BIM, KI, VR/AR, IoT, Robotik, Blockchain – die Vielzahl an Technologien auf digitalen Baustellen trägt zu deutlicher Qualitätssteigerung und mehr Effizienz bei. Forschungseinrichtungen sehen noch viel Entwicklungsbedarf.
Digitalisierung dominiert heute das Leben – beruflich wie privat. Laut Wissenschafter*innen wird sie besonders in den kommenden Jahren die Baubranche prägen. Autonome Maschinen, egal ob humanoide Roboter oder selbständig agierende Baufahrzeuge, versprechen mehr Effizienz. »Wie man Robotik verstärkt einsetzen kann, ist bei uns ein wichtiges Thema, auch wie man die Kommunikationstechnologie zwischen Robotern oder zum Roboter verbessern kann«, informiert Harald Urban vom Forschungsbereich Digitaler Bauprozess an der TU Wien. Es gebe Versuche, dass der Roboter autonom Baustellen begeht und scannt. »Das ist aber noch Zukunftsmusik.« Das Thema KI sei dagegen in aller Munde. Internet of Things (IoT) ermöglicht die Auswertung der immer umfassenderen Datensätze, BIM die virtuelle Modellierung eines Gebäudes, ebenso die digitale Darstellung der physischen und funktionalen Eigenschaften des Objekts. Drohnen haben sich als fliegende Helfer am Bau etabliert, zum Beispiel für die automatische Erfassung von Bauschäden und Baustellenaufnahmen. Laut Schätzungen verwenden inzwischen rund 20 Prozent der Bauunternehmen Drohnen.
Unter den neuen Technologien, die in Architektur und Bauwesen Anwendung finden, ist auch die Virtuelle Realität. Sie schafft eine »reale« Welt in der digitalen: mit Fotos, Renderings und 360-Grad-Videos. Eine erfolgreiche Zukunft wird generell dem 3D-Druck von Beton prognostiziert. Digitale Zwillinge sind virtuelle Kopien physischer Objekte, von einzelnen Gebäuden bis hin zu ganzen Städten. Diese Technologie geht Hand in Hand mit BIM – allerdings ändert sich der dynamische digitale Zwilling im Laufe der Zeit. »Ein zentrales Ziel des Digitalisierungsprozesses ist es, die Rolle und Fähigkeiten des Menschen durch technologische Unterstützung zu stärken«, merkt Christian Hofstadler, Leiter der Arbeitsgruppe Chancen-Risikomanagement und Digitalisierung an der TU Graz an. »Beispielsweise können die Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter*innen durch den Einsatz von ergonomischen Wearables und AR/VR-Technologien verbessert werden.« Gefahrenzonen können visualisiert und Sicherheitsmaßnahmen vorab simuliert werden. Sensoren und IoT ermöglichen die kontinuierliche Überwachung des Energieverbrauchs und der Umweltauswirkungen von Bauvorhaben. »Diese Daten helfen dabei, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen und die langfristige Umweltverträglichkeit der Bauwerke zu gewährleisten, wodurch ein wesentlicher Beitrag zum Ziel der Klimaneutralität geleistet wird«, so Hofstadler.
Bild: »„Ein zentrales Ziel des Digitalisierungsprozesses ist es, die Rolle und Fähigkeiten des Menschen durch technologische Unterstützung zu stärken«, sagt Prof. Christian Hofstadler, Leiter der Arbeitsgruppe Chancen-Risikomanagement und Digitalisierung an der TU Graz.
Bild: Häuser aus dem 3D-Drucker, Robotik, KI und Big Data sind keine Zukunftsszenarien mehr – aber auch noch nicht Alltag in der Baulandschaft. (Im Bild: Tom Kaden, Institut für Architekturtechnologie an der TU Graz, bei einem Vortrag vor der digitalen Abbildung eines Gebäudes.)
Festhalten am Status quo
Die digitale Baustelle lässt sich produktiver, effizienter und qualitätsvoller erledigen. Darin sind sich alle einig. Trotzdem sehen einige für sich keinen Bedarf – sei es aufgrund der bestehenden Auftragslage oder der Herausforderungen, die Digitalisierung mit sich bringt. »Ich erlebe oft genug, dass man sich letztlich als Handwerksbetrieb sieht, bei dem Digitalisierung nur einen geringen Nutzen stiftet«, berichtet Erich Kremsmair, Leiter des Lehrgangs MBA-Bauwirtschaft an der Universität für Weiterbildung Krems. Zudem sei jedes Gebäude ein Unikat, jedes Mal werde alles neu zusammengestellt. »Viele glauben, dass Digitalisierung dann wenig weiterhilft.« Laut Technologiereport 2024 erfordert der Einsatz neuer Technologien generell einen aufwendigen Kompetenzaufbau, Fachpersonal und eine aufwendige Implementierung in Unternehmensprozesse. Kleine und mittlere Betriebe setzen digitale Werkzeuge und neue Lösungen zwar ein, jedoch oftmals ohne ausreichende Analyse der eigenen Prozesse und internen Anforderungen sowie ohne begleitenden Schulungsplan für die Mitarbeiter*innen. Insgesamt zeigt sich aber laut dem Innovationslabor Digital Findet Stadt, das den Technologiereport heuer zum zweiten Mal publiziert, dass die österreichische Bauwirtschaft auf dem Weg ist, disruptive Technologien verstärkt zu nutzen (Link).
