Mittwoch, November 20, 2024
"Benko hatte auch oft Recht"
»Der Vorwurf der Überbewertung ist im Nachhinein leicht erhoben, aber gerade René Benko hat bei sehr vielen Immobilien Potenzial gesehen, das andere nicht gesehen haben. Und damit auch sehr oft recht behalten hat«, sagt Sandra Hochleitner.

Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht Sandra Hochleitner, Geschäftsführerin RESH Advisory, ausführlich über das Thema Immobilienbewertung und die Pleite der Signa. Außerdem erklärt sie, warum sie nicht mehr an Büroimmobilien glaubt und welchen Rat sie an Investoren hat.

Das alles überragende Thema am heimischen Immobilienmarkt ist die Pleite der Signa. Wie sehen Sie als interessierte Beobachterin die Vorgänge rund um die Signa?
Sandra Hochleitner: Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass die vielen Fachleute in den verschiedenen Gremien und die Investoren die Schieflage nicht früher erkannt haben.
Ich hatte persönlich das Glück oder das Pech, dass ich keine Bewertungen für die Signa durchgeführt habe (lacht). Ein zentrales Thema war der Vorwurf der Überbewertungen, ein Vorwurf, der im Nachhinein leicht erhoben ist. Gerade bei René Benko muss man sagen, dass er bei sehr vielen Immobilien Potenzial gesehen hat, das andere nicht gesehen haben. Und damit auch sehr oft recht behalten hat. Das sieht man etwa am Goldenen Quartier in Wien. Aber natürlich kann es auch mal sein, dass eine Einschätzung nicht aufgeht.

Wie sehen Sie die Bewertungspraxis der Signa, bei der es unmittelbar nach dem Kauf einer Immobilie zu deutlichen Aufwertungen gekommen ist? Ist das aus Ihrer Sicht nachvollziehbar?
Hochleitner: Das ist aus der Ferne schwer zu beurteilen. Wir Bewerter sind angehalten, den highest und best Use zu bewerten. Ob die Immobilien davor unterbewertet waren oder ob Benko auch dank seiner guten Kontakte in alle Bereiche, auch zu potenziellen Mietern, davon ausgegangen ist, immer mehr aus einer Immobilie rauszuholen, kann ich nicht sagen, weil ich die Bewertungen nicht kenne.

Die Signa-Pleite hat das Thema Immobilienbewertung in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Ist die Arbeit dadurch schwerer geworden, werden die Bewertungen kritischer hinterfragt?
Hochleitner: Nein, meine Arbeit wurde dadurch nicht erschwert. Kritisch hinterfragt werden die Bewertungen schon seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008. Es ist unsere Aufgabe, die Annahmen nachvollziehbar darzustellen. Wir müssen Annahmen treffen. Wir können nur einschätzen, wie sich Mieten entwickeln. Wissen tut das niemand. Das hat Corona eindrucksvoll bewiesen. Ganz wichtig ist, immer im Gespräch mit den wichtigsten Stakeholdern zu bleiben und das Ohr ganz nah am Markt zu haben.

Es gibt sicher auch Eigentümer, die viel Phantasie haben, was das Potenzial einer Immobilie anbelangt. Wie oft wird sanfter Druck ausgeübt, eine Immobilie höher zu bewerten?
Hochleitner: Das kommt natürlich vor, gerade bei privaten Immobilien. Es gibt Bewertungsbandbreiten, aber es ist auch meine Verantwortung, dass ich das, was ich in ein Gutachten schreibe, auch vertreten kann. Dafür hafte ich auch. Ich beuge mich nicht dem Druck des Kunden, nur weil der irgendeine Idee oder Phantasie hat. Vielleicht findet man einen Liebhaber, der bereit ist, den höheren Preis zu zahlen. Wir müssen aber den Markt bewerten und nicht etwaige Spekulationen berücksichtigen.

