Die EXPO REAL ist wie immer ein Abbild der aktuellen Immobilienlandschaft, und von den Messeteilnehmern und -teilnehmerinnen kommen klare Ansagen. Ein ganz persönlicher Messerückblick von Walter Senk, Chefredakteur von „Die unabhängige Immobilien Redaktion“.
Tag 1
Schon am ersten Tag ist die Messe gut besucht, aber sie ist auch nicht mehr überlaufen. Das tut gut. Vor allem sind die Kontakte konkreter und nicht wie vor zwei Jahren noch von Glücksrittern und Spekulanten geprägt. Man spricht auch über Konkretes. „Es gibt Käufer, es gibt Verkäufer. Der Markt bewegt sich wieder, aber in einer anderen Dimension als zuvor“, so ein heimischer Immobilienmakler: „Die Stimmung ist bei vielen schlechter, bei manchen aber sehr gut, weil sie wieder Chancen auf dem Markt erkennen.“
Diejenigen, die Chancen sehen, sind – wie gesagt – in der Minderzahl, dafür ist „das Angebot enorm. Die Käufer können sich aussuchen, was sie kaufen wollen.“ Für zahlreiche Verkäufer, also für 30 Prozent (so von dem angesprochenen Makler geschätzt), eher ein Alptraum: Steigende Kosten, fallende Preise und Zinsanstiege innerhalb eines Jahres, Unsicherheit und vor allem kein Cashflow – daher hat „ein Drittel der Investoren echt existenzielle Probleme“.
Wobei die Österreicher die Situation gelassener sehen als die deutschen Aussteller und Besucher. „Die Deutschen jammern ihren Markt krank“, so ein Projektentwickler, aber das lässt sich wohl derzeit nicht ändern. Inwieweit die Probleme auch auf Österreich übergreifen, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen.
Die Anspannung am Markt lässt sich noch an einer anderen Tatsache ablesen. Es gibt wieder mehr Streitigkeiten. Probleme, die vor einigen Jahren größtenteils noch einvernehmlich gelöst wurden, führen jetzt oftmals zum Einschalten von Rechtsanwaltskanzleien. „Die Unternehmen streiten öfter“, sagt ein Rechtsanwalt: „Das ist auch bei den großen Unternehmen so, denn die Situation ist sehr angespannt.“
Diese Entwicklung ist in meinen Augen sehr schade, denn die derzeitige Situation würde eher verlangen, dass die Unternehmen beziehungsweise die Beteiligten enger als bisher zusammenarbeiten und versuchen, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, gemeinsam zu lösen.
Tag 2
Obwohl es die meisten nicht wahrhaben wollen: Es sind weniger Besucherinnen und Besucher auf der Messe. So schön war das Wetter dann doch nicht, dass alle draußen stehen wollten – wie von manchen behauptet. Mein Eindruck wurde von einigen BesucherInnen bestätigt, und so wird es wohl wie immer sein: Man sieht das Glas halb voll oder halb leer. In diesem Fall eben die Hallen. Aber halb leer waren sie dann doch nicht. „In der Zeit nach Lehmann haben wir halb leere Hallen gesehen, aber dort sind wir noch nicht“, so ein heimischer Projektentwickler: „Es ist schwer, Prognosen zu machen. Den Leuten muss erst die Liquidität ausgehen, ehe Bewegung in den Markt kommt.“
Daher die Frage: Wer holt die Kartoffeln aus dem Feuer und wann? Derzeit stehen sich noch Verkäufer und Käufer gegenüber. Die einen mit viel oder wenig Zeit, um abzuwarten, die anderen mit viel Geld, um auch abzuwarten, ob die Preise sinken.
