Die Baubewilligungen sind seit geraumer Zeit rückläufig, der Neubau kommt in vielen Regionen fast gänzlich zum Erliegen. Wie die Länder dem entgegenwirken wollen und was vom Bund gefordert wird.
Die Nachricht hat eingeschlagen wie eine Bombe. Als das Land Niederösterreich ankündigte, im Rahmen der Wohnbauförderung nur noch Sanierungen, aber keine Neubauten im mehrgeschoßigen Bereich mehr zu fördern, war der Aufschrei groß. Hatten schon die seit längerem rückläufigen Baubewilligungen die Angst vor eine zukünftigen Wohnungsknappheit geschürt, war der niederösterreichische Kahlschlag quasi der fleischgewordene Beweis dafür.
Zwar werden die gemeinnützigen Bauvereinigungen 2023 eine ähnliche Fertigstellungsrate wie 2022 (16.700 Einheiten) erreichen und bei den Bauträgerprojekten wird es laut dem ersten österreichischen Neubaubericht des Fachverbands der Immobilien- und Vermögenstreuhänder sogar eine Steigerung von 45.800 Einheiten im Jahr 2022 auf 47.700 geben. Danach ziehen aber dunkle Wolken auf. »Es ist dringender Handlungsbedarf geboten«, sagt Wohnbauexperte Wolfgang Amann vom Institut für Immobilien Bauen und Wohnen IIBW. Es drohe nicht nur ein Engpass beim Wohnungsangebot, sondern auch eine »veritable Krise« der Bauwirtschaft, weil auch das »Ausweichen« in andere Bereiche wie der Sanierung aufgrund der hohen Preise nur sehr eingeschränkt möglich ist.
Beruhigend scheint aktuell nur, dass das niederösterreichische Beispiel (noch) keine Schule macht, wie ein Rundruf des Report bei den Wohnbaulandesrät*innen der anderen Bundesländer zeigt. Vom Burgenland bis Vorarlberg sind keine Neubaustopps angedacht. Wenngleich die hohen Baukosten natürlich im gesamten Bundesgebiet für Kopfzerbrechen sorgen. Aber so habe man etwa in Wien bereits im Jahr 2022 auf die gestiegenen Baukosten reagiert und die Neubauverordnung entsprechend angepasst. Allfälliger Anpassungsbedarf werde laufend evaluiert.
»Der derzeitige strikte Umgang mit Kreditvergaben ist überholt und passt nicht zur aktuellen Zinsentwicklung«, kritisiert Peter Reischer, kaufmännischer Geschäftsführer von Murexin. (Foto: Murexin)
In Kärnten braucht es bei Kostenüberschreitungen eine gesonderte Prüfung durch die zuständige Wohnbauabteilung sowie eine zusätzliche Genehmigung durch das Land. Und in Oberösterreich kündigt Manfred Haimbuchner selbstbewusst an, »in der Krise genauso viele Wohnungen wie davor« zu bauen. 2022 hätte man das mit einem Sonderwohnbauprogramm geschafft und für die nächsten zwei Jahre wurde gemeinsam mit den Genossenschaften und der Bauwirtschaft ein Fünfpunkteplan ausgearbeitet, der eine Laufzeitverlängerung der Darlehen, eine Absenkung der Verzinsung, eine Senkung der Anfangsannuität, eine Erhöhung des Förderdarlehens sowie einen erhöhten Eigenmitteleinsatz der Bauträger vorsieht, um weiterhin für rege Bautätigkeit zu sorgen.
Auf ein Wort
Wienerberger Österreich-Geschäftsführer Johann Marchner zum Thema Baukosten (Foto: Daniel Hinteramskogler)
Die Politik macht vor allem die steigenden Baukosten für den Einbruch der Neubautätigkeiten verantwortlich. Werden die Preise aufgrund des steigenden Wettbewerbs wieder sinken?
