Im Interview mit dem Bau & Immobilien Report spricht der für Bahnbau zuständige Swietelsky-Vorstand Peter Gal über ein Großprojekt in Deutschland, das Swietelsky entgegen aller Usancen in Eigenregie abgewickelt hat, über die Gefahren eines zu schnellen Wachstums und warum BIM im Bahnbau in der Errichtung weniger wichtig ist als im Bestand.
Text: Bernd Affenzeller
Swietelsky hat als Einzelunternehmen die 85 km lange Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Kassel und Fulda saniert, was eher ungewöhnlich ist. Was sind die größten Herausforderungen, wenn man so ein Projekt in Eigenregie angeht?
Peter Gal: Die größte Herausforderung bei diesem Projekt war die kurze Bauzeit. Deshalb schließen sich bei solchen Projekten auch meist mehrere Unternehmen zusammen, um die Kapazitäten aufzubringen. Wir haben lange überlegt, alles durchgerechnet und dann festgestellt, dass wir es auch alleine schaffen können. Wir hatten bei der Angebotslegung aber schon den einen oder anderen Subunternehmer in der Hinterhand, um Kapazitätsspitzen abdecken zu können. Und davon gab es genug, wir hatten teilweise gleichzeitig sechs bis sieben Bauspitzen am Tag.
Wie war die Reaktion der Deutschen Bahn? Ein Einzelbieter ist ja auch für den Auftraggeber ungewöhnlich.
Gal: Das stimmt, aber man hat uns das aufgrund der Vergangenheit zugetraut. Das Projekt war sowohl für die DB als auch uns ein Leuchtturmprojekt. Da will man Probleme möglichst vermeiden. Trotz des Schlechtwettereinbruchs Anfang Dezember konnten wir termingerecht übergeben. Ich nehme also an, dass sich die DB in ihrer Entscheidung bestätigt fühlt.
Bei diesem Projekt waren Swietelsky-Teams aus drei Ländern im Einsatz. Wie schwierig war die Koordination der internationalen Teams?
Gal: Wir sind da prinzipiell schon sehr gut eingespielt, es hatte jedes Länder-Team seine eigenen Tasks.
Eine hausinterne ARGE also?
Gal: Formalrechtlich natürlich nicht, aber ja, man kann das schon so sehen (lacht). Der Vorteil ist, Gleise sind überall gleich, kommen oft sogar aus demselben Werk. Auch der Austausch ist derselbe. Was anders ist, sind die Dokumentationsanforderungen in den einzelnen Ländern. Das musste dann in den ersten Fällen nachgeliefert werden, weil die holländischen Trupps nach holländischen Regeln dokumentiert haben und nicht nach deutschen. Das war ein Lernprozess, den wir sehr schnell gemeistert haben.
Der Bahnbau ist eine hochspezialisierte Sparte. Wie schwierig ist es, die richtigen Mitarbeiter zu finden?
Gal: In Österreich ist es aktuell sehr schwer. In der Vergangenheit ist es uns gut gelungen, Mitarbeiter aus dem Landmaschinensektor abzuwerben. Aber auch dort gehen die Lehrlingszahlen zurück. Die Lehrlingsausbildung ist auch unsere große Herausforderung, weil wir Lehrlinge unter 18 nicht aufs Gleis bringen dürfen. Wir können zwar Mechaniker ausbilden, aber keine Maschinisten, die dann im Feld arbeiten.
Im Tiefbau spielt BIM oft noch eine untergeordnete Rolle. Gilt das auch für den Bahnbau?
Gal: Im echten Gleisbau spielt BIM noch so gut wie keine Rolle. Wenn wir den Begriff aber weiter fassen, in Richtung Bahnbau und Infrastrukturbau, dann wird es spannender. Wenn Brücken, Durchlässe oder der Bahnhof dazukommen, ist auch BIM im Spiel. Wir haben selbst am Flughafen Riga ein 100%-BIM-Projekt. Da geht es vor allem um den Bau einer Brücke, eines Damms und eines neuen Flughafengebäudes. Der sieben Kilometer lange Gleiskörper ist da eher ein Nebenprodukt.
