In der Rubrik »Fragen an die Politik« haben Vertreter der Bau- und Immobilienbranche die Möglichkeit, konkrete Fragen an Politiker zu formulieren. In der aktuellen Folge kommen Helmut Oberndorfer, geschäftsführender Gesellschafter der Franz Oberndorfer GmbH &Co KG, und Kurt Karl, Geschäftsführer fischer Austria GmbH, zu Wort. Gerichtet wurden die Fragen an Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Bildungsministerin Claudia Schmied.
Thema: Gesundheitspolitik
Helmut Oberndorfer, geschäftsführender Gesellschafter der Franz Oberndorfer GmbH & Co KG:
»Die Krankenstände in Österreich steigen, das belastet die Unternehmen stark. Seitens der Wirtschaftskammer gibt es Ideen zur Prävention, wie etwa betriebliche Gesundheitsförderung und Entgeltfortzahlung erst ab dem zweiten Krankenstandstag wie z.B. beim schwedischen Modell. Mit welchen Maßnahmen Ihrerseits können die österreichischen Unternehmen rechnen und was halten Sie vom schwedischen Modell?«
Rudolf Hundstorfer, Minister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz:
»Vorweg möchte ich grundsätzlich festhalten, dass die geltende Regelung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall das gemeinsame Ergebnis zahlreicher sozialpartnerschaftlicher Verhandlungen ist und damit auch von der Interessenvertretung der ArbeitgeberInnen mitausverhandelt wurde.
Was Ihre Kritik an der steigenden Anzahl an Krankenstandstagen anbelangt, ist zu bedenken, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer von Krankheit betroffen sein kann und betroffen ist. Dies ist eine nicht weiter zu hinterfragende Tatsache der menschlichen Existenz.
Davon abgesehen besteht volkswirtschaftlich betrachtet ein langjähriger Trend zu einer Verkürzung der durchschnittlichen Dauer der Krankenstände; dieser Trend hat sich insbesondere in den letzten Jahren aufgrund der angespannten Arbeitsmarktlage verstärkt: Zu Beginn der Achtzigerjahre hat die durchschnittliche Dauer eines Krankenstandsfalles noch 16,7 Tagen betragen, im Jahr 2011 nur mehr 10,6 Tage – also um 6 Tage weniger. Die durchschnittliche Krankenstandsdauer war von 2010 auf 2011 weiter rückläufig (von 10,8 Tage auf 10,6 Tage), wie Sie auch den entsprechenden Daten der Statistik Austria und dem Sozialbericht des BMASK 2011–2012 entnehmen können.
Diese statistischen Durchschnittswerte berücksichtigen zudem nicht, dass hier oftmals sehr lange Krankheitsverläufe wegen schwerer Erkrankungen vorliegen, umgekehrt aber ArbeitnehmerInnen oft über Jahre nie im Krankenstand sind. Umfragen und Untersuchungen – wie beispielsweise die Umfrage des Forums Gesundheit der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse aus dem Jahr 2009 – zeigen immer wieder, dass in Österreich in etwa die Hälfte der Beschäftigten bei mindestens einer Erkrankung im Jahr trotz Erkrankung zur Arbeit gehen.
Solche Durchschnittswerte werden auf betrieblicher Ebene für ArbeitgeberInnen weniger von Interesse sein als die tatsächliche Krankheitshäufigkeit der einzelnen MitarbeiterInnen. Der Krankenstand einzelner MitarbeiterInnen wird den ArbeitgeberInnen entweder als nachvollziehbar oder aber als missbräuchlich erscheinen – in beiden Fällen bietet das Arbeitsrecht den ArbeitgeberInnen die Möglichkeit, individuelle, aus deren Sicht notwendige arbeitsvertragsrechtliche Konsequenzen zu ziehen, sodass es allgemein geltender gesetzgeberischer Lösungen wie etwa einer Sperre der Entgeltfortzahlung für einen Tag nicht bedarf. Aus meiner Sicht besteht daher kein Anlass zu Veränderungen im Entgeltfortzahlungsrecht zuungunsten der ArbeitnehmerInnen.