Johann Marchner: Ich kann nur für unser Unternehmen sprechen, also konkret über Wand- und Dachziegel: Unsere Preise sind zwischen 2020 und 2022 nur moderat gestiegen. Wir haben immer transparent und nachvollziehbar kommuniziert: für uns waren die steigenden Energiepreise kein maßgeblicher Kosten- und damit Preistreiber, da wir uns bereits Jahre zuvor Gasmengen, aber zu höheren Preisen, gesichert haben. Somit können jetzt bei wieder fallenden Energiepreisen auch keine Kostensenkungen weitergegeben werden. Grund für steigende Preise waren und sind Kosten durch eine massive KV-Erhöhung, steigende Kosten bei Logistik, bei Verpackung etc.
Die Politik, aber auch professionelle Anwender werfen, hier die unterschiedlichen Materialien in einen Topf und das ist nicht korrekt und auch nicht gerechtfertigt. Die Politik sollte sich vielmehr darum kümmern, dass sie einen österreichweiten, für alle Materialien gültigen Herkunftsnachweis einfordert. Zudem muss die politische Bevorzugung von Holz in den Fördersystemen gegenüber anderen Baustoffen endlich enden – das ist nicht nur wettbewerbsverzerrend, sondern im Sinne des nachhaltigen Bauens leider kontraproduktiv. Die wirtschaftliche Überbelastung unserer Wälder ist in vielen Veröffentlichungen nachzulesen.
Verantwortung von Politik und Wirtschaft
Auch wenn die Länder zahlreiche eigene Schritte setzen, um eine Wohnungsnot zu verhindern (siehe unten - Klick zum Seitenende), gibt es doch eine lange Liste mit Forderungen an den Bund. Ganz oben auf der Liste stehen nachhaltige Maßnahmen gegen die Teuerung und eine Lockerung der Regeln zur Wohnkreditvergabe. Aber auch die Wirtschaft muss sich ihrer Pflicht stellen, um der bedrohlichen Lage Herr zu werden.
»In einer Situation wie der derzeitigen sollten alle Seiten gemeinsam darauf hinarbeiten, Kontinuität aufrechtzuerhalten«, sagt Experte Amann. Eine Vollbremsung beanspruche alle Teile des Getriebes über die Maßen. Ein nachfolgender Neustart sei viel schwieriger, als den Wagen am Laufen zu halten. »Selbstverständlich ist es auch nötig, dass seitens der Bau- und Bauproduktewirtschaft Wille gezeigt wird, die Preise wieder auf ein vernünftiges Maß zu bringen.«
Zwar ist der Handlungsspielraum der Unternehmen nicht zuletzt durch die höheren Lohnkosten zumindest teilweise begrenzt (dazu auch im Interview Gerald Höninger, Dywidag: »Eine Rückkehr auf ein früheres Preisniveau ist unmöglich«), dennoch sind die Signale eindeutig. Im Wohnhaus- und Siedlungsbau sind die Baukosten im Juni gegenüber dem Vorjahresmonat laut Statistik Austria das dritte Mal in Folge gesunken. Das bestätigt auch Hubert Wetschnig, CEO der Habau Group: »Aufgrund der fehlenden Nachfrage kommt es Zug um Zug zu einem Sinken der Baupreise. Dieser Umstand zeichnet sich bereits teilweise am Markt ab.«
Ganz ähnlich die Einschätzung von Peter Reischer, kaufmännischer Geschäftsführer des Bauchemie-Spezialisten Murexin. »Angebot und Nachfrage werden auch weiterhin die Preise bestimmen. Dennoch werden diese sich nach den letzten Preissteigerungen aufgrund der angespannten Rohstoffsituation in der Vergangenheit wieder einpendeln.« Selbst ein harter Preiskampf ist plötzlich wieder denkbar. »Beim schrumpfenden Markt mit rückläufigen Absatzmengen wird die preisliche Herausforderung der Unternehmen zwangsweise höher«, so Reischer.
