Der Wohnungsneubau ist ordentlich ins Trudeln geraten. Während 2006 noch über 47.000 Wohneinheiten und 2007 über 44.000 Wohneinheiten neu errichtet wurden, waren es 2008 nur noch 40.000 und 2009 nur noch 35.000 Einheiten, Tendenz weiter fallend. Die Gründe dafür sind zum einen global, die Wirtschaftskrise lässt grüßen, zum anderen aber auch hausgemacht. Mit der Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung ist die Abwärtsspirale erst so richtig in Gang gekommen.
Als Fels in der Brandung erweisen sich in turbulenten Zeiten einmal mehr die gemeinnützigen Wohnbauträger. »Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen war die Neubauproduktion der Gemeinnützigen im vergangenen Jahr von Stabilität und Kontinuität geprägt«, erklärt Karl Wurm, Obmann des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen GBV. Und nicht nur das: 2009 haben die Gemeinnützigen mit insgesamt 15.500 Wohnungen sogar um sechs Prozent mehr Einheiten fertiggestellt als 2008. Denn dank einer hohen Eigenkapitalausstattung lassen sich auch in der Krise neue Projekte aufstellen.
Sorgenkind freie Finanzierung
Den großen Einbruch gab es im privaten und frei finanzierten Wohnbau. Investoren haben sich zurückgezogen und die Banken sind in der Finanzierung sehr restriktiv vorgegangen. Das haben nicht nur die Bauträger gespürt, sondern auch potenzielle Käufer. Ein Bauträger, der namentlich nicht genannt werden will, berichtet von einem Wohnprojekt für Jungfamilien, das er im letzten Jahr fertiggestellt hat. Dafür gab es auch jede Menge Interessenten. Eine Wohnung hätte er 16 Mal verkaufen können, wenn nicht 16 Mal die Banken reagiert hätten wie einstmals der Oberste Sowjet: Sie sagten zu allen Nein. Kein Käufer war gut genug, alle Kreditgesuche wurden abgelehnt.
Leichtes Wachstum 2010
Wenn sich die Banken weiter in nobler Zurückhaltung üben – und eine nachhaltige Entspannung ist trotz geringfügiger Lockerung der Kreditklemme noch nicht in Sicht –, steigt die Verantwortung der Gemeinnützigen, das Neubauniveau zumindest zu halten. Und sie scheinen bereit, die Last zu schultern. Denn für 2010 hat eine Erhebung des GBV ergeben, dass mit rund 16.000 Einheiten wieder mit einem leichten Plus zu rechnen ist. Der Anstieg wird wie schon 2009 zu einem Gutteil auf die Komplettierung einiger großer Bauvorhaben in Wien zurückzuführen sein, darunter die Projekte Karree St. Marx, Wilhelmskaserne oder Nordbahnhof. Dazu kommt ein »Leistungshoch« oberösterreichischer und vor allem steirischer Bauvereinigungen. Vor allem in der Steiermark sind die Hoffnungen von Bauträgern und Bauwirtschaft auf ein Anziehen der Baukonjunktur nach der Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung groß. Die Hoffnung ist allerdings trügerisch. Denn wo kein Geld vorhanden ist, spielt auch die Widmung nur eine untergeordnete Rolle. Im steirischen Budget für 2011 fehlen 800 Millionen Euro. Das entspricht rund 20 Prozent des Gesamtbudgets. Die Wohnbauabteilung verfügt laut Abteilungsleiter Siegfried Kristan über ein Budget von 460 Millionen Euro. Davon fließen 220 Millionen in alte Förderungen, 100 Millionen sind für Bankverbindlichkeiten reserviert und 60 Millionen werden als Wohnbeihilfe ausgezahlt. Für die klassische Wohnbauförderung bleiben rund 80 Millionen Euro. »Wenn jetzt im Zuge der Budgetkonsolidierung 20 Prozent eingespart werden müssen, reden wir von 92 Millionen Euro. Dann gibt es keine Wohnbauförderung mehr«, rechnet Kristan vor. Kurzfristig sind von der gesetzlichen Wiederinführung der Zweckbindung also keine Wunderdinge zu erwarten. Dass Oberösterreich und die Steiermark heuer voraussichtlich mit einem Neubauplus von 40 Prozent aufwarten können, ist vor allem auf den Abschluss mehrer größerer Projekte und im Falle der Steiermark auf ein »Abarbeiten« des Ende 2010 auslaufenden Wohnbauprogramms zurückzuführen.
