfristigen Betrachtungen. Die BIG hält die von ihr errichteten oder generalsanierten Objekte in der Regel als Eigentümer, weshalb die wirtschaftliche Bewertung der Objekte grundsätzlich langfristig erfolgt. Beim Forschungsprojekt »Haus der Zukunft +« ist die BIG noch einen Schritt weiter gegangen und hat nicht nur die Lebenszykluskosten berücksichtigt, sondern auch Innovationen bei Nachhaltigkeit und Energieeffizienz geschaffen. Unabhängig von Wahlzyklen plant, finanziert und baut die BIG das, was von den Geschäftspartnern bestellt und über lange Zeiträume durch Mieten refinanziert wird.«
Thema: Berufsrecht
Andreas Gobiet, Geschäftsführer Ingenos Gobiet ZT und Präsident VZI (Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe):
»Für die Abwicklung großer Bauvorhaben ist die Gründung von Interdisziplinären Gesellschaften international eine Selbstverständlichkeit. Nur in Österreich ist dies z.B. Ziviltechnik-Gesellschaften verboten und stellt somit einen groben Wettbewerbsnachteil dar. Dieses restriktive Berufsrecht behindert damit einen ganzen Wirtschaftszweig, sich national, wie international den neuen Anforderungen der Märkte stellen zu können und somit wettbewerbsfähig zu bleiben. Wann werden zumindest temporäre Interdisziplinäre Gesellschaften in Österreich zugelassen?«
Reinhold Mitterlehner, Wirtschaftsminister:
»Zum Thema Interdisziplinäre Gesellschaften – also Gesellschaften zwischen freien Berufen untereinander und zwischen freien Berufen und gewerblichen Berufen – hat es in den vergangenen Jahren mehrere Verhandlungsrunden gegeben. Während die gewerbliche Wirtschaft stark an der Etablierung interessiert ist, gibt es vor allem von den Interessenvertretungen der freien Berufe, wie der Rechtsanwälte, zahlreiche Gegenargumente. Daher konnte bisher kein Konsens gefunden werden, um eine rechtliche Basis für Interdisziplinäre Gesellschaften zu schaffen. Da auch innerhalb der gesetzlichen Interessenvertretung der Ziviltechniker, der Bundeskammer für Architekten und Ingenieurkonsulenten (BAIK), keine einheitliche Position vertreten wird*, sondern sogar der Großteil der Mitglieder die mögliche Gründung Interdisziplinärer Gesellschaften kritisch sieht, wurde bisher auch bei den Ziviltechnikern nicht in bestehendes Recht eingegriffen.«
*Anm.d.Red.: Der Verband der Ziviltechniker- und Ingenieurbetriebe hat 43 Mitglieder, davon 31 Ziviltechnikerbetriebe, während in der gesetzlich eingerichteten Interessenvertretung der Architekten und Ingenieurkonsulenten (BAIK) bzw. den Länderkammern rund 7.700 Mitglieder vertreten werden.