Und auch Hubert Wetschnig sieht durch den Einbruch im privaten Wohnungs- und Hausbau Unternehmen in neue Sparten und Projektgrößen vorstoßen. »Dieser Umstand kann sich nachteilig auf das Preisniveau auswirken und somit besteht natürlich das Risiko, dass die eine oder andere Firma eine sogenannte Unterdeckung ihrer Herstellkosten durch Claim-Management kompensieren möchte.«
Hubert Wetschnig, CEO Habau Group: »Gewisse Förderungen haben zu einer Überhitzung des Marktes geführt und folglich zu Engpässen vor allem bei Professionisten und Baustofflieferanten.« (Foto: Joe Kernasenko/ Habau Group)
Von der Politik wünschen sich die Unternehmensvertreter ähnlich wie die Ländern eine Stärkung der Wohnbauförderung unter anderem durch die Anpassung der Fördersumme an die gestiegenen Kosten sowie eine Erleichterung bei der Kreditvergabe. Johann Marchner, Geschäftsführer Wienerberger Österreich, würde sich zudem eine Beschleunigung der Bewilligungsverfahren wünschen und von den Gemeinden, dass sie mehr leistbare Grundstücke zur Verfügung stellen.
Länderbefragung
»Welche Maßnahmen wollen Sie setzen, um einen Wohnungsengpass zu verhindern?«
Burgenland: »Wir wollen zukünftig verstärkt auf die Bereiche Ankauf-, Sanierung und Revitalisierung setzen. Dies hilft uns bei der Erreichung der Klimaziele, der Eindämmung der Bodenversiegelung und bei der Belebung der Ortskerne.«
Kärnten: »Derzeit werden sowohl die geltenden Finanzierungsvorschriften für die gemeinnützigen Bauträger, wie auch die bestehenden Förderhöhen in der Wohnbauförderung evaluiert, um zielgerichtet spätestens zu Beginn des nächsten Jahres Optimierungen in beiden Bereichen zur leichteren Finanzierbarkeit sowohl für den einzelnen Häuselbauer wie auch für die gemeinnützigen Bauvereinigungen vornehmen zu können.«
Oberösterreich: »Nirgends in Österreich ist seit ich (Manfred Haimbuchner, Anm. d. Red.) Verantwortung für den Wohnbau tragen darf, so viel gebaut worden wie in Oberösterreich. Das wirkt sich auch dämpfend auf die Mietpreise am freien Markt aus. Während sich etwa in den letzten zehn Jahren die privaten Wohnungsmieten in Wien um über 53 % erhöht haben, verzeichnen wir in OÖ eine weitaus geringere Erhöhung von knapp 35 %. In Gesamtösterreich liegt die Erhöhung bei rund 44 %.«
Salzburg: »Die befristete erhöhte Förderung im Förderbereich der Errichtung von Mietwohnungen, die mit Ende Juli 2023 ausläuft, wird verlängert. Damit soll weiterhin eine Bautätigkeit der gemeinnützigen Bauvereinigungen, insbesondere im »mehrgeschossigen Segment« sichergestellt werden. Langfristig ist ein gänzlich neues Wohnbauförderungssystem geplant, um den geänderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen.«
Steiermark: »Die Geschoßbauförderung wird grundlegend reformiert und auf eine Kombination aus niedrigverzinsten Landesdarlehen und erhöhten Förderbeiträgen umgestellt. Der Netto-Hauptmietzins darf maximal 66 % des steirischen Richtwerts betragen.«
Tirol: »Tirol hat die Wohnbauförderungsbestimmungen zum 1. Juni 2023 deutlich verbessert, um den hohen Errichtungskosten entgegenzuwirken und die leichtere Finanzierbarkeit der Wohnungen zu ermöglichen.«
Vorarlberg: »Vorarlberg passt regelmäßig seine Richtlinien und Förderungen an die neuen Rahmenbedingungen an. Die Wohnbauförderung wurde neu ausgerichtet. Auch wurde ein Wohnbaupaket verabschiedet. Im Rahmen von Gesetzesnovellen wird eine neue Widmungskategorie »förderbarer Wohnbau« geschaffen, welche zur einer Preisentspannung am Grundstücksmarkt beitragen soll. Zudem ist die Einrichtung eines Bodenfonds geplant.«
Wien: »Wir evaluieren die Neubauverordnung, um insbesondere auf die Veränderungen am Kapitalmarkt zu reagieren. Dasselbe gilt für die Sanierungsverordnung, um die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes voranzutreiben.«