Mittwoch, November 20, 2024
Nicht zu Ende gedacht! Eine städtebauliche Katastrophe nimmt ihren Lauf
Bis der Elbtower in Hamburg in die Höhe ragt, wird es noch dauern (Quelle: SIGNA Real Estate)

Nun hat auch die SIGNA-Elbtower-Gesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Hamburg steht vor einem Dilemma, und der Fall zeigt wieder einmal, dass man oft nicht zu Ende denkt. Der halbfertige Turm bleibt an der Hansestadt picken. Ein Analyse von Walter Senk, Chefredakteur der unabhängigen Immobilien-Redaktion.

Die SIGNA-Projektgesellschaft für den Hamburger Elbtower hat die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt. Dies teilt die Stadt Hamburg mit, die hierüber pflichtgemäß von der Hamburg Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG informiert wurde – das schreibt das Informationsportal Thomas Daily in seinem Newsletter.

Aber das Beste steht zwischen den Zeilen: Laut Grundstückskaufvertrag zwischen der Stadt und der SIGNA-Gesellschaft kann die Hansestadt nun ihr Wiederkaufsrecht sowie die Übernahme aller Planungs- und Bauverträge geltend machen. Man werde sich diese Rechte im Insolvenzverfahren sichern, im Vordergrund stehe aber, „dass die Errichtung des Elbtowers ein privatwirtschaftliches Projekt ist und erwartet wird, dass im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine privatwirtschaftliche Lösung für die zeitnahe Wiederaufnahme der Bautätigkeit gefunden wird“, sagt Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD). Das Wiederkaufsrecht ermögliche jedoch, dass die Stadt die Kontrolle über das Projekt übernehmen könne, wenn keine tragfähige Lösung gefunden werde.

Privatwirtschaftliche Lösung?
Aus der Entfernung würde ich sagen, es wird äußerst schwer sein, in absehbarer Zeit eine tragfähige privatwirtschaftliche Lösung zu finden. Kaum jemand wird in der aktuellen Situation bereit sein, das Risiko auf sich zu nehmen und dieses Projekt fertigzubauen, zumal die Baustelle bereits seit Oktober 2023 stillsteht. Wenn der Laden wieder anläuft, haben wir vermutlich schon spätes Frühjahr, und dann ist beim „krönenden Abschluss der Hamburger Hafencity“ seit fast einem Dreivierteljahr nichts weitergegangen. Wer greift da noch hin? „Sie werden zwar einen Privaten suchen, den aber nicht finden“, so ein österreichischer Anwalt.

Wenn sich niemand findet, der den halbfertigen Elbtower fertigstellt, dann kann die Stadt ihr „Wiederkaufsrecht sowie die Übernahme aller Planungs- und Bauverträge geltend machen und die Kontrolle über das Projekt übernehmen“. Das heißt, die Hansestadt übernimmt die 100 „fertigen“ Meter des Turms (145 fehlen dann noch) und baut einfach selbst! Die Frage ist: Wer zahlt das? Antwort: die Steuerzahler!

Scheinsicherheiten
Natürlich wollte sich die Stadt absichern, falls beim Projektentwickler irgendetwas dazwischenkommt, aber so weit gedacht, wie es notwendig gewesen wäre, wurde nicht. „Diese ganzen Sicherheiten waren eigentlich Scheinsicherheiten. Die funktionieren, wenn alles gut geht, aber nicht in diesem Fall“, meint ein heimischer Rechtsanwalt. Kurz gesagt: Das Worst-Case-Szenario ist hier offensichtlich eingetreten, wurde aber nicht eingeplant. Den Norddeutschen hätte man die Wiener Mentalität des „Wird scho‘ nix passieren“ ja nicht zugetraut.

Besonders clever ....
Die Verantwortlichen haben sich für besonders clever gehalten: Wenn etwas dazwischenkommt, dann können sie relativ günstig zurückkaufen und das Projekt eben fertigstellen. „Bei einem Rückkauf würden wir den ursprünglichen Kaufpreis in Höhe von 122 Millionen Euro ohne Zinsen und abzüglich von fünf Millionen Euro erstatten und im Gegenzug das Grundstück zurückerhalten.“ Was der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) so nonchalant dahinsagt, ist eigentlich eine städtebauliche Finanzkatastrophe.

Dass der Projektentwickler insolvent wird und das Projekt in der absolut schwierigsten Konstellation zurückgekauft werden muss – dieser Worst Case wurde nicht bedacht. Da muss nämlich die ganze Projektentwicklung und -abwicklung in Ordnung gebracht werden, und das ist „eine unfassbare Herausforderung“, wie ein Brancheninsider bestätigt. Zudem sind vermutlich noch Millionen an Rückständen zu begleichen, und das Verwertungsrisiko bleibt an der Stadt hängen.

Es zeigt sich wieder einmal, dass bei städtebaulichen Verträgen der Teufel nicht nur im Detail steckt, sondern auch in der Zeit.

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