Krisen treffen Unternehmen meist unerwartet, im Idealfall aber nicht unvorbereitet. Präventives Krisenmanagement hilft, im Ernstfall schnell und richtig zu handeln. Der Aufwand ist vergleichsweise gering, der Nutzen im Ernstfall aber enorm.
Wer sich hauptberuflich mit Krisenmanagement beschäftigt, kann sich in den letzten Jahren eher nicht über Unterbeschäftigung beklagen. Pandemie, Lieferkettenunterbrechung, explodierende Energiepreise, Krieg in der Ukraine… die Liste ließe sich noch lange fortsetzen und wird vermutlich in nächster Zeit auch noch laufend ergänzt. Laut »Global Crisis and Resilience Survey 2023« von PwC zufolge haben neun von zehn Unternehmen weltweit in den letzten zwei Jahren mehrere größere Krisen oder Disruptionen erlebt. 76 Prozent der Unternehmen mussten dabei erhebliche Auswirkungen auf den Betrieb in Kauf nehmen.
»Die Entwicklungen der letzten Jahre haben bei vielen Unternehmen zu einem erhöhten Krisenbewusstsein geführt«, erklärt Jörg Riener, Krisenmanagement und Geopolitical Risk Advisory Manager bei PwC Österreich. Klar ist, Krisen können jedes Unternehmen treffen. Wer gut vorbereitet ist, reagiert jedoch im Ernstfall rascher, fokussierter und agiler.
Riener teilt aktives Krisenmanagement in die drei Bereiche: »prepare«, »respond« und »emerge stronger«. Die Phase der Vorbereitung dient zur Entwicklung, Verbesserung und Aufrechterhaltung des Krisenmanagements. »Während einer Krise ist nicht genügend Zeit, um sich vorzubereiten«, so Riener. Bei der Krisenbewältigung geht es darum, die Krise zu verstehen und Maßnahmen zu priorisieren. Dafür braucht es ausreichend Ressourcen und interne wie externe fachliche Expertise. »Durch eine detaillierte interne Analyse in Kombination mit einem externen Blick kann ein Unternehmen die richtigen Schlüsse aus der Krise ziehen und gestärkt aus der Krise hervorgehen«, ist Riener überzeugt.
Bild: »Vorausschauendes Krisenmanagement ist ein vergleichsweise geringes Investment in den Aufbau von Fähigkeiten, bringt aber einen enormen Mehrwert«, ist Jörg Riener, Experte für Krisenmanagement bei PwC, überzeugt.
Krisen erkennen
Die Vorbereitung auf eine Krisensituation beginnt mit der Definition der möglichen Krisen. »Jedes Unternehmen muss für sich definieren, was eine Krise ist«, so Riener. Ein Krisenstab muss aufgebaut werden, die zentralen Stakeholder identifiziert und ein Krisenhandbuch inklusive Leitfaden entwickelt werden. »Jedes Unternehmen muss zudem seine drei bis fünf Top-Risiken identifizieren und mögliche Krisenszenarien entwickeln, die mittels Schulungen und Übungen ›durchgespielt‹ werden«, so Riener. Dabei sei es aber nicht nötig, allzu sehr ins Detail zu gehen. Es geht vielmehr um eine grobe strategische Ausrichtung und vor allem um klare Kompetenzfestlegung, wer eine Krise ausrufen und den Krisenstab einberufen darf. Alles andere wäre laut Riener eine Ressourcenverschwendung, »weil eine Krise immer anders eintritt als geplant«.
Speed wins
Ist eine Krise eingetreten, gilt es, kühlen Kopf zu bewahren und schnell zu handeln. »Die ersten Schritte sind allen bekannt und wurden geübt. Jeder weiß, wer die Entscheidungen trifft«, so Riener. Absolute No-Gos in dieser Phase sind Schuldzuweisungen und emotionale Reaktionen. »Schuldzuweisungen oder Wutausbrüche sind ein Beleg dafür, dass eine Organisation nicht resilient und krisenfest aufgestellt ist.« Es geht um eine sachliche Analyse der Situation, das Erstellen eines Lagebilds sowie daraus ableitend Handlungsoptionen zu entwickeln. »Wichtig ist eine klare Lagebeurteilung, bei der man sich nicht selbst belügt, denn sonst werden auf dieser Lüge oder Beschönigung die Handlungsoptionen erstellt. Das kann nur schief gehen«, mahnt Riener, der eine Begleitung durch externe Expert*innen empfiehlt. »Der Blick von außen hilft, die Emotionen hinunterzuschrauben und die Situation sachlich einzuordnen.«
Durch schnelle und gezielte Reaktion kann eine Krise bewältigt und die Auswirkungen sowie der finanzielle Schaden minimiert werden. Dies schafft zusammen mit transparenter Kommunikation Vertrauen bei den Stakeholdern. Damit ein Unternehmen gestärkt aus der Krise kommt, muss das Krisenmanagement nach Beendigung der Krise im Detail analysiert, die Lessons learned identifiziert und in die Unternehmensorganisation integriert werden. »Werden die Erfahrungen aus der Krisenbewältigung geteilt, kann auch die Krisenresilienz ganzer Branchen erhöht werden«, so Riener.
Glossar: Krisenarten
Verschiedene Arten von Krisen und wie sie sich zeigen können
1. Humankapital
- Hohe Personalfluktuation
- Streiks
- Bedrohung durch Insider
2. Operativ
- Lieferkettenunterbrechung
- Ausfall der Infrastruktur
- Produktrückrufe
3.Technologisch
- Diebstahl von geistigem Eigentum
- Technologieversagen
- Cyberattacken
4. Reputativ
- Negative Markenassoziation
- Verlust der Marktposition
- Fehlverhalten von Führungskräften
5. Humanitär
- Terrorismus/bewaffnete Konflikte
- Naturkatastrophen
- Pandemien
6. Rechtlich
- Sanktionen
- Interessenskonflikt
- Verstöße gegen Rechtsvorschriften
7. Finanziell
- Globale Finanzkrise
- Insolvenz
- Interessenskonflikt
- Betrug und Finanzkriminalität
Quelle: PwC
Checkliste Krisenmanagement
Am Beginn des Krisenmanagements muss immer die Frage stehen, ob es sich bei einem Ereignis um eine potenzielle Krise handelt oder nicht. Wird ein Ereignis als potenzielle Krise eingestuft, muss ein Lagebild erstellt werden (siehe unten). »Das ist deshalb wichtig, weil anhand dieses Lagebilds vom Krisenstab bzw. den jeweiligen Führungskräften die Handlungsoptionen entwickelt werden müssen«, erklärt Jörg Riener von PwC. Hat das Unternehmen ein falsches Bild der Situation, dann läuft es Gefahr, zu spät oder falsch zu reagieren.
Erstellung eines Lagebilds zur Einordnung der Krise
Was sind die Fakten?
- Welche Fakten sind aktuell bekannt?
- Welche Fakten müssen verifiziert oder erst herausgefunden werden?
Welche Bereiche sind betroffen?
- Identifikation der unmittelbar oder mittelbar betroffenen Unternehmensbereiche
- Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Einrichten eines Reportings
Wer sind die relevanten Stakeholder?
- Identifikation der Stakeholder: Mitarbeiter*innen, Kund*innen, Partnerunternehmen, Zulieferer usw.
- Erstellung einer Prioritätenreihung der Stakeholder
Wie ist die öffentliche Wahrnehmung?
- Identifikation des Reputationsrisikos
- Medienscreening nach möglichen Berichten