Ansonsten ist es wie überall im Tiefbau. Wir arbeiten nicht auf einer flachen Ebene, deshalb kommt es in der Vermessung und der Digitalisierung der Vermessung zu Erschwernissen. Das Modell müsste gekrümmt sein, auch wenn das mit dem freien Auge nicht erkennbar ist. Der Mehrwert von BIM ist geringer als im Hochbau. Deshalb haben sich meines Wissens auch noch kaum Softwarehersteller der Thematik BIM im Gleisbau angenommen.
Wird sich das aus Ihrer Sicht in Zukunft ändern?
Gal: Ja, davon gehe ich aus. Weil die großen Eisenbahninfrastrukturunternehmen mit der Inventarisierung des Bestands eine riesige Herausforderung haben. Die ÖBB sind hier sehr gut aufgestellt, es gibt eine hervorragende Datenbank und man weiß über den Zustand jedes Gleismeters Bescheid. Wenn man heute eine Bestandsaufnahme macht, ist es durchaus sinnvoll, die gewonnen Daten in Modellen zu verankern und mittels KI auch zur präventiven Wartung zu verwenden. BIM wird also sehr wohl eine Rolle spielen, aber mit einem anderen Anwendungsfall als im Hochbau.
Also vor allem im Bereich der Dokumentation?
Gal: Genau, unsere Maschinen dokumentieren alles, was sie gemacht haben. Damit schafft man ein transparentes Abrechnungssystem. Das funktioniert bei Teilleistungen zum Teil schon jetzt sehr gut, etwa wenn man mit einer Stopfmaschine über das Gleis fährt. Bei Komplettprojekten wie Kassel-Fulda noch nicht, weil die Daten aus den einzelnen Leistungen noch nicht in einem gemeinsamen Datenmodell zusammengeführt werden können. Aber gerade dort wäre das Potenzial groß, wenn dem Auftraggeber ein wöchentlicher Report übergeben wird. Und auch der Auftragnehmer hätte damit seinen tatsächlichen Baufortschritt immer im Blick. Das wäre der nächste große Schritt, daran arbeiten wir sehr intensiv.
(Foto: Swietelsky)
Swietelsky Bahnbau Bauhof – Daten & Fakten
Nutzfläche gesamt: 230.000 m²
Hallen: 5
Hallenfläche: 27.500 m²
Verlegte Gleise: 17.690 m
Anzahl Weichen: 71
Personal: ca. 100 Personen
Wie wird der Bahnbau in fünf oder zehn Jahren aussehen?
Gal: Der Bahnbau ist etwas sehr langfristiges. Die Entwicklung einer neuen Maschine dauert Jahre, inklusive der Praxiseinführung und Probephase kann ein Jahrzehnt vergehen.
In dieser Zeit kann sich aber auch der Bedarf ändern?
Gal: Ja, denn der Bahnbau ist nicht schnelllebig. Der letzte echte Quantensprung war vor 50 Jahren der mechanisierte Gleisbau, weg von 100-Mann-Trupps hin zum Maschineneinsatz. Seither geht es um Verfeinerungen, Beschleunigung und eine Teilautomatisierung der Prozesse.
Was werden Ihre größten Herausforderungen 2024 sein?
Gal: Die DB plant unglaubliche Vergabemengen. Experten sprechen von einem Investitionsrückstau von 100 Milliarden und mehr. Das zu bedienen, ohne die anderen Bestandsmärkte zu vernachlässigen, wird nicht einfach. Es kann auch nicht sein, dass die Politik den Bauunternehmen den schwarzen Peter zuschiebt, denn in den letzten Jahren ging es für uns eher ums Überleben.Die Kapazitäten können aber nicht über Nacht vervielfacht werden. Da gilt es, das richtige Maß zu finden und nicht zu schnell zu wachsen. Wir dürfen beim Hochfahren keine Fehler machen.