Es ist eine Besonderheit der Bauwirtschaft: Während sich in anderen Branchen die Sozialpartner regelmäßig die Köpfe einschlagen, kommt man in der Bauwirtschaft ganz gut ohne Säbbelrasseln aus. Ohne viel Gedöns und Aufhebens wird gemeinsam an Lösungen im Sinne der Branche gearbeitet. Nach ihren Zielen gefragt, klingen die Antworten des neuen Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Bau-Holz, Josef Muchitsch, und von Bundesinnungsmeister Hans-Werner Frömmel sehr ähnlich: »Sicherung einer bedarfsorientierten Wohnbauförderung, Förderung der thermischen und seniorengerechten Sanierung, Aufrechterhaltung der Infrastrukturinvestitionen oder auch die Zweckbindung der Einnahmen aus dem Emissionshandel.« Berücksichtigung in massentauglichen Publikumsmedien gibt es für so viel Konsens aber nicht. »Müsst’s halt mehr streiten«, lautete der ernst gemeinte Tipp eines Boulevardjournalisten für mehr mediale Aufmerksamkeit.
Den Weg der Auseinandersetzung haben die Bausozialpartner aber lange verlassen. Im Spätherbst 2008, unmittelbar nach Ausbruch der Krise, haben sich die Gewerkschaft Bau-Holz, die Bundesinnung Bau, der Fachverband Steine-Keramik und Global 2000 zu den Baupakt-Partnern zusammengeschlossen. Präsentiert wurde ein Forderungskatalog, um der drohenden Krise entgegenzuwirken. An erster Stelle stand die Forderung nach einer Milliarde Euro für die thermische Sanierung. Zudem wurde ein Vorziehen von Sanierungen öffentlicher Gebäude gefordert, deren Konzepte oft schon in der Schublade lägen, sowie die Schaffung von finanziellen Anreizen für Neubauten im öffentlichen Bereich. Die konkrete Umsetzung der Forderung erwies sich als holprig, aber der Startschuss für eine enge Zusammenarbeit war erfolgt. Es folgten zahlreiche gemeinsame Initiativen, die der Branche dank intensiver Lobbyingarbeit aller Beteiligten wichtige Erfolge bescherten, darunter die Neuauflage der Förderung der Thermischen Sanierung für den Zeitraum 2011 bis 2014, die Verlängerung der Schwellenwerteverordnung oder das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz. Außerdem hat man gemeinsam die Kampagne »Bau auf A« gestartet. Damit sollte vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktöffnung am 1. Mai 2011 das Bewusstsein der Auftraggeber für die Vorteile von Vergaben an heimische Unternehmen aufgezeigt werden. Neben Fragen der Qualität und Gewährleistung sollen damit vor allem Unternehmen aus der Region gestärkt werden. Dass auch die öffentliche Hand mitunter den Verlockungen billiger Angebote aus dem Ausland erliegt, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Bad Radkersburg: Obwohl mit der Verlängerung der Schwellenwerteverordnung Bürgermeister die Möglichkeit haben, zur Stärkung regionaler Unternehmen Aufträge bis zu einer Million Euro nach Angebotseinholung ohne vorherige Ausschreibung direkt zu vergeben, hat Bürgermeister Josef Sommer einen Auftrag in der Höhe von 400.000 Euro an ein slowenisches Unternehmen vergeben. »Es ist für mich unverständlich, dass Radkersburg bei einer beschränkten Ausschreibung überhaupt ein slowenisches Unternehmen zur Anbotslegung eingeladen hat. Österreichische Bauunternehmen wurden in Slowenien noch nie zu einer Anbotslegung eingeladen«, ist Gewerkschafter Muchitsch verärgert und verweist auf über 10.000 arbeitssuchende Bauarbeiter, die nicht wissen, ob sie im Frühjahr wieder einen Job bekommen. »Wir als Bausozialpartner rennen uns dafür die Haxn aus und überzeugen die Bundespolitik, auch in Zukunft regional vergeben zu können. Dann bekommen wir von einem Bürgermeister eine derartige Fehlentscheidung serviert. Das ist regionalpolitische Dummheit auf höchster Ebene. Arbeit, Einkommen, Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Wertschöpfung gehen nach Slowenien. Muss das sein?«, fragt Muchitsch.
>> Schuldenbremse ja, aber sinnvoll <<
Einen weiteren gemeinsamen Vorstoß haben die Baupaktpartner kurz vor Weihnachten gestartet. Angesichts der aktuellen Diskussion um die Schuldenbremse hat die Bauwirtschaft ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, diese mitzutragen. Ein gemeinsam erarbeitetes 7-Punkte-Programm soll der Regierung aber zeigen, dass eine Schuldenbremse nicht zwangsläufig auch eine Beschäftigungs-, Wirtschafts- und Umweltschutzbremse sein muss. Dabei geht es vor allem um die bedarfsgerechte Zweckbindung der Wohnbauförderung, die Aufstockung des Sanierungsschecks auf 300 Millionen Euro jährlich sowie eine Erhöhung der Sanierungsrate von derzeit einem auf drei Prozent. Außerdem mahnen die Baupaktpartner, nicht bei Infrastrukturinvestitionen zu sparen und weiter auf erneuerbare Energien zu setzen. »Die Regierung darf nicht alles der Schuldenminimierung unterordnen. Das gilt vor allem für Investitionen in Wohnbau, Sanierung und Infrastruktur, die für Beschäftigung, Wachstum und soziale Gerechtigkeit sorgen«, so die Baupaktpartner unisono. Dafür werden die Bundesinnung Bau, die Gewerkschaft Bau Holz, der Fachverband Steine-Keramik und Global 2000 auch in Zukunft kämpfen.
>> 7-Punkte-Programm:
Die Vorschläge der Baupaktpartner – Bundesinnung Bau, Gewerkschaft Bau-Holz, Fachverband Steine-Keramik, Global 2000 –, wie mit Zukunftsinvestitionen zur Budgetkonsolidierung beigetragen werden kann.
>> Leistbares Wohnen und Wohnbauförderung: Bedarfsgerechte und zweckgewidmete Zuordnung der Mittel und deren Verwendung für den Wohnbau.
>> Thermische Sanierung – seniorengerechtes Sanieren: Koordinierung zwischen Bund und Ländern zur Ausweitung des Sanierungsschecks auf 300 Millionen Euro jährlich. Dazu Einführung eines Schecks für seniorengerechte Adaptierungen von Bestandswohnungen.
>> Energieeffizienzgesetz: Verankerung einer jährlichen thermischen Sanierungsrate von drei Prozent der öffentlichen Gebäude als Zielvorgabe im Energieeffizienzgesetz.
>> Infrastruktur: Schaffung eines Bundesmobilitätsplans, welcher den öffentlichen Verkehr attraktiviert, statt der Vornahme von umfangreichen Kürzungen.
>> Neue Energien: Beibehaltung und Ausbau aller Programme im Bereich erneuerbarer Energien.
>> Zweckbindung der Einnahmen aus dem Emissionshandel: Die durch den Verkauf von CO2-Zertifikaten lukrierten Mittel müssen in die thermische Sanierung, den öffentlichen Regionalverkehr und die Umstellung auf erneuerbare Energien fließen.
>> Kohäsions- und Strukturfonds der EU: Die Mittel müssen für Innovationsförderung, Verminderung von Emissionen, Entwicklung von Energie-, öffentlichen Verkehrs- und Telekom-Netzen sowie Investitionen in Forschungsinfrastrukturen im Inland optimal genützt und auch Initiativen für die neuen EU-Staaten gesetzt werden, um österreichischen Unternehmen, die Vorreiter im Bereich erneuerbarer Energien sind, Zugang zu geförderten Projekten zu bieten.