Die Digitalisierung macht Bauverfahren billiger, schneller und nutzerfreundlicher. Doch stößt man häufig auf Hürden, die die Implementierung wesentlich erschweren.
Der Bau & Immobilien Report bringt gemeinsam mit ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte einen Überblick über den aktuellen Status quo.
Von Lukas Andrieu und Georg Stanislaus Gonschorowski
Die Digitalisierung hat in der Bauwirtschaft in allen Bereichen Eingang gefunden. Neue Technologien erleichtern die Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden aller Art. Während Unternehmen in der Baubranche diese digitalen und integrativen Ansätze bereits weitgehend nutzen, scheint deren Implementierung der öffentlichen Verwaltung noch Probleme zu bereiten. Nur vereinzelt werden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, damit die Vorteile der Digitalisierung auch im Baugenehmigungsverfahren vor den zuständigen Behörden voll genutzt und ausgeschöpft werden können. Wie lange wird die volle Digitalisierung von Genehmigungsverfahren (etwa die Möglichkeit der Nutzung von BIM) noch dauern? Ein Blick auf bedeutsame Technologien und einschlägige Verfahrensvorschriften soll diese Frage beantworten.
Neue Technologien
Die unter dem Begriff Building Information Modeling (BIM) zusammengefassten Softwaremöglichkeiten sollen die Baubranche grundlegend verändern. Das BIM-Modell bietet die Möglichkeit, sämtliche Schritte von der Planung bis zur Betreibung eines Gebäudes digital zu erfassen und zu modellieren. Es entsteht ein digitaler Zwilling des Gebäudes, welcher von allen Beteiligten genutzt und bespielt werden kann, um die Qualität und Effizienz über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks zu optimieren. Künstliche Intelligenz und Augmented Reality sollen zudem bei der Verarbeitung und Visualisierung der Daten helfen. Durch diese technischen Neuerungen besteht die Möglichkeit, umfassende und aktuelle Informationen zum Gebäude aufzubereiten, welche nicht nur von Bauherrn und -unternehmen, sondern auch von der zuständigen Behörde in der gewünschten Form genutzt werden können. Obwohl die Vorteile für das behördliche Bauverfahren auf der Hand liegen, steht der effektiven Implementierung einiges entgegen. Vor allem die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen sind weitgehend nicht gegeben.
Elektronische Verfahren
Die Regelung von Bauverfahren liegt bekanntlich in der Kompetenz der Länder. Dies hat zur Folge, dass in den neun geltenden Baugesetzen häufig sehr unterschiedlichen Bestimmungen – so auch in Bezug auf elektronische Verfahren – enthalten sind. Zumeist ist vorgesehen, dass alle relevanten Unterlagen in Papierform bei der zuständigen Behörde (Gemeinde) eingebracht werden und diese den Akt analog führt. Dieses Erfordernis schließt die Implementierung von digitalen Inhalten und Technologien weitgehend aus. Nur in Wien kann seit Inkrafttreten der Bauordnungsnovelle 2020 (beinahe) das gesamte Bauverfahren digital abgewickelt werden. Während in einigen anderen Bundesländern zumindest die Einbringungen der nötigen Dokumente in elektronischer Form vorgesehen ist, hat der Bauwerber in anderen jegliche Unterlagen auf Papier und physischen Plänen vor Ort bei der Behörde einzureichen. Auch in anderen Verfahrensteilen bestehen Diskrepanzen (siehe die folgende Tabelle).
Grafik: Die Tabelle zeigt die unterschiedlichen Digitalisierungsgrade der Behörden in den Bundesländern.
Manche Städte (z. B. Graz) bieten zwar gewisse Dienste im Baubewilligungsverfahren digital an, trotzdem müssen z. T. nach den Landesgesetzen gewisse Unterlagen in Papierform eingereicht werden. Andererseits setzen zahlreiche Gemeinden die bestehende, gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der (Teil-)Digitalisierung nicht um. Einreichung und Verfahren erfolgen weiterhin voll analog.