Bis dato sinken sie noch nicht so stark – zumindest beim Verkauf. Das zeigt sich schon allein beim Essen auf der EXPO. Um 17,50 Euro gibt es Bratkartoffeln. Ein Mittagessen in Deutschland, nur aus Kartoffeln bestehend, ist derzeit noch) zu teuer. Das bedeutet auf österreichische Verhältnisse umgerechnet: Eine Portion Bratkartoffeln in München sind fünf Kanzlermenüs in Wien. Da sieht man, wen die Inflation härter getroffen hat. Bei solchen Preisen ist natürlich niemand bereit, die Kartoffeln aus dem Feuer zu holen. Auf Immobilien umgelegt heißt das: Es braucht doch noch etwas mehr Bewegung. Also wird es noch ein wenig dauern, bis „Käufer und Verkäufer“ zusammenfinden. „Wir verhandeln so eine Geschichte, die Sinn macht. Da gehören aber zwei dazu, die zusammenpassen“, so ein Makler.
Das heißt, man muss sich zwischen den Bratkartoffeln und dem Kanzlermenü treffen. Apropos Kanzler.
Der soll auch auf der Messe gewesen sein. Also nicht der aktuelle, sondern der jüngste österreichische Altkanzler. Ob er auf der Messe war, ließ sich nicht verifizieren (wenn, dann jedenfalls nur kurz), beim Feiern war er jedenfalls dabei. Der Besuch des Abendevents von IMMOunited war allem Anschein nach zufällig, und über Politik wurde nicht gesprochen – das haben die Deutschen dann auf den Ständen gemacht. Es macht den Eindruck, als wären sie mehr mit der Politik beschäftigt als mit den aktuellen Problemen. Und was die österreichische Politik betrifft, so wurde ein Gerücht gestreut: Die KIM-Verordnung soll gelockert werden. Wann? Einen Monat vor der Wahl – wann immer die stattfinden wird.
Umso erfreulicher das Werbeplakat beim Messeeingang „Wir kaufen trotzdem“ (siehe Bild) – das sagt ja schon viel aus, aber warum kaufen sie trotzdem? Rezession, Inflation, Energiewende, unbezahlbarer Wohnraum – wir kaufen trotzdem. Von irgendeinem der vier Punkte wird sich ein potenzieller Verkäufer schon angesprochen fühlen. Unabhängig davon meint ein österreichischer Projektentwickler: „Die EXPO ist wieder realitätsbezogener, und es wird weniger gelogen. Die Marktteilnehmer sind näher bei der Wahrheit, man redet offener miteinander.“ Das heißt, die Glücksritter sind verschwunden oder werden in Österreich gerade hinter verschlossenen Türen aufgekauft. In Deutschland weniger und daher gab es schon einige große Insolvenzen. Ob weitere folgen, wird sich zeigen.
Tag 3
Der „Day After“ war der Freitag nicht, das ist erst der Samstag, aber es war schon erheblich weniger los. Am Stand „Europa Mitte“ war es wie immer sehr angenehm, und das bestätigten auch alle Anwesenden.
Dort traf ich auch auf einen Wiener Rechtsanwalt, der auf meine Frage, wie es denn auf der Messe sei, meinte: „Die Stimmung auf der EXPO REAL ist krampfhaft besser als die Lage. Es ist, als würde jeder laut pfeifend durch den dunklen Wald laufen. Wissen Sie, es reden alle von den Zinsen, aber wir hatten Ende der 90er sogar höhere. Es war zu viel Spekulation am Markt. Das rächt sich nun, und die Konsequenzen sind schon eingetreten. Diejenigen, die überlebensfähig sind, werden wir nächstes Jahr hier wiedertreffen. Es erinnert mich sehr stark an 2007/2008.“
So ähnlich sieht das auch der Europa-Chef eines institutionellen Fonds, der weltweit Immobilien im Wert von 133 Millionen Dollar in Verwaltung hat: „Stay alive till ’25!“ Länger sollte es aber nicht mehr dauern. Darf es nicht mehr dauern.
