Im zweiten Teil der Interviewserie zur Nationalratswahl hat der Bau & Immobilien Report die Spitzenkandidat*innen der im Parlament vertretenen Parteien gefragt, wie sie die Verfahrens- und Genehmigungsdauer verkürzen würden, wie sie zu einer Vereinheitlichung der Bauordnungen und Förderlandschaft stehen und wie sie es mit der Baustoffneutralität halten. Eine Entscheidungshilfe für den bevorstehenden Urnengang.
Die lange Verfahrens- und Genehmigungsdauer wird von vielen Branchenvertreter*innen als Bremsklotz gesehen. Welche Schritte würden Sie setzen, um die Bürokratie zu reduzieren und die Verfahren zu beschleunigen?
Karl Nehammer, ÖVP: Unternehmer sollen wieder frei in ihrem Handeln sein – deswegen trete ich mit aller Vehemenz für sinnvollen Bürokratieabbau ein. Viele mit der Verfahrens- und Genehmigungsdauer einhergehenden rechtlichen Rahmenbedingungen liegen in der Länderkompetenz. Aus diesem Grund braucht es Anreize und Möglichkeiten, den Bürokratieabbau in den einzelnen Bundesländern aber auch auf Bundesebene entsprechend voranzutreiben, um schnelle und effiziente Bauverfahren zu ermöglichen.
Andreas Babler, SPÖ: Effiziente Verfahren wie etwa durch das One-Stop-Shop-Prinzip in der Verwaltung sind vorteilhaft und daher zu begrüßen. Sie führen zu kürzeren Verfahrensdauern und -kosten und schaffen Rechtssicherheit. Sie können auch zu einer Entlastung von Behörden führen. Bei jeder Effizienzsteigerung sind jedoch die soziale und ökologische Komponente immer miteinzubeziehen, damit diese nicht auf Kosten der Allgemeinheit, der Umwelt etc. gehen und Schutz- und Qualitätsstandards gewahrt werden.
Herbert Kickl, FPÖ: Bauverfahren sind Ländersache und unterliegen daher nicht der Kompetenz des Bundes. Grundsätzlich stehen wir dafür, Genehmigungsverfahren konzentriert und dadurch rasch abzuwickeln. Es ist dabei auf die berechtigten Interessen der Häuslbauer, wiewohl auch der Nachbarn Rücksicht zu nehmen.
Werner Kogler, Die Grünen: Lange Verfahrensdauern sind mühsam, keine Frage. Sie sind aber nicht zwingend die Schuld der Verwaltung. Viel zu oft wird der Verfahrensablauf etwa auch gebremst, weil beispielsweise Unterlagen fehlerhaft oder unvollständig vorliegen. So oder so: Selbstverständlich sollten bürokratische Hürden immer auf das tatsächlich Notwendige reduziert werden. Dementsprechend stehen wir Gesprächen zum Bürokratieabbau offen gegenüber.
Beate Meinl-Reisinger, Neos: Wir setzen uns für die Digitalisierung aller Verwaltungsprozesse ein, um Anträge online und effizient bearbeiten zu können. Ein One-Stop-Shop-Konzept soll alle behördlichen Abläufe zentralisieren und beschleunigen. Zudem fordern wir verbindliche Fristen für Genehmigungen und die Einführung einer Genehmigungsfiktion, bei der Anträge als genehmigt gelten, wenn die Behörde nicht rechtzeitig entscheidet.
Es gibt in jedem Bundesland eigene Förderprogramme, dazu hat jedes Bundesland seine eigene Bauordnung. Das verkompliziert vieles. Wäre aus Ihrer Sicht eine Vereinheitlichung und eine Bundeszuständigkeit sowohl bei Förderungen als auch der Bauordnung sinnvoll? Wenn ja, wie würden Sie mit dem Widerstand der Länder umgehen?
Nehammer: Nein. Bauordnungen und die damit einhergehenden Vorschriften fallen in die Länderkompetenz und unterliegen dementsprechend der Landesgesetzgebung. Die klare Aufteilung zwischen Kompetenzen des Bundes und der Länder bildet einen elementaren Baustein unseres föderalen Staates. Ein Abweichen von diesen rechtlichen Gegebenheiten stünde im Widerspruch zum bundesstaatlichen Prinzip.