Wie ungewöhnlich ist es für Sie, wenn ein Gebäude wie das »Meinl am Graben«-Haus, das intern nur mit 50 Millionen Euro bewertet gewesen sein soll um 80 Millionen von der Wiener Ärztekammer gekauft wird?
Hochleitner: Das ist schwer zu sagen. Ich kenne die Beweggründe dahinter nicht. Die Bewertung sollte eigentlich den Markt abbilden. Aber die Ärztekammer ist sehr eigenkapitalstark und legt offensichtlich wert auf prestigeträchtige Lagen. Das haben auch andere Transaktionen gezeigt. Ganz nachvollziehen kann ich es aber nicht, denn die Transaktion müsste ja auch ein Investment sein.

In welchen Assetklassen sehen Sie das größte Potenzial?
Hochleitner: An Büroimmobilien glaub ich nicht mehr uneingeschränkt. Remote Working wird immer mehr. Man braucht Flexibilität und nicht mehr diesen einen Bürostandort. Auch Sonderimmobilien braucht man nicht zwingend. Wohnen hingegen wird man immer müssen, auch in schlechten Zeiten.

Aber auch beim Wohnen ändern sich die Anforderungen. Einerseits gibt es den Trend zu kleineren Einheiten, andererseits benötigt man nicht zuletzt durch das angesprochene Remote Working und Homeoffice mehr Platz. Das macht es für Entwickler sehr schwierig.
Hochleitner: Deshalb ist es so wichtig, flexibel zu bauen, auch bei Wohnungen. Etwa, indem man Räume abtrennen kann, mit einem eigenen Eingang, oder die Räume einer anderen Wohnung hinzufügen kann. Auch aus dem Nachhaltigkeitsaspekt heraus, muss das Ziel eine möglichst lange Nutzung von Immobilien sein.

Wie wird sich der Immobilienmarkt im restlichen Jahr 2024 entwickeln?
Hochleitner: Ich war sehr optimistisch und hatte große Hoffnungen in die Zinssenkungen gesetzt. Ich wünsche es mir immer noch, habe aber das Gefühl, dass es noch dauern wird. Die Rahmenbedingungen für die Bau- und Immobilienwirtschaft sind einfach nicht gut. Die Baukosten sind nicht gesunken, dazu kommen steigende Löhne. Der Markt wird durch eine Zinssenkung von 25 Basispunkten nicht angekurbelt. Daran wird sich in diesem Jahr auch nichts mehr ändern.

Wie sieht es am Transaktionsmarkt aus?
Hochleitner: Eigenkapitallastige Investoren, die auf Sicherheit bedacht sind, kaufen auch jetzt. Aber sonst tut sich nicht viel. Immobilien leiden auch unter den Alternativen. Anleihen zahlen sich wieder aus. Selbst aufs Tagesgeld gibt es Zinsen.

Hat sich die Branche darauf vorbereitet, dass es nicht immer eine Nullzinspolitik geben wird oder ist man davon ausgegangen, dass es ewig so weitergehen wird?
Hochleitner: Mein Eindruck war, man hat gehofft, dass es ewig so weitergehen wird. Man hat das eine Projekt besichert, um das nächste errichten zu können. Es gab sicher auch viele Marktteilnehmer, die das erkannt haben. Aber es wollte anscheinend auch niemand der Erste oder Einzige sein, der auf die Bremse steigt. In gewisser Weise haben wir in den letzten Jahren ja bereits auf den Crash gewartet. Dabei ist es ja noch gar nicht zu einem großen Preisverfall gekommen. Aber die Verkäufer wollen auch den geringen Rückgang nicht akzeptieren. Gerade bei Wohnungen herrscht die Meinung vor, warum sollte man jetzt billiger verkaufen, wenn eh nichts nachproduziert wird.

Was raten Sie aktuell institutionellen Investoren?
Hochleitner: Immobilien, die ihnen angeboten werden, sind genau zu prüfen, vor allem hinsichtlich Nachhaltigkeit und Taxonomie-Kriterien. Internationale Investoren und auch Mieter schauen da ganz genau hin. Da kommt in Zukunft noch einiges auf uns zu.

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