Die Donauuni Krems und IFZ Graz haben mit einer Testfamilie das erste CO2-neutrale "Active House" Österreichs wissenschaftlich evaluiert.
Maximale Wohnqualität bei minimalen Auswirkungen auf die Umwelt. Diese Anforderungen sollte Österreichs Beitrag zum Projekt „ModelHome 2020“ – das Sunlighthouse von Velux in Pressbaum (NÖ) – erfüllen und dabei mehr Energie produzieren, als es verbraucht. Wie das möglich ist, und ob sich die Prognosen des wissenschaftlichen Expertenteams mit der Realität decken, wurde ein Jahr lang im Praxistest mit der Familie Dorfstetter überprüft. Gesamtenergieverbrauch, Energieproduktion und Gebäudeautomation des Sunlighthouses standen zwölf Monate lang im Fokus der Experten der Donauuni Krems. Gleichzeitig nahmen sie auch die architektonische Funktionalität, Raumluft und Tageslichtqualität genau unter die Lupe, denn eine gute Energiebilanz allein schafft noch kein Wohlfühlklima für die Bewohner. Deren subjektive Bewertungen, die von den Soziologen des IFZ Graz aufgezeichnet wurden, flossen genauso wie die quantitativen Daten in die Auswertung ein.
Viel Tageslicht mit wenig Temperatur
„Wir befürchteten, dass ein Fensteranteil von über 50 Prozent der Wohnnutzfläche nicht nur viel Tageslicht, sondern auch Hitze ins Haus bringt“, erinnert sich Ludwig Dorfstetter an die Bedenken beim Einzug. Die vielen Fenster waren zentrales Element der Planung: Sie wurden von Architekt Juri Troy gezielt positioniert, um die Belichtung in allen Bereichen des Sunlighthouse zu optimieren. Der hohe Tageslichtanteil wirkt positiv auf die Bewohner ein und ist das Um und Auf für richtigen Wohnkomfort. „Das Sunlighthouse hat unsere Hitzebedenken Tag für Tag widerlegt: Das Innenklima war zu jeder Jahreszeit sehr angenehm“, resümiert die Familie. Die quantitativen Daten unterstreichen diese Eindrücke: Trotz zwei extremer Hitzeperioden stieg die Raumtemperatur nur an sechs Tagen stärker an und lag durchschnittlich bei 24,4° Celsius im Sommer und 21,3° Celsius im Winter. Sehr gut war gleichzeitig die Luftqualität mit einem durchschnittlichen monatlichen CO2-Gehalt zwischen 437 und 797 ppm.
Wie viel Technik braucht das Haus?
Dafür sorgte die Kombination aus bedarfsgerechter Fensterlüftung und einer kontrollierten Wohnraumlüftung, die Teil einer komplexen Haustechnik ist. „Die Steuerung der Gebäudeautomation war anfangs schon eine Herausforderung für uns“, erklärt Yasmin Dorfstetter. „Nach einer Eingewöhnungsphase ist die Handhabung aber rasch klar geworden und wir verstanden, warum etwa die Fenster automatisch aufgehen.“ Neben allen Vorteilen der Technik ist eine individuelle Steuerung für die Bewohner jedoch unverzichtbar, wie Dorfstetter betont: „Zum Wohlfühlen gehörte für uns auch allein der Gedanke, dass wir bei Bedarf selbst regeln können.“
Energieproduktion über Plan
Die komplexe und weitreichende Technik, die in der Testphase zwar wichtige Daten lieferte, wird für künftige Projekte nach dem Active House-Konzept aber kein „must-have“ sein. Sie sorgte nämlich auch beim Energiebedarf für Überraschungen: Er betrug 5,1 kWh/m²a und überschritt damit deutlich den Planwert von 2,5 kWh/m²a. Diesen Mehraufwand kompensierte die Energieproduktion aus erneuerbaren Energien wie Solarthermie und Photovoltaik: Obwohl das Haus auf einem schwierigen, schattigen Grundstück gebaut wurde, fiel diese um 20 Prozent höher als erwartet aus. Gleichzeitig reduzierte sich der Gesamtenergieverbrauch auch dank der ausgezeichneten Energiebilanz der Fenster.
In der Gesamtbewertung erfüllt das Sunlighthouse damit alle Erwartungen: „Heute sehen wir, dass es durchaus möglich ist, nachhaltige Gebäude nach den Active House-Kriterien Komfort, Energieeffizienz und Umwelt zu bauen, nicht nur in der Theorie – auch in der Praxis“, zieht Lone Feifer, Projektleiterin von "VELUX ModelHome 2020", Bilanz.
Die Planung des Pionierprojekts
Neun Architekturbüros lud Velux 2008 zum Wettbewerb für die Planung von Österreichs erstem CO2-neutralem Active House ein, in dem HEIN-TROY Architekten mit ihrem innovativen und architektonisch anspruchsvollen Entwurf überzeugten. Die integrale Planung war schließlich der zentrale Bestandteil des wissenschaftlich begleiteten Projekts: „Nur eine ganzheitliche Betrachtung schafft eine Balance zwischen den manchmal widersprüchlichen Anforderungen an die Energieeffizienz eines Gebäudes und der Tageslicht-Architektur“, erklärt DI Michael Walter, Geschäftsführer Velux Österreich. Da von Beginn an alle Projektbeteiligten gemeinsam Lösungen erarbeitet haben, konnten alle Kriterien für ein perfektes Active House berücksichtigt werden: „Von der Ausrichtung des Baus bis hin zur Positionierung der Fenster und dem Verhältnis von Innen- zu Außenräumen wurde alles detailliert abgestimmt“, erklärt Michael Walter den komplexen Planungsprozess.
Das Sunlighthouse, Österreichs Beitrag zu den europaweit sechs „ModelHomes 2020“ in fünf Klimaregionen, belegt die Vereinbarkeit von Umweltverträglichkeit, Energieeffizienz und Innenraumklima:
- Planung: HEIN-TROY Architekten
- Lage: Pressbaum, westlich von Wien
- Spatenstich: April 2010, Fertigstellung: Oktober 2010
- Bebaute Fläche: 122 m², Wohnnutzfläche: 166 m²
- Beheizte Bruttogrundfläche: 272 m²
- Sole‐Wasser‐Wärmepumpe für Raumheizung und Wasseraufbereitung
- 8 m² Solarkollektoren für Warmwasserbereitung
- 43m² Photovoltaikmodule (backside-contact)
- Kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung plus einer bedarfsgerechten Fensterlüftung
- Diffuslichtversorgung: 3,3 - 7,4 % (Minimum lt. Norm DIN 5034: 0,9 %)
- Raumluftqualität: 437 - 797 ppt CO2-Konzentration
- Innenraumtemperatur: durchschnittlich 21,3 - 24,4° Celsius
- Prognostizierter Energiebedarf: 50,8 kWh/m²a; tatsächlicher Verbrauch: 50,5 kWh/m²a
- Prognostizierte Energieproduktion: 63,1 kWh/m²a; tatsächliche Produktion: 65,5 kWh/m²a