Genügt es für Industriegebäude, nur funktional zu sein, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, oder müssen sie noch mehr bieten? Funktionalität allein wird nicht ausreichen, sind sich beim „Architektur-Morgen“ Andreas Hawlik und Evgeni Gerginski (HAWLIK GERGINSKI Architekten) und ihre Gäste Petra Patzelt (ecoplus), Alfred Wurmbrand (Würth Österreich) und Artur Pesendorfer (SWARCO) einig. Was aber zählt noch?
Text: Walter Senk
Die Ansprüche der Mieter und der Mitarbeiter an Industriegebäude haben sich verändert. Sie müssen mittlerweile mehr bieten als nur Funktionalität. Diese Erkenntnis rückt jetzt ins Rampenlicht, wobei einige Firmen schon vor 25 Jahren wirklich gute Projekte bauten. Das Gebäude der Würth-Gruppe in Böheimkirchen bei St. Pölten war vor einem Vierteljahrhundert seiner Zeit weit voraus. „Wir haben damals schon das Wort ‚Bürolandschaft‘ verwendet und ein Gebäude mit einem Höchstmaß an Flexibilität errichtet“, sagt Alfred Wurmbrand, CEO von Würth Österreich, der zu dieser Zeit schon in verantwortlicher Position im Unternehmen tätig war. Das Gebäude hat bis heute nichts von seinem Reiz und seiner Flexibilität eingebüßt. Auch wenn es „das letzte Gebäude der Würth-Gruppe war, das ohne Architekturwettbewerb entstanden ist“. Verantwortlich zeichnete damals der Architekt Ernst Huss, dessen Büro heute als HAWLIK GERGINSKI Architekten fortgeführt wird. Dank integraler Planung entstanden offene und flexible Flächen, die sich den Anforderungen des Unternehmens anpassen konnten. „Wir nutzen heute noch sehr flexibel, was wir vor 25 Jahren vorausschauend geplant haben“, zieht Alfred Wurmbrand ein Resümee.
Anforderungen ändern sich
Doch die Anforderungen an die Gebäude können sich im Laufe der Jahre auch ändern. So war die CODICO-Unternehmenszentrale zwar durchdacht geplant, aber das Unternehmen „ist viel schneller gewachsen, als man erwartet hatte“, so der verantwortliche Architekt Andreas Hawlik, Geschäftsführer von HAWLIK GERGINSKI Architekten. Neue Grundstücke wurden zugekauft, und die Mischung aus Büro, Lager und Distribution wurde den neuen Verhältnissen angepasst. Damit musste der neue Masterplan bei der Erweiterung des Standorts um 180 Grad gedreht werden.
Ästhetik und Funktionalität
Nur Funktionalität oder Ästhetik in Kombination mit Funktionalität? „Das eine schließt das andere nicht aus“, sieht Petra Patzelt, Prokuristin von Niederösterreichs Wirtschaftsagentur ecoplus, die Entwicklung. Schon gar nicht mehr in Zeiten wie diesen, wo nicht nur die Effektivität der Immobilie wichtig ist, sondern auch das architektonische Ambiente. „Corporate Identity wird immer wichtiger“, so Patzelt. Die junge Generation, die den Arbeitsmarkt betritt, sucht die Identität und legt Wert auf den Innenbereich. Auch bei Industriegebäuden, die Produktion, Logistik und Büroflächen verbinden, wird versucht, in jedem Bereich „Wohlfühl-Gemeinschaftsflächen“ zu integrieren. „Man muss die Firma zur Heimat der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen“, sagt Patzelt. Letztendlich ist es auch ein Statement für die neue Generation an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denn „sie haben eine neue Einstellung zur Arbeit und verlangen mehr Community und nachhaltige qualitätsvolle Räume“, meint Evgeni Gerginski, Geschäftsführer von HAWLIK GERGINSKI Architekten.