Hohes Bauvolumen, Tendenz fallend
Dass die Gemeinnützigen ihre Bauleistung in Zeiten wirtschaftlicher Turbulenzen nicht eingeschränkt, sondern stabil gehalten haben, wird auch durch das aktuelle Bauvolumen unterstrichen. Zum Jahreswechsel 2009/2010 befanden sich 24.800 Wohnungen in Bau, das sind um drei Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Nach Übergabe von 15.700 Wohnungen heuer und dem Neustart von Projekten sollten Ende 2010 rd. 23.500 Wohnungen in Bau sein.
Für 2011 rechnen aber auch die Gemeinnützigen mit einem Rückgang der Neubauleistung. Obmann Wurm stellt für 2011 rund 14.000 neue Einheiten in Aussicht. Dieser Rückgang der Wohnbauproduktion trifft auf einen nach wie vor hohen Wohnungsbedarf. Es droht eine Verknappung der Wohnungsversorgung, was die Preisspirale nach oben schraubt. Gleichzeitig wird durch Veränderungen am Arbeitsmarkt wie Kurzarbeit, Lohnkürzungen oder Arbeitslosigkeit aufgrund der Krise der Bedarf an leistbaren Wohnungen weiter steigen. »Der krisenbedingte Rückgang des freifinanzierten Wohnbaus muss durch eine Forcierung des geförderten Neubaus aufgefangen bzw. kompensiert werden«, fordert Wurm. Rund 30 Prozent wird der Rückgang des frei finanzierten Neubaus laut Schätzungen 2010 ausmachen. Damit die Gemeinnützigen in die Bresche springen können, hat der Verband drei konkrete Forderungen (siehe Kasten). Neben der Absicherung der gemeinnützigen Eigenkapitalbildung und -bindung und zusätzlicher Finanzierungsimpulse durch Wohnbauanleihen ist dies vor allem die bedarfsgerechte Dotierung der Wohnbauförderungsbudgets in den Ländern. Durch das aktuelle Primat der Budgetkonsolidierung ist die Gefahr groß, dass die Mittel der Wohnbauförderung vor allem zum Stopfen der Budgetlöcher verwendet werden und der Wohnbau durch die Finger schaut. Das würde nicht nur die Deckung des Neubaubedarfs und die angestrebte Steigerung der Sanierungsrate schwächen, sondern auch die Wohnkosten empfindlich erhöhen. So hätte etwa eine Kürzung der Neubau- und Sanierungsförderung um 500 Millionen im Jahr laut einer Arbeiterkammerstudie einen Rückgang um 5.400 Wohnungen und eine Reduktion der Sanierungsinvestitionen um 350 Millionen Euro zur Folge. Bei einem »Umstieg« in der Finanzierung der Errichtungskosten von Wohnbauförderungsdarlehen auf Bankdarlehen würde sich das bei einer durchschnittlich großen Wohnung in einer Mieterhöhung von 277 Euro/Monat niederschlagen.
Die drei Forderungen des GBV:
1. Bedarfsgerechte Dotierung der Wohnbauförderung. 2009 wurden die Zweckzuschüsse des Bundes für den Wohnbau (1,78 Mrd. Euro) in Ertragsanteile an gemeinschaftliche Bundesabgaben umgewandelt. Sie wandern nunmehr ohne Zweckbindung in die Budgets der Länder. Die GBV plädiert für eine bedarfsgerechte Dotierung der für den Wohnbau zur Verfügung stellenden Mittel. Als quantitative Richtgröße sollte dabei das Niveau der Wohnbauförderungsausgaben des Jahres 2008 nicht unterschritten werden.
2. Eigenkapital der Gemeinnützigen absichern. Neben der Wohnbauförderung ist das gemeinnützige Eigenkapital die zweite Quelle billigen Wohnbaugeldes. Die GBV bringen 10 bis 15 Prozent der Gesamtkosten einer Neubauwohnung durch Eigenmittel auf, was zu einer eine Dämpfung der Miete beiträgt. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft schlägt daher zur Stärkung dieser Wohnbaufinanzierungskomponente eine verfassungsrechtliche Absicherung der Bindung und Bildung gemeinnützigen Eigenkapitals vor.
3. Impulse durch Anleihen. Wohnbauanleihen haben sich als eine wichtige Finanzierungskomponente für Neubau und Sanierungen erwiesen. Die Gemeinnützigen sind daher der Auffassung, dass das Modell der Stützung der Anleihen im Wege von Besicherungsmodellen durch die öffentliche Hand forciert werden sollte