Vor allem in Deutschland. Zahlreiche Bauträger haben mittlerweile ihre Bautätigkeit eingestellt. „Aus gutem Grund“, so der Fondsmanager: „Wenn sie ihr Projekt fertiggestellt haben, bekommen sie keinen Scheck mehr dafür.“ Sprich: Die Immobilien lassen sich nicht verkaufen. Die Transaktionen stehen. „In Schönheit sterben“, meinte dazu der Fondsmanager, und ehe das passiert, ist es wohl besser, die Bautätigkeit einzustellen und bis 2025 durchzuhalten. Es hilft also nichts, die Projekte in einer gewissen Zeit fertigzustellen. Günstiger ist, vorerst alle Aktivitäten abzudrehen. Und das tun die Deutschen. Daher wurde auch die Bautätigkeit vielerorts eingestellt. „Ich war in der Früh laufen“, so ein Anwalt, „aber ich habe keine Kräne gesehen.“ Vielleicht nur ein subjektiver Eindruck, aber er passt ins Bild. Dafür stehen die Kräne nun am Hauptbahnhof herum. So wie in den letzten Jahren auch, aber gut Ding braucht eben Weile. Selbst in München – nicht nur in Berlin. Hier der Bahnhof, dort der Flughafen.
Die deutsche „Immobilien Zeitung“ meint: „Die Banken können kein Interesse mehr daran haben, dass die Bauträger jetzt insolvent werden. Sie sollten darauf achten, dass keine Unternehmen mehr pleitegehen.“ Es hat sich nämlich herausgestellt, dass sich bei einer Insolvenz die Assets nicht vermarkten lassen.
Auch die offenen Fonds halten sich bei den Käufen zurück – so die Conclusio nach dem Gespräch mit den Managern mehrerer offener Fonds. Obwohl sie so liquid sind? Bei den offenen Fonds werden demnächst die Mittelabflüsse beginnen. Die Manager wissen, wann die Bindungsfristen der Anleger vorbei sind und diese ihr Geld abziehen werden, um woanders zu investieren.
Wie lange die aktuelle Situation anhalten wird, weiß keiner. Zuerst muss einmal Sicherheit einkehren, und das betrifft die Zinsen. „Mittlerweile gibt es eine fast einhellige Meinung zu den Zinsen“, so ein einheimischer Projektentwickler: Für das dritte oder vierte Quartal 2024 erwartet man allgemein die erste Zinssenkung. „Stay alive till ’25“ also. „Die Zinsen sind egal, sagt mein rechtsanwaltlicher Frühstückspartner auf dem Stand „Europa Mitte“: „Es muss nur alles ins Gleichgewicht kommen.“
Zurück zur EXPO. Auch wenn in München die Quadratmeterpreise laut einigen Projektentwicklern um bis zu 25 Prozent nachgegeben haben – auf der EXPO merkt man bei den Standpreisen noch nichts davon. Unabhängig davon „glauben wir, dass es nächstes Jahr noch mehr Lounge-Flächen geben wird“, so ein heimischer Projektentwickler über die Entwicklung der Freiflächen. Ähnlich schreibt auch das deutsche Nachrichtenportal „Thomas Daily“: „Kleinere Teams, Lounge-Bereiche, wo sonst Unternehmen ausstellten, Stände mit einem statt früher zwei Stockwerken. Auf der EXPO REAL war zu spüren, dass die Zeiten schwieriger geworden sind.“
Positiv ist zu vermerken, dass sich die „Anzugsmentalität“ (Krawatte inklusive) immer mehr aufweicht. Dazu haben sicherlich auch die IT-Profis beigetragen. Es zählt eben nicht mehr die Kleidung, sondern das, was man kann. Es geht darum, was man leistet, und nicht darum, wie man erscheint. Egal, ob mit Jeans und T-Shirt oder Anzug und Krawatte.
„Mehr Sein als Schein“ – das wird sicherlich die Immobilienwirtschaft in den kommenden Jahren beherrschen. Wir sehen ohnehin, dass dies ein Trend unserer Zeit ist.
Mehr von Walter senk auf der unabhängigen Immobilienredaktion