In der thermischen Sanierung gibt es nach wie vor viel zu tun. Die Sanierungsrate liegt immer noch bei nur knapp 1,5 %. Neue Produkte und Lösungen können helfen.
Sämtliche Gebäude in der Europäischen Union sollen bis 2050 klimaneutral sein – die thermische Gebäudesanierung fährt aber den falschen Weg. Laut GDI 2050, Gebäudehülle+Dämmstoff Industrie 2050, hat der Dämmstoffmarkt in Österreich 2023 ein Minus von 13,66 Prozent eingefahren – die Bauwirtschaft bevorzugt Neubauten, da dort mit geringerem Risiko eine höhere Wertschöpfung erzielbar ist, Sanierungen sind preissensibel. Zudem sind laut einer Studie von Umweltbundesamt und IIBW Neubauten leicht standardisierbar und dadurch treffsicher kalkulierbar. Sanierungen erfordern eine höhere Qualifikation der Mitarbeiter*innen, was durch den Fachkräftemangel zum Problem wird.
Laut Steinbacher Dämmstoffe wird oft nicht berücksichtigt, dass die Gebäudehülle der wichtigste Faktor ist und bleibt, wenn es um Energieeffizienz im Wohnbereich geht, und auch um Kosteneinsparungen. Der Rückgang bei Sanierungen ist aus Klimasicht allerdings nicht nachvollziehbar, denn Dämmung schafft neben ökologischen nicht zu verachtende ökonomische Vorteile, nämlich Energieeinsparungen bis zu 80 Prozent. Clemens Demacsek, Geschäftsführer der GDI 2050, nennt als Beweis zwei thermisch sanierte Bestandsgebäude von Ulreich Bauträger. »Bei der Sanierung des Wohnhauses Favorite Spring im 10. Wiener Gemeindebezirk konnte der Heizwärmebedarf von 150 auf unter 30 kWh pro m2 gesenkt werden.«
Beim Nymphäum in Wien Meidling wurde die Energiekennzahl um 81,7 Prozent verbessert. »Rund 3/4 der österreichischen Gebäude wurden vor 1995 errichtet, 60 Prozent stehen für eine Sanierung an. Abgeschlossene Projekte zeigen, dass sogar 90 Prozent Energieeinsparung erreichbar sind«, betont Clemens Hecht, Sprecher der ARGE Qualitätsgruppe Wärmedämmsysteme, und verweist auf den Ethouse Award. Der Durchschnitt liegt bei 70 Prozent. Thermische Sanierung sei wichtig, denn Gebäude mit einem sehr hohen Energieverbrauch dürften auch in Österreich künftig nicht mehr vermietet bzw. verkauft werden. In Frankreich ist das bereits seit 2022 der Fall.
Bild: Für die hohen Energieeinsparungen beim Sanierungsprojekt Favorite Spring – minus 78,5 Prozent – wurde Ulreich Bauträger weltweit mehrfach ausgezeichnet.
Sich der Herausforderung stellen
»Man darf nicht leugnen, dass im Bereich der thermischen Sanierung der Planungs- und Verarbeitungsaufwand größer ist als im Neubau«, gibt Clemens Hecht zu. »Aber es gibt immer eine Lösung«, erklärt er mit Blick aus seinem Bürofenster auf die gegenüberliegenden teilweise sanierten Bauten. Bauherr bzw. Auftraggeber müssten mit einer gewissen Sensibilität an das Projekt herangehen. Die Palette an Sanierungslösungen ist weitreichend, geht von Wärmedämmputz über Innendämmung, Dachdämmung von außen, Außendämmung des Kellers bis zu Einblas-, Perimeter- und WDVS-Dämmung. Bei einer Wohnanlage in Linz hat Sto auf das kostenoptimierte WDV-System StoTherm Vario und auf StoBrick Klinkerriemchen gesetzt, um den alten Wohnungsbestand auf Neubauniveau zu sanieren.
Bild: Das Team von StoDesign hat die von Curt Kühne in den 1920ern geplante mittlerweile denkmalgeschützte Wohnanlage in der Garnison-Planckstraße in Linz mit einem Sanierungs-Designkonzept wieder der ursprünglichen Handschrift des Architekten angenähert.
Natürlich sind laut Renowave.at nicht immer alle Lösungen für eine Sanierung geeignet. »Eine gegliederte denkmalgeschützte historische Fassade kann außen nicht gedämmt werden«, nennt Vorstandsmitglied Ulla Unzeitig ein Beispiel. Hans Jörg Ulreich, Geschäftsführer von Ulreich Bauträger, erkennt eine andere Herausforderung als die technische. »Die Probleme sind juristischer Art.« Damit bezieht er sich vor allem auf das Mietrecht, das eine Preisregelung für Wohnungen vorsieht, die vor 1945 gebaut wurden. »Eine umfassende Sanierung kostet mindestens 4.000 Euro pro Quadratmeter netto, mit den Mieten kann ich maximal 25 Prozent davon finanzieren.« Wird auf Niedrigenergiestandard saniert, müsse bei neuen Vermietungen zu marktüblichen Konditionen vermietet werden dürfen. Kritik übt er wie auch Demacsek an den nach wie vor hohen Anforderungen bei der Kreditvergabe durch die Kreditinstitute-Immobilienfinanzierungsmaßnahmen-Verordnung, KIM-VO.