Zu Ihrer Frage nach präventiven Maßnahmen darf ich festhalten, dass es im Rahmen der österreichischen Arbeitsschutzstrategie 2007–2012 ein wichtiges Ziel war, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Krankheiten zu reduzieren, insbesondere Muskel-, Skelett- und psychische Erkrankungen. Dieses Ziel wurde auch in einer gemeinsamen Resolution mit den Sozialpartnern festgehalten. Dementsprechend führt die Arbeitsinspektion seit Jahren wirkungsorientierte Schwerpunktaktionen zur Prävention psychischer Belastungen und Erkrankungen durch. Mit der letzten Novelle zum ArbeitnehmerInnenschutzgesetz wurde die Wichtigkeit der psychischen Gesundheit und der Prävention arbeitsbedingter psychischer Belastungen auch auf gesetzlicher Ebene stärker betont. Die Senkung der Krankenstände durch psychische Fehlbelastungen wird auch in der Arbeitsschutzstrategie 2013–2020 ein wichtiges und prioritäres Thema sein.«
Thema: Bildung
Kurt Karl, Geschäftsführer fischer Austria GmbH:
»In Österreich steht seit Jahrzehnten das sog. Formalwissen im Vordergrund, obgleich die österreichische Industrie zunehmend ›Soft Skills‹ wie Diskussionskultur und soziale Fähigkeiten und weniger auswendig gelerntes Wissen fordert. Schulbildung wird zunehmend standardisiert und die Einhaltung der Standards getestet – nicht Diskutieren, Reflektieren, Schreiben, Denken und Kreativität gefördert.
Sehen Sie als Regierungsmitglied es als Ihr Ziel an, dass das österreichische Schulsystem markt- und bedarfsorientierte Schulabgänger hervorbringt und wie gedenken Sie dies zu erreichen?«
Claudia Schmied, Ministerin für Unterricht, Kunst und Kultur:
»Natürlich stimmt es, dass die heutigen SchülerInnen so ausgebildet werden müssen, dass sie in 20 Jahren die TrägerInnen des Wohlstands in Österreich sein können. Dazu gehört aber nicht nur die ›Marktkonformität‹ von Schulabgängern im rein wirtschaftlichen Sinn. Sie werden mir sicher Recht geben, dass der Reichtum einer Gesellschaft im Sinne der Lebensqualität, die sie den Menschen bietet, sehr eng mit der Qualität der Demokratie im jeweiligen Land zusammenhängt. Deshalb vertrete ich einen ganzheitlichen Ansatz von Bildungspolitik, in dem sich ›Soft Skills‹, Kreativität, soziale, kulturelle und politische Bildung mit einer fundierten Allgemeinbildung und letztlich vor allem in der Sekundarstufe II (Berufsschule, Berufsbildende und Allgemeinbildende Höhere Schulen) mit fachspezifischer Qualifikation ergänzen. Wir wollen die Schule genau in diese Richtung entwickeln und setzen dafür auf Individualisierung, Förderung von Begabungen und fundierte Allgemeinbildung als Basis für die Aneignung von Kompetenzen, was in Summe unsere ArbeitnehmerInnen befähigt, international anerkannte LeistungsträgerInnen zu sein. 58 aktuelle Schulentwicklungsprojekte von der grundlegenden Reform der PädagogInnenbildung bis zur flächendeckenden Umsetzung der Neuen Mittelschule mit ihrer neuen Lehr- und Lernkultur und – ganz aktuell – zur Reform der Polytechnischen Schule als Schnittstelle zwischen Pflichtschule und Berufsbildung zeigen die Richtung auf, in die die Bundesregierung geht. Ohne die von Ihnen kritisierten Standardisierungen ist aber leider keine Vergleichbarkeit und damit keine koordinierte Schulentwicklung nach internationalen Standards möglich. Zum Beispiel werden unsere Bildungsstandard-Testungen international längst als Benchmark für die OECD gesehen, weil sie die Möglichkeiten zur Schulentwicklung in Richtung der von Ihnen vorgeschlagenen Prioritäten mit Fachwissen plus Allgemeinbildung plus ›Soft Skills‹ stark verbessern. Spitzenleistungen brauchen tragfähige Grundkompetenzen. Die Standardüberprüfungen sind nur ein Teil der umfassenden Entwicklungen zur Topqualität der österreichischen Schulen.«