Babler: In den letzten Jahren ist es teilweise bereits gelungen, einheitliche Maßnahmen bei den neun verschiedenen Bauordnungen zu implementieren, zum Teil zum Beispiel via ÖNORMEN. Derartige Verhandlungen sind allerdings schwierig und brauchen dementsprechend Zeit. Eine Bundeszuständigkeit bei den Bauordnungen und den Förderungen sehen wir aktuell nicht als umsetzbar. Diverse Modelle der Entscheidungsfindung und Beteiligungsmöglichkeiten wie etwa Enqueten, Expert*innenkommissionen und ähnliches können aber wichtige Denkanstöße für Reformen in diesen Bereichen liefern.
Kickl: Die FPÖ setzt sich seit Jahren für eine Harmonisierung der neun Länderbauordnungen ein, obgleich wir ebenfalls die regionalen Unterschiede und auch Schwerpunkte für wertvoll halten.
Kogler: Die Verfassung sieht die Zuständigkeit für Wohnbauförderung und Bauen bei den Bundesländern vor, das wird auf absehbare Zeit auch so bleiben. Die Richtlinien des Österreichischen Instituts für Bautechnik (OIB) sind zur Vereinheitlichung der Bauordnungen eingeführt worden und tun ihr Bestes, um Klarheit zu schaffen.
Meinl-Reisinger: Wir NEOS sehen eine Vereinheitlichung der Bauordnung und Förderprogramme, sowie eine Bundeszuständigkeit als dringend notwendig an. Ein einheitlicher Rahmen würde Prozesse vereinfachen, Transparenz schaffen und die Effizienz steigern. Um den Widerstand der Länder zu überwinden, setzen wir auf Dialog und Kooperation. Durch ein Bundesrahmengesetz für Raumordnung sowie verstärkte Informations-, Koordinations- und Kooperationsverpflichtungen wollen wir sicherstellen, dass die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden.
Baustoffe befinden sich in einem harten Wettbewerb. Nachhaltiges Bauen wird stark gefördert, davon profitiert oft Holz, auch wenn andere Baustoffe von sich behaupten, über den gesamten Lebenszyklus nicht weniger nachhaltig zu sein. Soll der Baustoff Holz weiter gefördert werden oder stehen Sie für Baustoffneutralität?
Nehammer: Der Baustoff Holz erfährt derzeit eine starke Förderung, insbesondere durch Initiativen wie die Wohn- und Bauoffensive der Bundesregierung und die Holzinitiative. Mit diesen Maßnahmen will ich Holzbau als nachhaltige Zukunftsbauweise stärken und gleichzeitig wirtschaftliche Impulse mit ökologischer Verantwortung verbinden. Es braucht eine ökologische Transformation im Bauwesen. Auch hier stehen wir für Innovation, welche in allen Baustoffindustrien forciert werden muss im Zuge der Erreichung unserer Klimaziele.
Babler: Holz soll weiter als Baustoff , der CO2 bindet, gefördert werden. Wenn andere Materialien zweifelsfrei nachweisen können, dass sie über deutlich positive Speichereigenschaften und Lebenszyklusbetrachtungen verfügen, können diese gegenüber konventionellen Baustoffen bessergestellt werden.
Kickl: Wie auch zum Thema Energie stehen wir zur Technologieoffenheit, um dem Fortschritt der Technik nicht im Wege zustehen. Verschiedene Materialien haben verschiedene Einsatzberechtigungen und -gebiete. Die Entscheidung, welcher Baustoff für das eigene Gebäude am besten geeignet ist, sollen weiterhin die Häuslbauer und die Professionisten entscheiden können. Eine Gleichmacherei österreichweit sehen wir kontraproduktiv.
Kogler: Holz ist zweifelsohne ein wichtiger Baustoff im klimagerechten Bauen – insbesondere, weil Gebäude aus Holz durch die langfristige Bindung von Kohlenstoff als CO2-Senken fungieren. Zudem verursachen Gebäude aus Holz deutlich weniger CO2 als Häuser aus mineralischen Baustoffen. Eine Förderung ist daher durchaus sinnvoll. Aber auch die Massivbauweise kann bauphysikalische Eigenschaften haben, deren Nutzung als Antwort auf die Klimaerhitzung durchaus interessant ist. Für uns Grüne ist zentral, dass die Nutzungsdauern von Gebäuden deutlich erhöht werden und die dabei genutzte graue Energie auf ein Minimum reduziert wird.