Alfred Waschl, Geschäftsführer von buildingSMART, legt spezielles Gewicht auf Datendurchgängigkeit. »Alles muss über den ganzen Weg maschinenlesbar sein, sonst hat Digitalisierung nur einen teilrichtigen Aspekt«, stellt er fest. Es brauche Datenstandards, denn Daten haben einen Wert. Die Zertifizierung sei gerade die größte Baustelle, die zu bearbeiten ist. Dazu kommt die Möglichkeit der digitalen Baueinreichung, die längst noch nicht überall möglich ist. »50 Prozent der Zeit der Baueinreichung wird damit vertan, dass man dem Einreicher signalisiert, dass Unterlagen nicht vollständig sind. Das ist völlig unproduktiv«, kritisiert Waschl.
Bild: »Nachhaltigkeitsberechnungen oder Logistiklösungen müssen in wenigen Minuten erstellt werden. Normale Rechner schaffen das in so kurzer Zeit nicht. Der Quantencomputer wird kommen – in fünf, acht, zehn Jahren«, ist Alfred Waschl überzeugt. Ein leistungsfähiger Quantencomputer steht bereits in München.
Hintergrund: Forschungsrundschau
1. TU Wien
»BIM befand sich jahrelang mit Pilotprojekten im Versuchsstadium«, informiert Christian Schranz, Leiter des Forschungsbereichs Digitaler Bauprozess an der TU Wien. Derzeit werde es stark vorangetrieben. Als Beispiel nennt er die Bundesimmobiliengesellschaft, die in Zukunft alle Projekte über BIM abwickeln möchte. Das österreichische Normungsinstitut hat Ende 2023 ein eigenes Komitee 273 »BIM« gegründet.
2. Uni Krems
»Wir arbeiten stark mit der Zukunftsagentur Bau, der ZAB, zusammen«, betont Erich Kremsmair, Leiter des Lehrgangs MBA-Bauwirtschaft an der Universität für Weiterbildung Krems. Ein Schwerpunkt dabei ist Digitalisierung & Innovation. Als aktuelle Projekte nennt er die Erfassung des Digitalisierungsgrads bei KMU, die Rolle von KI für Klein- und Mittelbetriebe sowie die Erstellung von Unterlagen für Bauunternehmen, um diese an die Digitalisierungswelle heranzuführen.
3. TU Graz
Das Projekt DIGICOPRO ist ein multisensorales Überwachungs- sowie Steuerungssystem für Betonierprozesse. Das Projekt PreMainSHM hebt präventives Bauwerksmonitoring auf eine neue Ebene vernetzter Systeme. BEYOND steht für eine VR-Simulation, die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Baumaßnahmen in Echtzeit sichtbar macht und damit energieeffiziente Gebäude zu realistischen Kosten ermöglicht.
4. Uni Innsbruck
Hauptthema an der Universität Innsbruck ist der Digitale Zwilling. »Oft werden BIM und Digitaler Zwilling gleichgesetzt, das ist aber nicht korrekt«, informiert Georg Fröch vom Entwicklungszentrum für digitale Innovation, DIGIT, Arbeitsbereich für Baumanagement, Baubetrieb und Tunnelbau. BIM trägt zu einer engeren und transparenteren Zusammenarbeit zwischen den Projektbeteiligten bei. Der Digitale Zwilling stellt eine Weiterentwicklung dieser Technologien dar.
Steigerung des digitalen Reifegrads
Der Bau & Immobilien Report hat Georg Fröch, Universität Innsbruck, gefragt, wie Bauunternehmen zu unterstützen sind, um sich verstärkt in die Digitalisierung zu bewegen. »Es braucht eine gewisse Niederschwelligkeit. KMU oder Subunternehmer haben nicht die Zeit, ein kompliziertes, teures Softwaresystem zu implementieren.« Er verweist auf die Plattform Common Data Environment. Diese ist zentral, ermöglicht allen Beteiligten, Informationen zu sammeln, zu verwalten und auszutauschen. Die Speicherung erfolgt cloudbasiert.