Bei Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip kommt nicht immer der Beste zum Zug. Das liegt auch an einer äußerst strengen Interpretation der Judikatur. Anders als in Deutschland können schon kleinste Formalfehler zum Ausscheiden aus dem Bieterrennen führen. Und Fehler bzw. Mängel gibt es in praktisch jedem Angebot, erklärt Vergaberechtsexpertin Kathrin Hornbanger.
Die Bandbreite an Aufträgen, die öffentlich nach dem Bestbieterprinzip ausgeschrieben werden müssen, ist groß, das Auftragsvolumen mitunter enorm hoch. Speziell in der Baubranche handelt es sich häufig um Aufträge im mehrstelligen Millionenbereich mit Ausschreibungen, die hohe Anforderungen stellen. Dennoch ist die Bewerbungs- bzw. Angebotsfrist bei vielen dieser Aufträge kurz und dauert nur wenige Tage oder Wochen. Die Folge sind nicht selten fehler- oder mangelhafte Angebote, die für den Bieter fatale Folgen haben können. Schon der kleinste Formalfehler führt dazu, dass Angebote vom Auftraggeber ausgeschieden werden müssen. Nachbesserungen sind nur in Ausnahmefällen erlaubt. »Auch bei einem 100-Millionen-Euro-Auftrag bedeutet das Fehlen einer Preisposition im Cent-Bereich das Aus«, erklärt Vergaberechtsexpertin Kathrin Hornbanger.
Anders als etwa in Deutschland gibt es selbst bei kleinsten Fehlern kaum Spielraum. In Deutschland sind Nachforderungen bei unwesentlichen Preispositionen zulässig, wenn dadurch der Wettbewerb nicht beeinträchtigt wird. »Ich finde, es ist höchste Zeit, dass in Österreich auch in diese Richtung gedacht wird«, sagt Hornbanger. Denn die aktuelle juristische Praxis kann dazu führen, dass der eigentliche Bestbieter wegen so eines Formalfehlers nicht beauftragt werden darf – nicht nur zum Schaden des Auftragnehmers, sondern auch zu dem des Auftraggebers.
»Die Judikatur wird in Österreich sehr streng interpretiert. Da muss man sich schon die Frage stellen, ob die gelebte juristische Praxis wirklich sinnvoll ist«, kritisiert sie. Denn »Fehler bzw. Mängel hat praktisch jedes Angebot«, so Hornbanger. Entscheidend für die Beurteilung, wann ein Angebotsmangel zu einer Ausscheidung führt, ist die Verbesserung der Wettbewerbsstellung. »Hier wird meines Erachtens von den Vergabestellen auch überinterpretiert und damit zu streng vorgegangen«, so Hornbanger.
Streng geheim
Nach erfolgter Auftragsvergabe haben die unterlegenen Mitbewerber das Recht, Einspruch zu erheben. »Auch hier gibt es nur einen sehr kurzen Zeitraum – sieben bis zehn Kalendertage für den Einspruch – und ein sehr straff geführtes Nachprüfungsverfahren, wobei bereits der Nachprüfungsantrag alle wesentlichen Rechtswidrigkeiten beinhalten und auch strengen formalen Anforderungen entsprechen muss, um zulässig zu sein«, erklärt Hornbanger.
Beeinsprucht werden kann sowohl die vermeintlich falsche Beurteilung des eigenen Angebots als auch die erfolgte Vergabe an einen Mitbewerber, wenn etwa der Verdacht besteht, dass ein Angebot eigentlich hätte ausgeschieden werden müssen. »Ist man der Meinung, dass der Mitbewerber unterpreisig angeboten hat oder gewisse Qualitätskritierien nicht erfüllt, kann gegen die Zuschlagsentscheidung Einspruch erhoben werden«, so Hornbanger. Handelt es sich nicht um ein offenes Verfahren, erfolgen Einsprüche ziemlich »ins Blaue«, denn im Vergaberecht gilt der Geheimhaltungsgrundsatz. »Man hat keinen Einblick in die Angebote der Mitbewerber, auch im Nachprüfungsverfahren gilt der Geheimhaltungsgrundsatz.«
Hoher Aufwand
Der zeitliche und finanzielle Aufwand eines Nachprüfungsverfahrens ist hoch. Denn meist ist nicht nur eine Rechtsfrage zu klären, sondern mehrere. Zur Pauschalgebühr, die von der Auftragshöhe abhängig ist, kommen auch noch die Rechtsvertretungskosten. »Wenn man überzeugt ist, im Recht zu sein, lohnt sich der Aufwand vor allem bei großen Projekten, bei kleineren Projekten sollte der Schritt genau überlegt sein«, sagt Hornbanger.
Die Vergaberechtsexpertin empfiehlt allen Unternehmen, die sich an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen möchten, gleich von Beginn an rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen: »Der Aufwand für die Erstellung von Angeboten bei öffentlichen Aufträgen ist enorm und die Fehlerquelle ist hoch.« Wichtig sei eine gute Vorbereitung inklusive Vier- oder Sechsaugenprinzip mit Expert*innen aus den Bereichen Recht und Kalkulation. Wenn zudem gleich von Beginn an alles vollständig und wie gefordert mit dem Teilnahmeantrag oder dem Angebot abgegeben wird, habe man deutlich bessere Chancen, eine Ausschreibung für sich zu entscheiden. »Dann muss man auch nicht auf ein Nachprüfungsverfahren zurückgreifen«, so Hornbanger.
Zur Person
Dr. Kathrin Hornbanger gilt als eine der erfahrensten Expertinnen im Vergaberecht, ist seit mehr als zehn Jahren jährlich unter den Top-Jurist*innen im Anwaltsranking und hat Zugriff auf ein internationales Netzwerk hochspezialisierter Jurist*innen und Partner. Ihre Expertise steht nicht nur Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern, sondern auch Anwaltskanzleien zur Verfügung. Kathrin Hornbanger führt ihre eigene auf Vergaberecht spezialisierte Kanzlei seit 2005 in Wien. Sie war zuletzt auch als Counsel für die international tätige Anwaltskanzlei Baker McKenzie in Wien tätig, um ihre internationale Erfahrung noch weiter auszubauen.
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