Ästhetik und Nachhaltigkeit
Aber auch „die Nachhaltigkeitskriterien haben viel Neues gebracht. Die Firmen legen verstärkt Wert darauf, dass man dem gesamten Lebenszyklus des Gebäudes den Vorzug gibt“, so Petra Patzelt. Diese Lebenszyklusbetrachtung auch bei Industriegebäuden bekommt verstärkte Aufmerksamkeit. Evgeni Gerginski beobachtet eine Entwicklung: „Wenn man einzelne gewachsene Standorte betrachtet, dann erkennt man schon anhand des äußeren Erscheinungsbilds der Hallen, dass sich etwas ändert. Sie werden grüner.“ Es gilt nicht nur die Ästhetik in den Vordergrund zu rücken, sondern auch die Nachhaltigkeitsbemühungen zu intensivieren, meint Gerginski: „Wenn wir über Baukultur und Nachhaltigkeit sprechen, dann sollte man auch bei Industriegebäuden dem Standort und der Region entsprechend gestalten und bauen.“
Beratung gefragt
Während große Unternehmen für ihre Standortpolitik eigene Abteilungen haben, die sich dieser Themen annehmen, suchen kleine und mittlere Unternehmen meist externe Beratung. Daher ist ecoplus auch bestrebt, über seine Geschäftsfelder Investorenservice und Wirtschaftsparks Unternehmen bei ihrer Standortentscheidung und Standortentwicklung in Niederösterreich umfassend und ganzheitlich zu beraten – auch hinsichtlich Funktionalität, Erscheinungsbild und Ästhetik der Firmengebäude –, um gemeinsam zu optimalen Lösungen zu gelangen. In diesem Zusammenhang stellt Andreas Hawlik fest, „dass dem öffentlichen Raum viel mehr Wertigkeit zukommt“. Dieser wird nämlich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mittlerweile verstärkt wahrgenommen.
Employer-Branding und Ästhetik
In einer sich schnell verändernden Arbeitswelt sind alle diese Vorzüge von Industrieimmobilien bei der Suche nach Talenten ganz wesentlich. Das gilt nicht nur für einzelne Firmen, sondern auch für Konzerne. So hat der Spezialist für Verkehrssicherheit und intelligentes Verkehrsmanagement SWARCO seine Firmengebäude rund um den Globus auch entsprechend gebrandet. Artur Pesendorfer, Geschäftsführer bei SWARCO FUTURIT Verkehrssignalsysteme, unter anderem weltgrößter Ampelhersteller: „Wir wollen den Brand SWARCO nach außen tragen. Als Unternehmen und damit auch in unseren Gebäuden, um den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Gefühl der Identität zu geben.“ Employer-Branding und Ästhetik spielen dabei eine entscheidende Rolle. „Unser Unternehmensstandort in Perchtoldsdorf hat eine Botschaft und ist sehr unique“, so Pesendorfer: „Ich habe noch nie jemanden erlebt, dem das Gebäude nicht gefallen hat. Es ist eben nicht 08/15.“
Stärkere Einflüsse durch die Umwelt
Im Bereich der Nachhaltigkeit tut sich aber noch ein weiteres Thema auf, wie Artur Pesendorfer anhand eines Projekts von SWARCO im Mittelburgenland erklärt: „Alleine in den letzten Jahren erleben wir immer stärkere Einflüsse durch die Umwelt. Damit stellen sich neue Anforderungen an die Standorte.“ Klimatische Veränderungen wie Hitzeentwicklung, erhöhter Niederschlag, aber auch die Mobilität sind neue Aspekte, die es zu beachten gilt. „Wir müssen vorausblicken und uns fragen, wie wir hier neue Lösungen finden können“, sagt Artur Pesendorfer. Es geht um Baumbepflanzung, Hitzeschutz, Versickerung und Retention, um nur einige der wichtigsten Themen zu nennen. In solchen Fällen sind auch die Architekten gefordert. Oftmals erscheinen bauliche Maßnahmen zwar als Mehraufwand, aber auf lange Sicht gesehen sind sie die besseren Entscheidungen. Andreas Hawlik nennt ein Beispiel: „Bei vielen unserer Projekte planen wir Gründächer. Es ist zwar teurer, aber damit erspart sich die Firma die Versickerungsflächen.“
Die Herausforderungen in den kommenden Jahren sind groß. Unternehmen und Architekten müssen diese gemeinsam lösen. Auf der einen Seite möchte man eine Wohlfühlatmosphäre bieten und die Ideen für die Zukunft integrieren, auf der anderen Seite müssen die Unternehmen im internationalen Wettbewerb auch bestehen können.
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