Eine umfassende Novelle der Wiener Bauordnung setzt neue Schwerpunkte auf Nachhaltigkeit und leistbares, qualitätsvolles Wohnen. Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál und NEOS Stadtentwicklungssprecherin Selma Arapovic stellten den Entwurf vor. Noch 2023 soll er umgesetzt werden.
Die Novelle basiert auf den Ergebnissen der breiten Diskussion bei der Fachenquete 2022. Im Zentrum stehen Dekarbonisierung und der Umgang mit erneuerbarer Energie, Entsiegelung und Grünraumgestaltung sowie der Schutz von Altbauten, Umgang mit Kurzzeitvermietung bzw. der Themenbereich Mobilität. „Mit dem Gesetzesentwurf zur Bauordnungsnovelle setzt die Stadt Wien völlig neue Maßstäbe für das nachhaltige und leistbare Wohnen der Zukunft. Diese umfassende Novelle trägt die politische Handschrift der Verantwortung für kommende Generationen“, freut sich Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál.
Selma Srapovic, NEOS Wien Sprecherin für Stadtentwicklung, ergänzt: „Durch die verpflichtende Errichtung von Photovoltaikanlagen wird jedes Dach eines Neubaus zur nachhaltigen Energiequelle. Gleichzeitig beenden wir konsequent unnötige Bodenversiegelung, reduzieren gezielt die verpflichtende Herstellung von Stellplätzen im Neubau, setzen vorbildlichen Baumschutz um und geben grünen Fassaden grünes Licht.“ Die wesentlichen Inhalte von städtebaulichen Verträgen sollen künftig auf der Homepage der Stadt Wien barrierefrei zugänglich gemacht werden und so für mehr Transparenz sorgen.
Klimaschutz, Klimaanpassung und Energiewende
Die im Wiener Gemeinderat beschlossene Smart Klima City Strategie Wien verfolgt das Ziel, bis 2040 gänzlich aus der fossilen Wärmeversorgung auszusteigen. Die Bauordnungsnovelle sieht hierfür wichtige Weichenstellungen vor: So sollen beispielsweise Erdwärmesonden baurechtlich gänzlich bewilligungsfrei werden. Durch die Implementierung von Energieraumplänen wird die Planbarkeit eines Anschlusses an das Fernwärmenetz garantiert und bei Einzelbausanierungen bzw. Änderungen an gebäudetechnischen Systemen werden hocheffiziente alternative System zum Einsatz kommen. Gleichzeitig wird die Solarverpflichtung durch eine Verdoppelung des geltenden Ausmaßes und den Entfall der Ausnahmen für die Bauklasse I sowie von Kleingartenwohnhäusern ausgeweitet.
„Die vorliegende Überarbeitung der Bauordnung ist die umfassendste Erweiterung eines Landesgesetzes in Sachen Klimaschutz und Klimawandelanpassung, die es gegenwärtig in Österreich gibt. Zahlreiche unserer Klimarat-Empfehlungen aus den letzten Jahren wurden berücksichtigt“, urteilt Robert Lechner, Leiter des Österreichischen Ökologie-Instituts und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Wiener Klimarats. Ein Klimagesetz nach Wiener Standards sei auf Bundesebene derzeit leider aber nicht erwartbar.
Entsiegelung und Stärkung der Grüninfrastruktur
Künftig sollen zwei Drittel der entsprechend gewidmeten Flächen gänzlich unversiegelt bleiben und bepflanzt werden. Für die Bauklasse I wurden die zusätzlich neue Bebauungs - und Begrünungsregelungen getroffen. Bei größeren Renovierungen sollen Innenhöfen zudem verpflichtend entsiegelt werden. Darüber hinaus kommt es zu Erleichterungen für Fassaden- und Dachbegrünungen, indem Rankhilfen ausnahmsweise über die Fluchtlinie bzw. Gebäudehöhe hinausragen dürfen. Neu eingeführt wird eine Baumpflanzverpflichtung ab dem 5. Stellplatz und der Schutz der Bestandsbäume im Straßenraum.
Altbautenschutz und Regelungen zur Kurzzeitvermietung
Der in der Bauordnungsnovelle 2018 eingeführte und in der Novelle 2021 angehobene Schutz von Altbauten wird entscheidend verschärft. Die Möglichkeit, aus wirtschaftlichen Gründen einen Abriss zuzulassen, wird soweit verfassungsrechtlich möglich eingeschränkt. Bei der Bewertung der wirtschaftlichen Zumutbarkeit sollen zukünftig beispielsweise Aufwendungen, die durch eine schuldhafte Vernachlässigung der Erhaltungspflicht entstehen, außer Betracht bleiben. Auch die Möglichkeit einer Neubaubewilligung ohne Vorliegen von erforderlichen Abbruchbewilligungen fällt weg. Altbauten müssen in Zukunft regelmäßig kontrolliert und diese Kontrollen dokumentiert werden.
Die Regelungen von Kurzzeitvermietungen werden konsequent weiterentwickelt, um so kostbaren Wohnraum dem Wohnungsmarkt nicht dauerhaft zu entziehen. Bis zu 90 Tage im Jahr kommt es zu keinen Einschränkungen, um beispielsweise die Möglichkeit bei einer urlaubsbedingten Abwesenheit die Wohnung mittels Home-Sharing weiterhin zu nutzen. Darüber hinausgehend sind Kurzzeitvermietungen nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Durch den Zugriff auf Daten aus der Vollziehung der Ortstaxe ist die Umsetzung der Regelung zukünftig erleichtert.
Infrastruktur für die Mobilität der Zukunft
Das System der Stellplatzverpflichtung differenziert zukünftig von der Lage. Bei besonders guter öffentlicher Anbindung kann die bestehende Verpflichtung verringert werden und durch Car-Sharing-Angebote bzw. E-Ladepunkte nochmals reduziert werden. Ab dem 10. Stellplatz bei einem Wohngebäude wird eine E-Ladeinfrastruktur vorgeschrieben. Eine entsprechende Nachrüstung bei Nicht-Wohngebäuden ist ebenfalls vorgesehen. Darüber hinaus werden Qualitätskriterien für Fahrradabstellplätze festgelegt.
Der Entwurf zur großen Bauordnungsnovelle 2023 wird in den kommenden Wochen zur öffentlichen Begutachtung gegeben. Im Herbst soll eine Regierungsvorlage dem weiteren Gesetzgebungsverfahren zugeführt werden, damit bis zum Jahresende die Novelle im Landtag beschlossen werden kann.