Dass diese Unterschiede vor allem bei länderübergreifend tätigen Bauunternehmen/Projektentwicklern sowie in der Verwaltung selbst zu Ineffizienz und vermeidbaren Mehrkosten führen, ist offensichtlich. Ihr Grund liegt im Fehlen einheitlicher Vorschriften, technischer Infrastruktur und vielleicht auch dem noch (begrenzten) großflächigen Bedarf der Planungspraxis. Dieser Bedarf wird in den nächsten Jahren jedoch weiter durch die zunehmende Verbreitung der Digitalisierung in der Planungsphase (auch mit BIM) steigen. Die Verwaltung sollte darauf rechtzeitig vorbereitet sein. Bekanntlich gibt es auch in vielen anderen Bereichen (vor allem auf Bundesebene) im Sinne einer modernen bürgernahen Verwaltung die Möglichkeit, Amtswege auf E-Government-Plattformen (zum Beispiel JustizOnline, FinanzOnline, Unternehmensserviceportal) abzuwickeln.
Möglichkeiten und Hindernisse
Die Digitalisierung von Bauverfahren spart Zeit und Ressourcen. Weder müssen Unterlagen zu Papier gebracht, noch auf dem Postweg zugestellt werden. Durch die in der Wiener Bauordnung vorgesehene Voraussetzung der elektronischen Zustellung mit Zustellnachweis kann die Kommunikation zwischen Behörde und Antragsteller wesentlich beschleunigt werden. Mithilfe der E-Signatur entfällt zudem das Unterschriftserfordernis auf den Bauplänen. Lediglich die Bauverhandlung soll weiterhin persönlich – zumeist am Baugrundstück – erfolgen. Dies ist mit dem Schutz von Nachbarrechten begründet, zumal Personen u. U. nicht über die nötige technische Infrastruktur verfügen, um an einer digitalen Verhandlung teilnehmen zu können bzw. Probleme mit der Internetverbindung die Teilnahme beeinträchtigen könnten.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, wie Nachbarn oder andere Beteiligte ihr Recht auf Akteneinsicht im Falle eines elektronischen Verfahrens ausüben. Wiederum wäre eine gewisse technische Ausstattung erforderlich (elektronische Akteneinsicht in einen digitalen Akt mit individualisierten Zugangsdaten für Parteien).
BIM im Bauverfahren
Verbindet man die technischen Möglichkeiten des BIM mit jenen eines elektronischen Bauverfahrens, lässt sich erahnen, welche Chancen sich in diesem Zusammenhang auftun. Denkbar ist einerseits, dass die BIM-Software alle nötigen Dokumente und Nachweise im passenden Format für die Behörde bereitstellt. Andererseits könnte sie in einem weiteren Schritt die Konformität der Pläne mit einschlägigen Rechtsnormen prüfen. Ob ein Plan beispielsweise mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan im Einklang steht, oder ob Abstände, Brandschutzbestimmungen und technische Normen eingehalten wurden, könnte mehr oder weniger vollautomatisiert festgestellt werden. Das enorme Einsparungs- und Beschleunigungspotenzial im Baubewilligungsverfahren leuchtet ein.
Lediglich im Zusammenhang mit Ausnahmegenehmigungen, Ermessensentscheidungen der Behörde, oder der Interpretation von unbestimmten Gesetzesbegriffen wird wohl weiterhin eine Überprüfung durch geschulte ExpertInnen notwendig sein. Dies bereits deswegen, da solche Entscheidungen in jedem Fall einer ausreichenden Abwägung der Umstände und Begründung bedürfen, um rechtmäßig zu sein.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, wann und inwieweit eine umfängliche Digitalisierung im behördlichen Bauverfahren umgesetzt wird. Obwohl eine solche für alle Beteiligten zahlreiche Vorteile haben kann, gilt es, tatsächliche wie rechtliche Hürden zu überwinden. Sobald dies gelungen ist, könnte durch neue Technologien, die in der Bauwirtschaft bereits extensiv eingesetzt werden, das gesamte Bauverfahren wesentlich vereinfacht und beschleunigt werden. Vor allem im Hinblick auf die Einhaltung rechtlicher Vorgaben und die Zusammenarbeit zwischen Behörde und Antragsteller sind bedeutende Erleichterungen zu erwarten. Sinnvoll wäre aus Sicht der Autoren (trotz der Kompetenz der Bundesländer) eine abgestimmte einheitliche und länderübergreifende Vorgehensweise.
Die Autoren
Lukas Andrieu (l.) ist Partner bei ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte und u. a. auf Baurecht, internationales Wirtschaftsvertragsrecht, Projektgenehmigungen, Schiedsverfahren und Vergaberecht spezialisiert. Georg Stanislaus Gonschorowski (r.) ist in der Kanzlei juristischer Mitarbeiter.
www.scherbaum-seebacher.at