"Bei uns geht es in die andere Richtung"
Ende März erfolgte das Closing einer der größten österreichischen Übernahmen im Technologiebereich der letzten Jahre. Durch die Akquisition von Teilen der Netzausrüstersparte der insolventen kanadischen Nortel entwickelt sich ein Wiener Traditionsunternehmen zu einem globalen Player am internationalen GSM-Markt. Kapsch CarrierCom war bislang vor allem in Zentral- und Südosteuropa mit ihrer Follow-the-Customer-Strategie bei dem Kunden mobilkom sowie mit Aufträgen für die Zugfunktechnologie GSM-R erfolgreich. Mit 30 übernommenen Kundenverträgen Nortels, 330 neuen Mitarbeitern und einem großen Entwicklungszentrum in Frankreich sind die Österreicher nun global tätig. Damit löst sich Kapsch CarrierCom aus der Abhängigkeit von ihrem Kunden Nummer eins im Mobilfunk, der mobilkom. Mit der Orange-Gruppe, der Mobilfunksparte der France Telecom, wird das Portolio in Europa um einen weiteren Megakunden erweitert.
Weltweit geht das neue Geschäft bis nach Taiwan, wo der hiesige Incumbent mit GSM-Diensten versorgt wird. Der Name Nortel wird im Laufe der nächste Wochen aus dem Portfolio des Technologielieferanten verschwinden. Kari Kapsch, der in eigener Person die Leitung der KCC erweitert, sieht die Marke Kapsch stark genug, um auch am Weltmarkt zu reüssieren. „Normalerweise werden heimische Unternehmen stets von ausländischen Konzernen übernommen. Bei uns geht’s in die andere Richtung“, erläutert der Eigentümer. „Hier kauft ein österreichisches Unternehmen im Ausland zu.“ Wie bereits die Verkehrstelematik-Schwester TrafficCom soll auch CarrierCom jetzt weltweit wachsen. Dass es nach dem Kauf mehr als nur um den Erhalt der Nortel-Assets geht, beweisen zwei abgeschlossene, millionenschwere Neuaufträge der französischen Bahn und der algerischen Bahn mit Laufzeiten bis 2025.
Im viel versprechenden GSM-R-Geschäft halten die Österreicher mit der Übernahme bei 58 Prozent Marktanteil. Der Mitbewerb ist mit zwei weiteren Playern, Huawei und Nokia Siemens Networks, überschaubar. Die Österreicher wollen hier den Kunden gegenüber flexibler auftreten können, als die Konkurrenz. „Die Bahnen wollen ihre Prozesse in eigenen Applikationen umgesetzt bekommen“, weiß Kari Kapsch.
Ein Börsegang ist derzeit für die CarrierCom nicht angedacht. Die Österreich wollen aber, nachdem Sie die Akquisition innerhalb der nächsten 12 Monate verdaut haben, weiter wachsen. Man könne auf ein „hervorragendes Geschäft blicken“, bestätigt Finanzvorstand Ingolf Planer. Die gesamte Gruppe – TrafficCom, der IT-Dienstleister BusinessCom und CarrierCom – machten zuletzt 530 Mio. Euro Umsatz. Mit der jüngsten Übernahme wird der Umsatzanteil der Netzausrüstertochter CarrierCom auf rund 250 Mio. Euro verdoppelt.