Meinl-Reisinger: Nachhaltiges Bauen wird in Zukunft nur noch wichtiger werden. Die Nachhaltigkeit unterschiedlicher Baustoffe spielt darum zurecht eine Rolle – wobei es auch bei traditionellen Baustoffen Möglichkeiten gibt, die Klimafreundlichkeit zu verbessern. Hersteller von Baustoff en sind darum aufgerufen, sich mit der Nachhaltigkeit ihres Produkts auseinanderzusetzen und diese zu verbessern. Besonders die Möglichkeit, Baustoffe wiederzuverwenden kann die Attraktivität von Baustoffen für zukunftsgerichtetes Bauen maßgeblich verstärken. Als NEOS befürworten wir stets Kostenwahrheit.
Warum sollten Vertreter der Bau- und Immobilienwirtschaft dieses Mal Sie wählen?
Nehammer: Weil wir die einzige Partei sind, die Leistung und Eigentum als wichtige Werte ansieht. Als Volkspartei stehen wir für die Aufrechterhaltung eines starken Wirtschaftsstandorts, die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit, den Wert von Eigentum und vor allem auch den Erhalt von Wohlstand und Sicherheit in Österreich. Durch den Abbau von überbordender Bürokratie genauso wie durch die Neuverhandlung sämtlicher Regulierungen, die zu stark in die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit eingreifen, wollen wir insbesondere auch die Bauwirtschaft unterstützen.
Babler: Vertreter*innen der Bau- und Immobilienwirtschaft haben zahlreiche Gründe, bei der Nationalratswahl SPÖ zu wählen. Einer davon ist die Stärkung der Arbeitnehmer*innenrechte: Faire Arbeitsbedingungen und Bezahlung sind sozialdemokratische Kernanliegen und führen zu einer stabilen und zufriedenen Belegschaft. In einer Branche, die stark von gut ausgebildeten und motivierten Arbeitskräften in unterschiedlichen Berufen und Tätigkeitsfeldern lebt, sind soziale Maßnahmen und Standortqualität von großem Wert. Auch Investitionen in die Infrastruktur sind ein zentrales Element unserer Politik. Die SPÖ unterstützt Infrastrukturprojekte, die Chancen für Unternehmen in der Bau- und Immobilienbranche bieten. Nachhaltigkeit und Innovation sind für uns wichtig und wir setzen Initiativen zur Förderung energieeffizienten Bauens und Renovierens.
Kickl: Durch unzählige Gesetzesinitiativen hat die FPÖ ihre Kompetenz im Wohnbau bewiesen. Höhepunkte waren sicherlich die Abschaffung der Mietvertragsgebühr sowie die WGG-Novelle 2019. In der neuen Legislaturperiode werden wir weiterhin darauf pochen, dass die Schaffung von Wohnraum wieder einer beschleunigten AfA unterliegt, Wohnraum zuerst an Österreicher vergeben und ein Heraussanieren aus dem Richtwert möglich wird. Im Bereich des Gemeinnützigen Wohnbaus werden wir die Nichtindexierung des Erhaltungs- und Verbesserungsbeitrags (EVB) zurücknehmen und die freiwerdenden Mittel in die Neuschaffung leistbaren Wohnraums umschichten. Klimapolitische Maßnahmen sollen auch aus klimapolitischen Budgets finanziert werden und nicht aus der Wohnbauförderung.
Kogler: Weil unsere Sanierungspläne ein echter Motor für die Baukonjunktur der nächsten 20 Jahre sein werden! Und die dabei genutzte graue Energie auf ein Minimum reduziert wird.
Meinl-Reisinger: Wir setzen uns glaubwürdig und konsequent für Entbürokratisierung und Entlastung ein, während den Altparteien die Energie fehlt und sie seit Jahrzehnten nur leere Entbürokratisierungsversprechungen geben und für eine Rekordabgabenquote verantwortlich sind. Zudem blockieren sie zugleich wichtige Harmonisierungsvorhaben z. B. bei den Bauordnungen. NEOS stehen für eine effi ziente und transparente Verwaltung sowie für die Vereinheitlichung der Baubestimmungen, um die Wirtschaft zu stärken. Andere Parteien fördern entweder mehr Bürokratie oder Protektionismus, beides schadet der österreichischen Wirtschaft. Es braucht endlich mutige Reformen im Sinne eines wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandortes.