Mittwoch, Juli 03, 2024
ECI – Chancen im Vergaberecht
Bild: iStock

Early Contractor Involvement (ECI) könnte in Zukunft vermehrt in den Fokus öffentlicher Auftraggeber gelangen, um die Beschaffung und Abwicklung öffentlicher Aufträge effizienter und effektiver zu gestalten. Ein Kommentar von Rechtsanwalt Mathias Ilg.


Rechtlicher Rahmen des Vergabeverfahrens
Beim ECI soll das ausführende Unternehmen frühzeitig bereits in der Planungsphase mitwirken. Das Kredo beim ECI ist eine Aufweichung der »traditionellen« werkvertraglichen Sphärenverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und eine Projektrealisierung nach dem »Best for the project«-Gedanken. Das ECI bietet sich wohl insbesondere bei öffentlichen Großprojekten und Infrastrukturprojekten an.

Die Beschaffung von Leistungen im öffentlichen Bereich unterliegt dem BVergG 2018. Für öffentliche Vergaben – so auch bei der Vergabe eines ECI – gelten die Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung aller Bewerber und Bieter, der Transparenz, der Vergabe an geeignete Unternehmer sowie der Wirtschaftlichkeit. Für die Ausschreibung eines ECI eignen sich wohl vor allem die Vergabeverfahren des Verhandlungsverfahrens, des wettbewerblichen Dialogs und der Innovationspartnerschaft, da diese Verfahren die notwendige Flexibilität bieten, um Auftragnehmer frühzeitig in die Planung des Bauvorhabens einzubinden.

Ein typischer Ablauf mit Kompetenzwettbewerb kann wie folgt beschrieben werden:

- Auswahlphase: Der Auftraggeber definiert die Ziele, etwa anhand einer funktionalen Leistungsbeschreibung, sowie einen Kompetenzwettbewerb zur Auswahl geeigneter Auftragnehmer.

- Vorvertragsphase: Der Auftraggeber schließt mit dem näher in Betracht kommenden Auftragnehmer ein Vorvertrag über die Realisierung des vordefinierten Projekts. Darauf folgt die (gemeinsame) Entwurfsplanung, Kalkulation und Optimierung, Festlegung des Bau-Soll und ein finales Angebot. Sofern vereinbart, könnte der Vorvertrag in der Folge optional beendet werden.

- Ausführungsphase: Regelmäßig folgt auf die Vorvertragsphase aber der Abschluss des Bauvertrags, der die Ausführungsplanung, die Bauausführung und am Ende die Fertigstellung und Übergabe umfasst.

Herausforderungen
Das ECI steht in einem Spannungsfeld zum Vergaberecht. Ziel des Vergabeverfahrens ist es, dass der Auftraggeber durch Wettbewerb der Angebote bestmögliche Leistungen erhält. Eine Vergleichbarkeit der Angebote setzt aber eine möglichst genau spezifizierte Leistung voraus, um detaillierte Angebote zu erhalten; dem Wettbewerb sollen daher so konkrete Vorgaben wie möglich zugrunde liegen. Beim ECI wird der Wettbewerb aber in einem frühen Stadium nach der Auswahlphase beendet. Der Auftraggeber sucht sich hier anhand unternehmensorientierter Kriterien frühzeitig einen Partner zur Projektvorbereitung und -umsetzung.

Eine direkte und vollumfassende Vergabe in der Form, dass ein Unternehmer zunächst nur zur gemeinsamen Entwicklung des Bauvorhabens gesucht wird (Projektbestimmung) und im Fall einer erfolgreichen Umsetzung dieser Vorvertragsphase über den Bauauftrag nur mit diesem verhandelt und gegebenenfalls an diesen vergeben (Projektausführung) oder die Zusammenarbeit allenfalls beendet wird, kommt vergaberechtlich zunächst nicht in Betracht. Die Aufträge der »Projektbestimmung« (Ergründung, Ausgestaltung und Präzisierung der Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers) und der »Projektausführung« (Erbringung der zuvor geplanten Ausführungsleistungen) betreffen andere Leistungen.

Auftragnehmer, die lediglich an der Projektausführung interessiert sind oder aufgrund ihrer Ressourcen und Befugnisse hierauf beschränkt sind und nicht Auftragnehmer des Vorvertrags (Projektbestimmung) sind, können durch eine Vergabe aufgrund einer auf die Auftragnehmer der Projektbestimmungsaufträge beschränkten Aufforderung zum Wettbewerb diskriminiert werden. Grundsätzlich denkbar ist die Einräumung einer (einseitigen) Option zur Beauftragung der Ausführung nach Durchführung der Vorvertragsphase. Nach herrschender Ansicht darf bei öffentlichen Ausschreibungen der optionale Teil der Leistung jedoch maximal den Auftragswert des definitiven Teils der Leistung betragen. Die Kosten der Ausführung werden die der Planung aber regelmäßig übersteigen.

Fazit
ECI stellt einen Ansatz zur Optimierung der öffentlichen Auftragsvergabe dar. Das Vergaberecht birgt aber durchaus Herausforderungen, um eine Diskriminierung zu vermeiden.

 


Hintergrund: ECI – Grundsätze und Herausforderungen

Grundsätze des Vergabeverfahrens
- Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung aller Bewerber und Bieter, Transparenz, Vergabe an
geeignete Unternehmer sowie Wirtschaftlichkeit
- Geeignet sind vor allem das Verhandlungsverfahren, der wettbewerbliche Dialog und die
Innovationspartnerschaft.

Herausforderungen
- ECI im Spannungsfeld zum Vergaberecht bei den Anforderungen an den Wettbewerb
- Auftrag zur Projektbestimmung und Auftrag zur Projektausführung betreffen andere Aufgaben;
auf Nichtdiskriminierung ist zu achten.
- Beauftragung der Ausführung als Option zwar grundsätzlich denkbar, jedoch bei öffentlichen Vergaben wohl regelmäßig unzulässig


Der Autor

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Mathias Ilg ist Rechtsanwalt bei Müller Partner Rechtsanwälte und spezialisiert auf Baurecht, Claimmanagement und Konfliktlösung.
www.mplaw.at

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