In 20 Jahren werden wir interaktiv und von Soziologen betreut im Passivhaus wohnen«, lautete eine zentrale These der Titelgeschichte. Bei der Planung von Wohnbauten würden in Zukunft Experten aus den Sozialwissenschaften ebenso eingebunden werden müssen wie IT-Spezialisten und Umwelttechnologen. Schnellschüsse in der Projektentwicklung würde es laut Wohnbauforschern in der Zukunft nicht mehr geben. Man war zu Beginn des neuen Jahrtausends überzeugt, dass der Wohnbau qualitativ in eine rosige Zukunft steuert. Quantitativ gab es hingegen nur wenig Grund zur Freude.
Damals wie heute sorgte ein kontinuierlicher Rückgang im Wohnbau für Aufregung in der Branche. Der Verband österreichischer Ziegelhersteller fürchtete »eine Halbierung des Wohnbaus innerhalb von nur drei Jahren«, die Vertreter der Gemeinnützigen Bauträger beschworen das Schreckgespenst einer neuen Wohnungsnot. Deutlich mehr Contenance legte das Wifo an den Tag, das »keinen ausufernden Wohnbaubedarf« feststellen konnte. Auch die Forschungsgesellschaft für Bauen, Wohnen und Planen sprach von »normalen Zyklen wirtschaftlicher Prozesse«. Ob Wohnungsnot oder nicht, die Hersteller von Baumaterialien spürten die Rückgänge natürlich und hofften auf neue Bauweise wie Niedrigenergie- und Passivhaus, um den Materialverbrauch anzukurbeln. Mit Erfolg: Dafür bereitete die Vermittlung dessen, was ein Passivhaus ist und wie es richtig genützt wird, erhebliche Schwierigkeiten.
Kampf der Materialien
Damals wie heute sorgten die Vertreter der unterschiedlichen Bauweisen für einen unterhaltsamen Schlagabtausch. Damals wie heute hatte die Frage nach Bauweise und Materialien für die Bewohner aber weit weniger Bedeutung, als manchen lieb ist. Wichtiger sind immer noch Standort, Leistbarkeit und Qualität der Ausführung. »Material egal« hieß folgerichtig die Geschichte, die zeigte, dass es für jedes Material einen Markt gibt, die Grenzen langsam verschwimmen und auch Mischbauten eine Zukunft haben.
Darüber hinaus stellte der Bau & Immobilien Report fest, dass die Massivbauer klammheimlich in die Domäne der Leichtbauer eindringen. Mit massiven Fertighäusern setzten Baumeister die klassischen Fertighaushersteller stark unter Druck. Es folgte eine Pleitewelle, die auch einige Anbieter massiver Fertighäuser mit sich riss. Getroffen hat es vor allem Hersteller, die nur auf das Produkt Fertighaus setzten und die dem stagnierenden Fertighausmarkt bei wachsender Anzahl von Marktteilnehmern nichts entgegenzusetzen hatten.
>> Menschen im Fokus:
In der Rubrik »Menschen« bekam der damalige Wiener Wohnbaustadtrat Werner Faymann sein Fett ab. Unter dem Titel »Der Stoiker« wurde festgestellt, dass sich Faymann zwar über die Wienerberg City tierisch freue, die Frage der Anbindung an den öffentlichen Verkehr ihn aber »cool« lasse. Illustriert wurde der Artikel mit einem zum Titel passenden, aber wenig schmeichelhaften Bild. Was den schon damals als eitel geltenden Stadtrat nicht amüsierte.
Wenig zu lachen hatte im Juli 2001 auch Herbert Ludl. Sinkende Umsätze, sinkende Erträge und politische Angriffe auf die Gemeinnützigkeit machten dem Sozialbau-Chef zu schaffen. »Wenn wir jeden Tag fürchten müssen, dass jemand schlecht schläft und das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz ändert, könnten wir uns den Schritt in den gewerblichen Sektor überlegen«, so ein sichtlich genervter Ludl.
Mit Problemen finanzieller Natur musste sich Carl Hennrich vom Fachverband Steine-Keramik auseinandersetzen. Die Bauinnungen drohten mit einem reduzierten finanziellen Engagement in der Massivkampagne. Wien und die Steiermark drohten mit einem völligen Rückzug aus der Kampagne. Statt etwas mehr als 13 Millionen Schilling sollten ihm plötzlich nur noch 9,5 Millionen zur Verfügung stehen. Hennrich reagierte rasch und trat in Verhandlungen mit den Baustoffhändlern Quester und Hagebau. Auch inhaltlich wurde die Werbestrategie neu ausgerichtet.
>> Im Interview:
Harry Glück, Architekt des Wohnparks Alt Erlaa, sprach anlässlich des 25. Geburtstags der Wohnanlage im Interview mit dem Bau & Immobilien Report im Juli 2001 über die hohe Wohnzufriedenheit in Alt-Erlaa, die Wiener Wohnbaupolitik und sein Ziel, die Natur in die Stadt zurückzuholen.
Die besten Passagen des Interviews:
Report: Alt-Erlaa wird heuer 25. Die Wohnzufriedenheit ist dort noch heute besonders hoch. Worauf führen Sie das zurück?
Harry Glück: Das diesen Bauten zugrundeliegende Konzept könnte man grüne Stadt nennen, das Zurückholen der im 19. Jahrhundert aus der Stadt vertriebenen Natur. Es gibt Beispiele, dass höhere Dichten in verkehrsfreie, parkartige Grünräume eingebettet werden können.
Report: Einen Wohnbau wie Alt-Erlaa hat es in der Größenordnung nachher nicht mehr gegeben. Warum eigentlich nicht?
Glück: Das war nicht gewollt. Und zwar obwohl die Bauten nicht nur an der Spitze in der Akzeptanz, der Zufriedenheit und der Identifikation der Bewohner liegen, sondern obwohl sie auch in der Errichtung und in den Betriebskosten wirtschaftlicher als fast alles andere sind.
Report: Wie unterscheidet sich die damalige Wohnbaupolitik von der heutigen?
Glück: Sie war damals wesentlich liberaler als später. Sie würden Projekte wie Alt-Erlaa heute wegen aller möglichen Vorwände zum Teil nicht mehr bewilligt und auf keinen Fall gefördert bekommen. Man hat sich heute auf etwas festgelegt, was man für den Mainstream hält.