Dämmung unterstützen
Von der politischen Zielgröße der Sanierungsrate von drei Prozent ist der heimische Markt derzeit noch weit entfernt. Die Sanierungsoffensive des Bundes soll dies ändern. Die Förderungshöhe für die thermische Sanierung der Gebäude wurde verdreifacht, mit Stand 8. April 2024 stehen noch 2.289,4 Mio. Euro zur Verfügung. Förderungsfähig sind im mehrgeschoßigen Wohnbau, der älter als 15 Jahre ist, die Dämmung der Außenwände, der obersten Geschoßdecke bzw. des Daches, der untersten Geschoßdecke bzw. des Kellerbodens sowie der Tausch oder die Sanierung der Fenster und Außentüren. Wird neben der thermischen Gebäudesanierung auch das fossile Heizungssystem durch ein klimafreundliches ersetzt, kann ein Antrag für »raus aus Öl und Gas« gestellt werden. Zusätzlich gibt es Förderungsmittel in jedem Bundesland. »Die aktuellen Fördermittel befinden sich auf einem absoluten Höchststand. Wer sanieren muss bzw. möchte, der sollte das jetzt tun und diese Möglichkeiten voll ausschöpfen«, regt Roland Hebbel, Geschäftsführer von Steinbacher Dämmstoffe, an. »Ein derartiges Level an Förderhöhen werden wir in den nächsten Jahren nicht mehr erreichen können.«
Wandel am Bau nutzen
»Bei Dämmmethoden und -materialien ändert sich kaum etwas, es gibt keine bahnbrechenden Neuerungen«, sagt Demacsek. »Bei einem Auto ist das anders, da gibt es jedes Jahr neue Entwicklungen und sei es nur der Spur- oder Abstandshalteassistent. Im Bauwesen haben sich einige Dämmstoffe bewährt und etabliert, nur selten kommen welche hinzu.« Ein relativ neues System ist die serielle Sanierung Energiesprong, die vor allem in Deutschland und den Niederlanden am Markt präsent ist. Die Elemente für eine neue Gebäudehülle werden dabei vorgefertigt, statt einzelne Dämmplatten anzubringen, wird das Haus mit einer Hülle aus vorgefertigten Elementen ummantelt. Im Vergleich zu herkömmlichen Sanierungen dauern die Bauarbeiten damit nur einen Bruchteil der Zeit. »Energiesprong ist eine gute Lösung für die thermische Sanierung von Genossenschafts- und Gemeindebauten der Nachkriegszeit«, urteilt Ulreich. Für Einzelprojekte wie Gründerzeithäuser sei es allerdings kein Rezept.
Heizwärmebedarf
Grafik: Unsanierte Gründerzeithäuser haben einen Heizwärmebedarf zwischen 150 und 200 kWh/m2a, ein Niedrigstenergiehaus dagegen unter 30 kWh/m2a.
Best Practice: Thermische Sanierung
Eine 2023 thermisch sanierte Hausfassade im Wienerwald und wie ein jahrzehntealtes Dämmsystem einer Doppelhaushälfte einfach und schnell wieder zukunftsfit gegen Kälte und Hitze gemacht wurde.
Bild: Fassade aufgedoppelt: Auf die bestehende erste Dämmschicht wird mittels Baumit KlebeAnker Duplex, sicher und einfach, eine neue Baumit open duplex KlimaschutzFassade aufgebracht.
Im Jahr 2023 – noch bevor die Förderhöhen des Bundes für thermische Sanierungen deutlich erhöht wurden – wurde ein bestehendes, aber für aktuelle und zukünftige Anforderungen unzureichendes Fassaden-Dämmsystem einer Doppelhaushälfte in Niederösterreich mit der Baumit Duplex Technologie saniert. Bei dieser Art der thermischen Sanierung ist die bestehende und noch intakte erste Dämmschicht Teil der Revitalisierung. Staubbelastete Abbrucharbeiten entfallen, Entsorgungskosten werden gespart und wertvolle Ressourcen geschont. In knapp zwei Wochen wurde eine Fassadenfläche von 170 m² komplett revitalisiert. Der Heizwärmebedarf konnte um 35 % gesenkt werden. Die Gesamtkosten beliefen sich, inklusive Nebenkosten für Dachrinne und Fensterbänke etc., auf rund 25.000 €. Davon musste Hausherr Johann Jandl in der Endabrechnung aber nur noch 12.000 € aus eigener Tasche bezahlen. Für die Teilsanierung gab es 2023 über den Sanierungsbonus der Bundesregierung noch 9.000 € und über die Land-Niederösterreich-Förderung weitere 2.000 €. Die steuerliche Abschreibung von jährlich 800 € in den nächsten fünf Jahren bringt weitere 2.000 €. Wäre die Sanierung in diesem Jahr durchgeführt worden, wäre der »Selbstbehalt« noch deutlich geringer gewesen.